Die Sonntagsfrage

Drei Jahre #PrideBuch – wie steht es um die Rolle der queeren Literatur im Buchhandel?

11. Juni 2023
von Börsenblatt

Im Juni ruft die Queer Media Society gemeinsam mit dem Börsenverein dazu auf, queere Literatur im Netz und in den Buchhandlungen zu empfehlen. Wie sieht die Zwischenbilanz nach anderthalb Wochen #PrideBuch aus? Und wie hat sich die Rolle der queeren Literatur im Buchhandel seit dem ersten Aktionsmonat im deutschen Buchhandel verändert? Antworten von Anton Cronauer (trans*fabel / Queer Media Society), Mitorganisator*in von #PrideBuch.

Anton Cronauer mit Bücherstand

Mit #PrideBuch laden wir dazu ein, Autor*innen und Bücher vorzustellen, die queere Lebensrealitäten und Erfahrungen abbilden. Wir glauben an die revolutionäre Kraft der Sprache – und an die Rolle der Literatur als Vermittlerin von Perspektivenwechsel und Ambiguitätstoleranz, als Möglichkeits- und Empowerment-Raum, um über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aufzuklären und sie zu feiern. Die Kooperation zwischen Queer Media Society und Börsenverein und die Social-Media-Aktion gibt es seit 2021.

Die Aktion #PrideBuch

Die Aktion wird mit jährlich wechselnden Literaturakteur*innen umgesetzt. Dieses Jahr waren mehr buchaffine Accounts und queere Blogger*innen eingebunden als zuvor. Auf Instagram z. B. wird #PrideBuch bislang gut angenommen. Um dies weiter anzukurbeln, wird es wiederholte Aufrufe geben, queere Lieblingsbücher unter #PrideBuch vorzustellen.

Buchhandlungen bekamen dieses Jahr erstmals Werbematerialien und Buchempfehlungen zur Verfügung gestellt. Einige haben daraufhin über ihre #PrideBuch-Büchertische gepostet. Wie viele solcher Tische es gibt, wissen wir bis jetzt noch nicht.

Um auf die queere Lebensvielfalt im Kampagnen-Aufruf hinzuweisen, wurden für die Aktion kurzfristig – zusätzlich zu Bildern mit der Regenbogenflagge – Bilder mit einer inter*-, trans*- und BI_PoC-inklusiven Progress-Flagge zur Verfügung gestellt, die nächstes Jahr auch für die Print-Werbematerialien des Börsenvereins verwendet werden.

"Die neue Intersex Inclusive Pride Flag wurde von Valentino Vecchietti designt, einem Intersex-Aktivisten. In Zusammenarbeit mit Intersex Equality Rights UK gestaltete Vecchietti eine Fahne, die intersexuelle Menschen stärker einbezieht und anerkennt. Damit setzt er die junge Tradition der Aktualisierung und Neugestaltung von Pride-Fahnen fort. Sie spiegelt 'alle Aspekte unserer Gemeinschaft' wider, also nicht nur Schwule, Lesben und Bisexuelle, sondern auch People of Color (PoC), Blacks, Trans*gender, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen." Quelle: CSD Deutschland

Was hat sich seit der ersten #PrideBuch-Aktion im deutschen Buchhandel verändert?

2020 zeigte eine Untersuchung, dass geschlechtliche Vielfalt in Büchern stark unterrepräsentiert war, was sicher auch für sexuelle Vielfalt zutrifft. Seither wurden mehr queere Bücher veröffentlicht – unsere Aktion sowie die generelle Arbeit der Queer Media Society seit 2019 mag dazu beigetragen haben. Von einer repräsentativen Einbindung queerer Stoffe und Personen sind wir jedoch weit entfernt. Zudem gibt es immer noch viel Diskriminierung, Vorurteile und Hetze gegen queere Menschen – auch im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Umso wichtiger sind Aktionen wie #PrideBuch!

Natürlich gibt es, wie in allen Branchen, Akteur*innen, die sich zum Pride Month vorübergehend mit queeren Büchern schmücken, welche den Rest des Jahres kaum wahrnehmbar und vereinzelt zu suchen sind – außer in queeren Buchhandlungen, deren Fokus meist auf schwul-lesbischer Literatur liegt oder bei trans*fabel, dem einzigen deutschen Buch-Shop mit Fokus auf geschlechtlicher Vielfalt, aber auch Asexualität und Aromantik. Um Tokenismus* und Pink Washing* großer Konzernverlage ging es auch in einem Panel der Queer Media Society auf der Leipziger Buchmesse 2023

Aber wir hoffen, dass durch unsere Kampagne mehr Interesse geweckt wird, queere Bücher dauerhaft, diversifiziert und in guter Anzahl zu veröffentlichen und zu präsentieren.

Glossar

Tokenismus: "Er bezeichnet das (ungewollte) Einnehmen einer Alibifunktion von einer marginalisierten Person innerhalb von Gruppen. Token werden nicht als Individuen betrachtet, sie werden lediglich als Repräsentant*innen 'ihrer' vermeintlichen Gruppe instrumentalisiert und so auf ihre vermeintlichen Identitätskategorien reduziert. Durch Tokenism stellen sich Gruppen oder Institutionen nach außen als emanzipiert und divers dar, um dafür Anerkennung zu bekommen." Quelle: Universität zu Köln.

Pink Washing: "bezeichnet Strategien, die durch das Vorgeben einer Identifizierung mit der LGBT-Bewegung bestimmte Produkte, Personen, Organisationen oder Staaten bewerben, um dadurch modern, fortschrittlich und tolerant zu wirken." vgl. Greenwashing. Quelle: Wikipedia.