Leipzig liest extra

Inzidenzen runter, Stimmung rauf

26. Mai 2021
von Nils Kahlefendt

Jetzt geht’s los: Leipzig liest extra, der Pandemie-Platzhalter der Leipziger Buchmesse, lässt bis zum 30. Mai die Vielfalt der Literatur nach zwei Jahren erzwungener Pause teils per Livestreams, teils in Präsenz erleben. 

Wer auf dem Weg zur Kongresshalle Menschenmengen, vor allem Familien mit Kindern, durchs historische Zooportal strömen sah – seit 10. Mai hat der Leipziger Zoo wieder geöffnet – bekam eine ungefähre Ahnung davon, wie sich Normalität anfühlen könnte. Im großen Saal der Kongresshalle, der normalerweise 1.200 Besuchern Platz bietet, verloren sich bei großzügigsten Abständen nur eine Handvoll Medienvertreter, rund 60 verfolgten die Auftakt-Pressekonferenz von Leipzig liest extra im digitalen Live-Stream. Auf dem Podium dominierte nach zwei Messe-Jahrgängen unfreiwilliger Pandemie-Pause Erleichterung, gemischt mit einem Schuss ungläubigen Staunens: Sind das wirklich wir, die hier sitzen?

 

"Rock’n’Roll in der Buchbegeisterung"

"Nach den Monaten des Lockdowns fühlt sich dieses vorsichtige Wiedereintauchen in die Welt der Buchbegeisterung wie ein Neuanfang an", brachte Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die noch einmal an den Schock der Beiratssitzung vom 13. März 2020 erinnerte, die Stimmung vieler auf den Punkt. "So, wie ich Leipzig kenne, wird es ihnen gelingen, rasch zu diesem Lebensgefühl zurückzukommen." Angesichts einer Branche, die "Rock’n’Roll in der Buchbegeisterung", leider aber noch nicht wieder in den Bilanzen ist, dankte Schmidt-Friderichs auch den Medien für ihre Unterstützung: "Alles, was wir leben, ist auch ein Signal, wo wir Ihnen ein Ping zuspielen – und Sie oft genug mit einem Pong antworten. Das braucht diese Branche jetzt massiv: Jede Buchhandlung, jeder kleine Verlag und jeder große, jede unbekannte Autorin und jeder Bestseller-Autor."

Leipzig liest extra, "der verlängerte Arm der Buchmesse", wie Messe-Geschäftsführer Martin Buhl-Wagner sich ausdrückte, soll dem Buch auch in Pandemie-Zeiten eine Bühne verschaffen: 400 Veranstaltungen an über 80 Orten wird es bis Sonntag geben; dank wundersam gesunkener Inzidenzzahlen (in Leipzig 32,2 am heutigen Mittwoch, noch gestern lag der Wert bei 42,7) mehr als 100 mit Publikum. Wer an das Schneller, Höher, Weiter der Buchmesse-Auftakt-Pressekonferenzen bis 2019 zurückdenkt, wird Buhl-Wagner recht geben: "Es geht in diesem Jahr nicht darum, Rekorde zu verkünden." Für 2022 verspricht der Messe-Geschäftsführer eine Buchmesse, die in ihrem Kern in den Hallen und in der Stadt stattfindet – "plus intelligente digitale Erweiterungen".

Die Literatur meldet sich zurück

Auch Buchmesse-Direktor Oliver Zille ist ersichtlich heilfroh, "dass wir überhaupt loslegen können". Für sein Team lautete in den letzten, kräfte- und nervenzehrenden Monaten die Gretchenfrage. "Wie machen wir unser Schnellboot Leipzig liest flott?" Dabei gelang es vor allem, die vielen Partner der Buchmesse – sei es in der Stadt oder weit darüber hinaus – zu aktivieren. "Die große Zahl treuer Verbündeter ist die Quelle meiner Zuversicht für die nächste reguläre Veranstaltung", so Zille. Leipzigs Kultur-Bürgermeisterin Skadi Jennicke fühlt sich ein bisschen wie "zurück im Leben, von einem Moment des Aufbruchs angesteckt". Sie hält kurz inne; beinahe hätte sie "infiziert" gesagt. Neue und ganz neue Realität werden sich auch in den nächsten Tagen auf wundersame Weise überlagern.

Das geht schon heute Abend um sieben los, wenn in der Leipziger Nikolaikirche, dem Weihe-Ort der friedlichen Revolution, der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung vergeben wird. Während László F. Földényi, Preisträger 2020, längst in town ist und mit Regenschirm durch die leicht novembrige City spaziert, wird Johny Pitts nur digital bei uns sein. Da Großbritannien nun wieder Coronavirus-Variantengebiet ist, und somit für alle Einreisenden harte Quarantäne-Regeln gelten, kann der Preisträger 2021 leider nicht nach Deutschland kommen. Eine Live-Schalte aus der Kirche ist geplant. Aber damit werden wir auch noch fertig. Es ist angerichtet: Die Literatur meldet sich zurück.

Das tagesaktuelle Programm mit den Hinweisen zu Präsenz-, Digital- oder Hybridveranstaltungen gibt es unter www.leipziger-buchmesse.de. Alle Veranstaltungen von Leipzig liest extra werden kostenfrei über die Website www.leipziger-buchmesse.de gestreamt.