Queer Media Society

Den Literaturbetrieb öffnen

28. Februar 2024
von Charline Vorherr

Queere Autor:innen und Stoffe haben im Literaturbetrieb noch immer nicht die gleichen Chancen wie nicht-queere, auch wenn die Sichtbarkeit in den letzten Jahren enorm gestiegen ist. Die Queer Media Society will das ändern - und Literaturschaffende vernetzen.

Volles Haus: Podiumsrunde der Queer Media Society und des Haymon Verlags auf der Leipziger Buchmesse 2023

Queere Autor:innen und ihre Texte haben in der Buchbranche mittlerweile einen festen Platz – und das nicht nur im Pride Month Juni. Sie werden mit wichtigen Buchpreisen ausgezeichnet, erhalten Stipendien und sind im Buchhandel vertreten. Doch die gleichen Chancen wie nicht-queeren Schriftstellerinnen oder Romanen mit heteronormativen Gesellschaftsbildern werden ihnen noch lange nicht eingeräumt.

In der Sektion Literatur/Graphic Novel/Verlagswesen des ehrenamtlich organisierten Netzwerks Queer Media Society, kurz QMS, verbinden sich seit 2019 Literatur- und Comicschaffende aus allen Bereichen der Branche. Das Netzwerk will die Sichtbarkeit queerer Menschen und Inhalte über Trendwellen hinaus etablieren - und zugleich bestehende Narrative hinterfragen und verändern. Damit knüpft die QMS auch an das aktivistische Engagement an, das einzelne Akteure wie QMS-Netzwerker Jim Baker vom Querverlag schon seit Jahrzehnten leisten.

Die Literatur fokussiert sich auf Coming-Out-Geschichten und Selbsterfahrung. Schwule Männer gehen aber auch einfach mal Hundefutter kaufen.

Maik Schurkus, Autor, Literaturwissenschaftler, gelernter Buchhändler

Mittlerweile sind queere Inhalte und Autor:innen nahezu in allen großen und kleinen Verlagsprogrammen zu finden. Die Literatur fokussiere sich jedoch vor allem auf Coming Out Geschichten und Selbsterfahrung, sagt Maik Schurkus, Autor, Literaturwissenschaftler und gelernter Buchhändler, im Gespräch mit Börsenblatt online. "Schwule Männer gehen aber auch einfach mal Hundefutter kaufen", so der Netzwerker.

Die Sektion Literatur der QMS ist aber auch branchenpolitisch aktiv und bietet Raum für Erfahrungsaustausch. Die Arbeitsbedingungen queerer Schriftsteller:innen seien noch immer anders als für nicht-queere - im positiven wie im negativen Sinne, erklärt Maik Schurkus.

So wird Literatur queerer Menschen in Buchhandlungen und Verlagen beispielsweise häufig nur für andere queere Menschen vermarktet, bemängelt Illustrator Joris Bas Backer: "Wenn die Bücher aber immer nur im Regal für queere Literatur stehen, werden sie darüber hinaus nicht gefunden und der universelle Wert wird ihnen abgesprochen“, so Bas Backer, kürzlich mit dem SchreibZeit-Stipendium der Stiftung Niedersachsen ausgezeichnet.

Der Illustrator ist als Zeichner im Netzwerk aktiv und profitiert persönlich und beruflich vom Austausch. "Die queere Comic-Szene ist klein und der Kontakt untereinander ist sehr wichtig, weil man vor spezifischen Herausforderungen steht, die man untereinander nicht erklären muss, aber teilen kann." Das Netzwerk als stärkende Komponente.

Fortsetzung 2024: Am 22. März diskutieren Luca Mael Milsch und Maurizio Onano (oben), Emelie Porsack und Nadine Lange (unten) auf der Leipziger Buchmesse

Panel in Leipzig: "Vielfalt zwischen den Zeilen"

Seit der Gründung hat das Netzwerk einige Projekte realisiert. Dazu gehört auch die Kampagne #pridebuch in Kooperation mit dem Börsenverein.

2023 folgte das erste Panel auf der Leipziger Buchmesse in Zusammenarbeit mit dem Haymon Verlag unter dem Titel "Queere Sichtbarkeit - Trendiges Nice-to-have oder Ausdruck gesellschaftspolitische Wertedebatten?".

Eine Fortsetzung gibt es 2024 im Forum Offene Gesellschaft der Leipziger Buchmesse. Das Panel „Vielfalt zwischen den Zeilen" des Haymon Verlags und der Queer Media Society erkundet die Art der Darstellung von queeren Charakteren in Büchern - mit

  • Luca Mael Milsch, Autor:in („Sieben Sekunden Luft“, Haymon),
  • Emelie Porsack (Taskforce Diversität im Börsenverein)
  • Maurizio Onano, Comiczeichner & QMS-Netzwerker

Termin: 22. März, 15.15 bis 16 Uhr. Die Moderation liegt bei Tagesspiegel-Journalistin und Autorin Nadine Lange, selbst QMS-Netzwerkerin. Weiterer Kooperationspartner ist das Berliner Kulturkaufhaus Dussmann.

Im Innsbrucker Haymon Verlag engagiert sich vor allem Projektleiterin Nadine Rendl im Netzwerk - zunächst aus privater Motivation heraus. „Letztlich passen die Werte, für die die QMS steht, aber wunderbar zum Haymon Verlag, sodass in einem ersten persönlichen Austausch mit Alexander Graeff, dem Sektionsleiter  Literatur, direkt einige Ideen zur Zusammenarbeit entstanden“ – und daraus schließlich die Panels auf der Leipziger Buchmesse.

Für Nadine Rendl ist das Netzwerk „in erster Linie ein Pool aus vielen talentierten und motivierten Menschen, die etwas in der Branche verändern wollen. So gesehen sind die Kolleg:innen jene, mit denen ich am metaphorischen Strang ziehe, wenn es darum geht, den Literaturbetrieb zu öffnen, diverser und damit auch noch interessanter zu gestalten." Was das Netzwerk für sie außerdem bedeutet: "Die Sichtbarmachung all dessen, was im Argen liegt, wo es Handlungsbedarf gibt. Und: Die Sichtbarmachung von Möglichkeiten.“

Für all diese Vorhaben braucht es jedoch vor allem eins: Menschen, die sich beteiligen und ihre Stimme erheben. Die Queer Media Society, die sich als ehrenamtliche Initiative und soziale Bewegung versteht (und nicht als eingetragener Verein agiert), steht deshalb allen offen, die sich engagieren wollen. Das Angebot zum Mitmachen sei niedrigschwellig, betont der Autor und Literaturvermittler Alexander Graeff als Leiter der Sektion Literatur.

Auch Unternehmen und Organisationen, die beispielsweise bei Veranstaltungen mit der QMS-Sektion kooperieren wollen, können sich gerne an ihn wenden.

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