Libri gegen MairDumont: Wie Handelsrichter den Fall beurteilen

Keine Boni für sortimentstypische Leistungen

26. April 2021
von Torsten Casimir

Diskret intensiv diskutiert die Branche über Spielräume der Konditionengestaltung. Ein – nicht rechtskräftiges – Urteil des Landgerichts Stuttgart gibt in der Frage, wie §6 Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) auszulegen sei, aktuelle Hinweise.

Geurteilt wurde in einem Rechtsstreit zwischen dem Barsortiment Libri und dem Marktführer im Reisebuchsegment MairDumont (Aktenzeichen: 44 O 37/20 KfH). Libri hatte geklagt, weil sich der Zwischenbuchhändler durch die Konditionenpraxis des Verlags benachteiligt fühlte. Der Vorwurf: Der Verlag gewähre Letztverkäufern, die er direkt beliefere, bessere Konditionen als dem Barsortiment – was ein Verstoß gegen das BuchPrG sei.

Auch liegt nach Auffassung des Klägers ein Verstoß gegen allgemeines Kartellrecht vor. Der Marktführer versuche, andere Reisebuchverlage unzulässig zu verdrängen; zudem versuche er, den Buchgroßhandel gezielt zu behindern. „Hierdurch gefährde die Beklagte auch kleinere Verlage und Buchhändler, die auf den Großhandel angewiesen seien“, so referiert das Gericht die Libri-Argumente aus der Klageschrift.

Die 44. Kammer für Handelssachen gab Libri in einem Anfang März ergangenen Urteil hinsichtlich der Verstöße gegen das BuchPrG in vollem Umfang Recht. Die Urteilsbegründung der Richter*innen liest sich wie eine Erinnerung an Sinn und Zweck der Preisbindung, sie wird im Folgenden deshalb ausführlich dargestellt.

Die beiden entscheidenden Fragen in dem Rechtsstreit lauteten: Welche Leistungen eines Buchhändlers sind als sortimentstypisch anzusehen (woraus folgen würde, dass sie keine zusätzlichen Vergütungen in Form von Vergünstigungen und Bonifikationen über den maximalen Rabatt hinaus rechtfertigen)? Und welche Sachverhalte müssen erfüllt sein, damit eine buchhändlerische Leistung mit On-Top-Boni belohnt werden darf?

Was gehört zum Kernjob?

Gemeinsprachlich formuliert: Was gehört zum Kernjob des Buchhändlers? Und welche Bemühungen sind so außergewöhnlich und kostenintensiv, dass sie im Einzelfall höher zu vergüten wären?

Strittig waren drei Leistungsbereiche:

  • das Category Management
  • das Verlagsmarketing
  • der Umgang mit Remissionen

Zu allen drei Punkten spart das Urteil nicht mit Klartext: Sie gehörten allesamt zum Berufsbild des Bucheinzelhandels, seien also sortimentstypisch und rechtfertigten daher keine gesonderten Vergütungen durch einen Hersteller. Die Argumentation von MairDumont, die zusätzlich vergüteten Leistungen lägen außerhalb des Schutzbereichs des BuchPrG, verfing in der ersten Instanz dieses Rechtsstreits also auf ganzer Linie nicht.

„Sämtliche von der Beklagten angeführten Zusatzleistungen, die die Händler für die weiteren Bonifikationen zu erbringen haben, sind als sortimentstypisch zu bewerten und dürfen daher nicht Anlass für eine besondere Vergütung sein“, heißt es in den Entscheidungsgründen. Im Einzelnen:

Category Management ist aus Sicht der Handelsrichter*innen etwas, das der Bucheinzelhandel (früher unter der Bezeichnung Warengruppenmanagement) schon immer und in wohlverstandenem Eigeninteresse betrieben habe. „Die Mitteilung von Daten hinsichtlich Bestand, Verkauf, Umsatz und dergleichen gehört zu dem typischen Aufgabenkreis eines jeden Einzelhändlers.“ Verbesserte Sortimentsstruktur im Sinne besser zu erfüllender Kundenwünsche steigere Umsätze und Gewinne für Hersteller und Händler gleichermaßen, heißt es im Urteil.

Das Gericht räumt zwar ein, dass für eine umfassende Bewertung alle Umstände des Einzelfalls und die gesamte Vertragssituation zu berücksichtigen seien, stellt aber klar: Von besonders kostenträchtigen Leistungen „wie die Erschließung von Absätzen durch die Beschäftigung eigener Reisender bzw. Außendienstvertreter“ (die ggf. Zusatzvergütungen begründen würden) könne bei Datenübermittlungen, und seien sie noch so aufwendig und spezifiziert, nicht die Rede sein.

Das Urteil wird insbesondere in diesem Punkt in einem Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wohl allerlei Detailerörterungen nach sich ziehen. In der Buchbranche finden sich Stimmen, die ein ausdifferenziertes Category Management, wie es etwa dem MairDumont-Modell zugrunde liegt, wegen des damit verbundenen personellen und technischen Einsatzes eben nicht für eine sortimentstypische, sondern für eine besondere, Zusatzbonifikationen rechtfertigende Leistung erachten.

Für das Thema Verlagsmarketing gilt aus Sicht des Landgerichts Stuttgart ebenfalls: Es gehört zum Kernjob des Sortimenters. „Marketing betreibt jeder Buchhändler bereits im eigenen Interesse.“ Es handele sich um eine Grundtätigkeit, deren Erlernen „bereits in der Berufsausbildung zum Buchhändler und zur Buchhändlerin“ verankert sei.

Ebenfalls „zum Grundbestand buchhändlerischer Tätigkeiten“ zählt das Urteil den Umgang mit Remissionen, etwa die Vorsortierung von Remittenden, selbst wenn durch eine verlagsseitige Vorgabe von Auswahlkriterien bei Händlern ein höherer Aufwand und bei Verlagen eine entsprechende Entlastung entstehen mag.

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