Aus der Printausgabe BBL 6/2021: Gastspiel von Michael Lemling zum Lockdown

Wir brauchen das Kundengespräch

10. Februar 2021
von Börsenblatt

Digitale Kommunikation, Abholstationen – alles hilfreich. Aber ohne persönliche Beratung funktioniert das stationäre Sortiment nicht. Michael Lemling fordert vernünftige Lockerungen des harten Lockdowns.

Der zweite Lockdown hat uns an unseren empfindlichsten Stellen getroffen – im Dezember, acht Tage vor Weihnachten: Fast zehn Prozent unseres Jahresumsatzes waren damit futsch. Im Januar haben wir den Einkauf der Novitäten auf Eis gelegt, weil völlig unklar war, wann wir wieder öffnen dürfen. Der Start ins neue Jahr: fast 50 Prozent Umsatzverlust im Januar trotz Onlineshop und Abholstation. Eine Öffnungsperspektive seitens der Politik gibt es nach wie vor nicht. Zwischen »No Covid« und »Zero Covid« bleibt kein Platz für eine andere Gewichtung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. 

Die Euphorie, die uns im vergangenen Frühjahr durch den ersten Lockdown getragen hat, ist weg. Natürlich machen wir auch jetzt all das, was wir seinerzeit an Handlungsalternativen und Logistik entwickelt haben, um Bücher auf neuen Wegen zu unseren Kundinnen und Kunden zu bringen. Wir rüsten weiterhin digital auf, haben unsere Telefone mit Headsets ausgestattet, organisieren unseren (sehr vorsichtigen) Novitäteneinkauf mit den Verlagsvertretern jetzt via Microsoft Teams und VLB-TIX und bespielen unsere Social-Media-Kanäle. Alles gut und wichtig, nur: Mehr als Klicks und Tweets, als Follower und Friends brauchen wir das Gespräch mit unseren Kunden im Laden. 

Unsere entscheidende Reichweite ist der Abstand, den wir jetzt aus Sicherheitsgründen zum Nächsten halten müssen. Das sind genau 1,5 Meter. Das reicht uns, um im Gespräch die ganze Auswahl unseres Sortiments sichtbar zu machen. Und unsere Kunden brauchen die 300 Quadratmeter unserer Buchhandlung, um in der Fülle der Neuerscheinungen des Frühjahrs Bücher zu finden, die sie nicht gesucht haben. Dieses Wechselspiel macht unseren Erfolg aus. Im Lockdown erreichen wir meist nur jene, die ihre Kaufentscheidung bereits getroffen haben. Vor uns liegt eine Riesenaufgabe: Wie machen wir die vielen großartigen Bücher sichtbar, auf die die Feuilletons ihre Scheinwerfer nicht richten? Je länger der Lockdown dauert, desto mehr Titel fallen hinten runter. 

Wenn nur die Inzidenzwerte zählen, putzen wir an Ostern unsere verstaubten Regale ab.

Michael Lemling

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