Deutscher Sachbuchpreis 2021

Jürgen Kaube ist der Gewinner

14. Juni 2021
von Michael Roesler-Graichen

Im Berliner Humboldt-Forum ist heute Abend (14. Juni) erstmals der Deutsche Sachbuchpreis vergeben worden – vor anwesenden Autor*innen und im Livestream. Aus den acht nominierten Titeln wählte die Jury das Buch "Hegels Welt" (Rowohlt Berlin) von FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube. Der Preisträger erhält 25.000 Euro, die sieben Nominierten je 2.500 Euro.

Ein sichtlich überraschter Jürgen Kaube betrat die Bühne im Humboldt-Forum, nachdem Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs die Preisurkunde verlesen hatte. "Es war von Anfang an die Rede von der Aktualität des Sachbuchs, da dachte ich: Die meinen die anderen." Zumal die Figur Hegel uns fern sei, und der Philosoph immer schwierig geschrieben habe. "Was mich an Hegel bewegt", so Kaube, "ist, dass er alles auf eine Karte gesetzt hat: auf das Wissen. Und das schloss für ihn auch den Begriff der Freiheit ein. Freiheit, so Hegel, hat kognitive Voraussetzungen. Sie ist praktisch werdendes Wissen. Freiheit ist nicht Frechheit, sondern kenntnisreiches Handeln." Sätze, die Kaube auch an diejenigen richtete, die für sich das "Querdenken" beanspruchen. "Quer" allein sei aber keine Freiheit. "Ich bin überrascht, ich bin erfreut – und lesen sie bitte auch alle anderen Bücher", so Kaube zum Schluss..

Mit dem Preis würdigt die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins ein herausragendes, in deutscher Sprache verfasstes Sachbuch, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt. In der Jurybegründung heißt es: "Mit dem Genre der Heldenerzählung räumt Jürgen Kaube in seiner Biografie über Georg Wilhelm Friedrich Hegel gründlich auf. Er schildert den Philosophen so elegant wie ironisch als Mann, der die Widersprüche der Umbruchzeit um 1800 wahrnimmt, durchdenkt, und doch auch immer wieder ihr revolutionäres Potenzial verkennt, etwa wenn es um die Freiheitsansprüche der Frauen geht. Geistesgeschichte ist bei Kaube Kulturgeschichte, und die Stärke Hegels war es, sich allen Wissensgebieten mit ganzer Person auszuliefern und dabei an den eigenen Erkenntnissen zu zweifeln. Dieses Sicheinlassen auf eine sich ändernde Welt macht Hegel so inspirierend für die Gegenwart, in der sich das unvoreingenommene Denken gegen falsche Gewissheiten, Wissenschaftsfeindlichkeit und Ausgrenzung von Schwächeren behaupten muss."

Für Karin Schmidt-Friderichs ist für die Preisvergabe kein besserer Zeitpunkt denkbar als der gegenwärtige: Fake News und eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit machten es notwendiger denn je, sich in vertiefter Lektüre valide und zertifizierte Informationen zu besorgen.

Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt-Forums, freute sich darüber, dass der erste Deutsche Sachbuchpreis in seinem Hause vergeben wird. Das Humboldt-Forum sei ein Ort, an dem viele Debatten geführt werden könnten, die auch in den nominierten Büchern behandelt werden.

Schirmherrin Monika Grütters hob in ihrer Begrüßung zur Preisverleihung die Bedeutung guter Sachbücher für die ganze Gesellschaft hervor: "Sachbücher schärfen die Urteilskraft und helfen ihren Leserinnen und Lesern auf diese Weise, sich beherzt des eigenen Verstandes statt der eigenen Vorurteile zu bedienen. Damit tragen sie zu einer Debattenkultur bei, die diesen Namen verdient."

Kia Vahland, die Sprecherin der Jury, stellte vor der Bekanntgabe des Preises im Gespräch mit den Moderator*innen des Abends, Katrin Schumacher (MDR) und René Aguigah (DLF Kultur), die Nominierten vor – jeweils paarweise, teils nach thematischem Zusammenhang: autobiographisch, literarisch-philosophisch, historisch. Bücher, die auch in der Pandemie einen Nerv treffen

Nominiert für den Preis waren:

  • Heike Behrend, Menschwerdung eines Affen (Matthes & Seitz Berlin, Oktober 2020)
  • Asal Dardan, Betrachtungen einer Barbarin (Hoffmann und Campe, Februar 2021)
  • Jürgen Kaube, Hegels Welt (Rowohlt Berlin, August 2020)
  • Andreas Kossert, Flucht – Eine Menschheitsgeschichte (Siedler, Oktober 2020)
  • Daniel Leese, Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenheit (C.H.Beck, Oktober 2020)
  • Michael Maar, Die Schlange im Wolfspelz. Das Geheimnis großer Literatur (Rowohlt, Oktober 2020)
  • Christoph Möllers, Freiheitsgrade. Elemente einer liberalen politischen Mechanik (Suhrkamp, September 2020)
  • Mai Thi Nguyen-Kim, Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit (Droemer Knaur, März 2021)

Hauptförderer des Deutschen Sachbuchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, darüber hinaus unterstützt die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss die Auszeichnung. Deutschlandfunk Kultur ist Medienpartner des Preises. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Sachbuchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Schirmherrin ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters.