Literatur für Frauen

"Für uns Mädchen"

16. April 2021
von Sabine van Endert

Auch wenn viele meinen, es zu wissen: Was ist eigentlich »Frauenliteratur«? Autorin Mareike Krügel findet das Etikett mehr als verzichtbar. 

Literaturkritiker heften Ihren Büchern das Etikett »Frauenroman« an, auch der Piper Verlag verschlagwortet Ihren neuen Roman »Schwester« in VLB-TIX so. Wie lebt es sich damit?
Dass der Verlag diesen Begriff nutzt, ist mir gar nicht bekannt. Ist das so? In diesem Fall wäre ich nachsichtig, denn ich sehe ein, dass Verlage und Buch­handel sich bemühen, in einer großen Fülle von Veröffentlichungen Wege zu bahnen, um die richtigen Bücher an die richtige Kundschaft zu bringen. Bei der Literaturkritik ist das für mich etwas anders. Deren Aufgabe sollte es sein, einen Roman literarisch einzuordnen, Etiketten finde ich da wenig hilfreich. Und es fällt durchaus auf, dass dieser Begriff eher in Kritiken vorkommt, die kein besonders positives Urteil fällen.

Finden Sie, der Begriff »Frauen­literatur« wertet Ihre Romane ab?
Das tue ich, wenn ich glaube, er ist so gemeint. Es gäbe zahlreiche Einordnungsbegriffe, die man verwenden könnte, wenn man meint, ein Buch verorten zu müssen. Jeden davon würde ich mindestens als einseitig empfinden, schließlich ist Komplexität ein Grundprinzip von belletristischer Literatur. Aber wenn in meinem Buch Hunde vorkämen, und man würde es als »Hundebuch« bezeichnen, wäre immerhin klar, dass es nicht darum geht, das Buch nur Hunden zu empfehlen. Leider funktioniert das für den Begriff »Frau« nicht in gleicher Weise. 

Welche Folgen hat die Zuschreibung »Frauenliteratur« für ein Buch?
Als meine Tochter drei Jahre alt war, zeigte sie im Supermarkt auf die Joghurts mit dem rosafarbenen Deckel und sagte: »Die sind für uns Mädchen.« Vor diesem Sozialisierungshintergrund sorgt die Einordnung eines Buchs in »Frauenliteratur« dafür, dass Männer sich gar nicht erst angesprochen fühlen, dass es ihnen gar nicht erst vorgeschlagen wird in der Buchhandlung oder von irgendeinem Algorithmus. Es wird womöglich außerdem von der Literaturkritik ignoriert oder von Preisen nicht berücksichtigt. Das ist schade für das Buch, weil es einen großen Teil der Menschen nicht erreicht. Und schade für die Männer.

Der Begriff ›Frauenliteratur‹ kommt eher in negativen Kritiken vor.

Mareike Krügel

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