Comic

Das Aus für Angoulême 2026

3. Dezember 2025
Stefan Hauck

Nachdem sich Autor:innen, Verlage und Geldgeber von der Organisation des Internationalen Comic-Festivals von Angoulême distanziert hatten, haben die Veranstalter nun die Reißleine gezogen: Das für Ende Januar 2026 geplante Festival wurde abgesagt. Hotels und Buchhandlungen erwarten hohe wirtschaftliche Verluste. Aber Indie-Buchläden arbeiten schon an Alternativen.

Trompe- l'oeil: riesige farbige Comiczeichnung in der südfranzösischen Stadt Angoulême auf einer Häuserwand

Wenn das Comic-Festival stirbt, bleiben der südfranzösischen Stadt Angoulême nur die zahlreichen Comics auf den Häuserwänden

"Undurchsichtige Finanzen, toxisches Management"

In einer am 1. Dezember veröffentlichten Erklärung gaben die Ausrichter 9ᵉ Art+ bekannt, dass sie nach einer Serie von Absagen von Autoren, Verlagen –darunter große wie Dargaud, Dupuis und Casterman – und öffentlichen Geldgebern entschieden haben, dass das Internationale Comic-Festival von Angoulême für 2026 nicht stattfinden kann.

Nacheinander hatten alle Partner des Comic-Festivals dazu aufgerufen, nicht an der nächsten Ausgabe der Veranstaltung (29. Januar bis 1. Februar 2026) teilzunehmen, die seit elf Monaten in einer bislang nicht dagewesenen Krise steckt und in der zahlreiche Missstände zutage getreten sind: "undurchsichtige Finanzen, toxisches Management, Profitgier", fasst die französische Tageszeitung "Le Monde" zusammen. Zudem war eine Mitarbeiterin entlassen worden, nachdem sie Anzeige wegen einer Vergewaltigung erstattet hatte, die sie während der Ausgabe 2024 des Festivals erlitten haben soll. Auch Angoulêmes Bürgermeister Xavier Bonnefont konnte sich ein Festival mit den aktuellen Organisatoren nicht vorstellen.

Das Internationale Comic-Festival von Angoulême hat seit 1974 jährlich stattgefunden, außer im Pandemie-Jahr 2021. "Wir haben einen Veranstalter, der einfach vergisst, dass er selbst diese Krise ausgelöst hat, mit einem Boykott von fast 100 Prozent der Autoren der Comic-Branche und fast allen Verlagen, unabhängig von ihrer Größe und ihrer Geschichte mit dem Festival", zitiert "Le Figaro" Frédéric Vilcocq, Kulturberater der Region Nouvelle-Aquitaine, die einer der wichtigsten öffentlichen Geldgeber des Festivals ist. Demgegenüber wehren sich die Organisatoren von 9ᵉ Art+, dass sie für das Nicht-Zustandekommen des Festivals verantwortlich seien. Sie machen in ihrer Erklärung die öffentlichen Finanzgeber verantwortlich, "die sich ständig in die Organisation dieser Veranstaltung eingemischt haben, obwohl es sich um eine private Veranstaltung handelt, mit der offensichtlichen Absicht, den langjährigen Veranstalter zu verdrängen". Die öffentliche Hand stellt etwa die Hälfte des Festival-Budgets in Höhe von sechs Millionen Euro bereit.

Hotels und Buchhandlungen: mehrere Hunderttausend Euro Verlust

Die Absage des Comic-Festivals sei eine Katrophe, sagen in den Medien die Hoteliers, Restaurantbesitzer und Buchhändler übereinstimmend. Laut "La Nouvelle République" beziffern Hotels und Buchhandlungen ihre zu erwartenden wirtschaftlichen Verluste auf mehrere Hunderttausend Euro, da jedes Jahr mehr als 200.000 Besucher:innen zum Festival nach Angoulême (40.000 Einwohner:innen) kommen. Die Handelskammer beziffert die wirtschaftlichen Auswirkungen der Veranstaltung für das gesamte Departement auf 3,5 Millionen Euro.

Allerdings will die Comic-Branche dem Desaster nicht tatenlos zusehen. Die Buchhandlungen von Angoulême haben laut "20 Minutes" bereits begonnen, sich zu organisieren, um vom 29. Januar bis zum 1. Februar 2026 alternative Veranstaltungen ins Leben zu rufen. Die Geschäfte werden von der Gemeindeverwaltung in Angoulême und vielen Verlagen unterstützt, im Moment werden so viele Autor:innen wie möglich angefragt, nach Angoulême zu kommen. „Wir werden traumhaft tolle Gäste haben, das verspreche ich Ihnen", wird in "La Nouvelle République" der Inhaber einer unabhängigen Buchhandlung zitiert, und: "Wir wollen einfach unsere Haut retten und brauchen dafür die Unterstützung der Autoren."

Wie geht es mit dem Festival in Angoulême weiter?

Wie es 2027 weitergeht, ist noch offen. Rein rechtlich läuft der Vertrag zwischen 9ᵉ Art+ und dem FIBD [Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême] noch bis Ende 2027. 9ᵉ Art+ sei bereit, sich mit den Finanziers der öffentlichen Hand zu treffen, "um mit ihnen die Grundlagen für einen reibungslosen Übergang zu einer neuen Festivalleitung zu erarbeiten", so die bisherigen Organisatoren. Die französische Kulturministerin Rachida Dati hat am 18. November in der Nationalversammlung angekündigt, die staatlichen Subventionen für 9e Art+ um 200.000 Euro zu kürzen, um zu verhindern, dass "dieses Festival [gemeint ist die Ausgabe von 2026] zu einem Schiffbruch wird". Ob die 200.000 Euro 2027 wieder fließen werden, wird von der Veranstaltungsleitung abhängen.