Interview mit Bianca Kölbl und Volker Stuhldreher

Investieren ist das Gebot der Stunde

12. April 2021
von Michael Roesler-Graichen

Bibliotheks-Deals, bei denen das Sortiment außen vor bleibt, aber auch die Konzentration im Markt machen dem Fachbuchhandel das Leben schwer, erst recht in Corona-Zeiten. Weshalb es jetzt sinnvoll ist, in digitale Aktivitäten und Produkte zu investieren und für mehr Sichtbarkeit im stationären Geschäft zu sorgen, erläutern die AWS-Vorstände Bianca Kölbl (Biazzamedien) und Volker Stuhldreher (Schweitzer Fachinformationen).

Die AWS-Vorstände Bianca Kölbl und Volker Stuhldreher (Archivbild)

Hat die Pandemie dem Geschäft mit digitalen Inhalten einen Schub gegeben?
Volker Stuhldreher: Beim Verkauf digitaler Medien haben wir bei Schweitzer Fachinformationen unser Ziel "übererfüllt" – was aber auch mit einem Riesenaufwand verbunden war. Die Umstellung der Bibliotheken auf digitale Inhalte hat sich erheblich beschleunigt und auch die meisten Verlage haben sehr schnell reagiert. Für Verlage und Buchhandel sind dadurch im Vertrieb von akademischen Publikationen neue Geschäftsbeziehungen entstanden. Einen echten Schub konnten wir auch im Bereich RWS verzeichnen, unter anderem wegen der Nutzung von mobilen Arbeitsmöglichkeiten in Kanzleien und Behörden. Die Nachfrage nach digitalen Produkten bei Firmen war ähnlich stark wie bei den Juristen und Verwaltungen, aber die Zurückhaltung beim Kauf gedruckter Erzeugnisse war für uns viel stärker zu spüren als in den anderen Märkten.
Bianca Kölbl: In unserer Buchhandlung Biazza ist Bibliotheksgeschäft weggebrochen, weil wir nicht so gut mit E-Book-Paketen aufgestellt sind, und die meisten Bibliotheken E-Books am Handel vorbei beziehen. Wegen der Richtlinien für Fördermittel sind das oft Händler, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben. Da wir mit E-Books keine Umsätze machen können, bieten wir gezielte Services an. So führen wir gerade zwei große Unternehmen in die Digitalisierung.

Wie bewältigen kleinere Fachbuchhändler und allgemeine Sortimenter mit Fachbuchabteilung die schwierige Situation?
Bianca Kölbl: Die verlieren Anteile am Kuchen, weil sie den Weg in die Digitalisierung nicht mitgehen und die notwendigen Investitionen nicht aufbringen können.
Volker Stuhldreher: Der akademische Fachbuchhandel generell ist auch durch die Bibliotheksdeals der jüngsten Zeit gebeutelt – nicht nur durch die Vereinbarungen großer Verlage mit Projekt DEAL, sondern auch durch andere Konsortialabschlüsse wie in Nordrhein-Westfalen, Sachsen oder Baden-Württemberg, wo E-Books für die Konsortiums-Mitglieder komplett bei den Verlagen eingekauft werden. Man bereitet viel für die Kunden vor, baut den Markt auf – und dann wird ein E-Book-Deal unterzeichnet, der den Vertrieb über den Buchhandel ausklammert.
Bianca Kölbl: Das hat auch größere Fachbuchhändler wie Lehmanns getroffen, die durch DEAL Verluste im Zeitschriftengeschäft erlitten haben.
Volker Stuhldreher: Dazu kommt erschwerend, dass das Geschäft mit digitalen Produkten tendenziell margenschwach ist.  

Verschärft Corona die Konzentration im Fachbuchhandel?
Bianca Kölbl: Die Entwicklung, die schon vor vielen Jahren eingesetzt hat, setzt sich natürlich fort – mit höherem Tempo.

Was können die Buchhändler dagegen tun?
Volker Stuhldreher: Zum einen den Fokus auf digitale Services richten …
Bianca Kölbl: … und zugleich in den Ausbau des stationären Buchhandels investieren, wie wir dies gerade tun. Denn die Sichtbarkeit des Titelangebots ist wichtig, gerade im lokalen Umfeld.

Könnte sich die Marktsituation in Folge der Übernahme von Lehmanns durch Thalia weiter zuspitzen?
Volker Stuhldreher: Das muss man abwarten. Es hat aber vielleicht auch einen Vorteil: Durch Thalia könnten Investitionen in den Vertrieb digitaler Produkte zu mehr Erfolg und besseren Konditionen mit den Verlagspartnern führen.

In Ihrem offenen Brief vom 18. März haben Sie das Projekt einer gemeinsamen Lizenzplattform ins Gespräch gebracht, die dem Buchhandel Umsätze bescheren könnte …
Volker Stuhldreher: Eine Lizenzplattform war ja vom Börsenverein und der VG Wort angeregt worden, um ein Geschäftsmodell für Nutzungen oberhalb der Schrankenregelungen zu entwickeln. Die Firma Booktex hatte dann einen entsprechenden Prototyp entwickelt. Mit dem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, das im März 2018 in Kraft trat, ist diesem Projekt allerdings die Grundlage entzogen worden. Die AWS verfolgt eine andere Idee: eine Plattform zu entwickeln, auf der alle Fachmedienanbieter ihre digitalen Inhalte bündeln könnten, und auf die alle Händler und akademischen Kunden zugreifen könnten.
Bianca Kölbl: Der Vorteil einer solchen Plattform wäre, dass sie auch kleineren Verlagen und Buchhändlern offen stünde.

Was planen Sie für die nahe Zukunft?
Volker Stuhldreher: Bei Schweitzer werden wir stark in die Prozesse investieren, weitere Services entwickeln sowie neue Tools für die Kunden. Als Fachinformationsdienstleister, der mit Inhalten handelt und schon lange nicht mehr nur mit gedruckten Medien, sehe ich uns gut aufgestellt.
Bianca Kölbl: Mein Mann und ich, wir sind Vollblutunternehmer. Wir haben einen Fachbuchanteil von 70 Prozent in unserem Geschäft, wollen aber auch ins allgemeine Sortiment investieren, wo die Margen höher sind. Daneben bauen wir unsere digitalen Aktivitäten mit vollem Elan weiter aus – wobei wir durch unsere Mitarbeiterinnen bestens unterstützt werden.

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