Geburtstagsbrief der Verlegerin Britta Egetemeier an Charlotte Link

Der präzise Blick auf Menschen immer mit am Schreibtisch

5. Oktober 2023
von Börsenblatt

Heute, am 5. Oktober, feiert Charlotte Link ihren 60. Geburtstag. In einem persönlichen Gruß gratuliert Verlegerin Britta Egetemeier der "Queen of Crime", die in diesem Jahr auch ihr 40-jähriges Jubiläum als Schriftstellerin feiert.

Liebe Charlotte,

ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, mit dem Gratulieren.

Wir feiern Deinen Geburtstag, verbrieft am 5. Oktober 1963 in der Bücherstadt Frankfurt. 60 Jahre!

Wir feiern 40 Jahre Charlotte Link als Autorin, 1983 machtest Du Abitur und schicktest im gleichen Jahr das Manuskript, das Du als 16-Jährige begonnen hattest zu schreiben, an zwei Verlage.

Wir feiern 35 Jahre Charlotte Link bei Blanvalet, seit 1988 erscheinen Deine Bücher bei uns in der Verlagsgruppe. Allein in deutscher Sprache beträgt die Gesamtauflage Deiner 22 Romane unglaubliche 33 Millionen Exemplare, und gerade in dieser Woche freuen wir uns wieder über die Nummer-1-Platzierung auf der Spiegel-Bestsellerliste für Deinen jüngsten Thriller „Einsame Nacht“.

Ja, liebe Charlotte, Du schreibst seit Deiner Schulzeit… es ist in ungezählten Porträts erzählt worden, wie Dein auf der Schreibmaschine und mit viel Tipp-Ex entstandenes 800-Seiten-Manuskript vom Rowohlt Verlag angenommen wurde. Zwischen diesem Anfang und dem heutigen Tag liegt eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Deine Leser*innen heute kennen Dich als Star der Bücherwelt, die „Queen of Crime“, die „Meisterin der schleichenden Spannung“ oder „Meisterin der Täuschung“. Tatsächlich waren die ersten Deiner Romane historische Stoffe wie „Die schöne Helena“ oder so genannte Gesellschaftsromane, etwa die „Sturmzeit“-Trilogie, die seit den 1990er Jahren ein riesiges Publikum erreicht.

Ich denke, was Charlotte Link als Autorin ausmacht, war auch in diesen frühen Büchern schon zu spüren: Du erzählst von echten Menschen und schaust in ihre Seelen. Dein tiefes Interesse an der menschlichen Psyche, Deine genaue Beobachtungsgabe, Deine Empathie sind immer mit am Schreibtisch, wenn Du einen neuen Thriller konzipierst und Dich mit der ambivalenten Welt zwischen Normalität und menschlichen Abgründen auseinandersetzt. Du hast oft in Interviews gesagt, Du erachtetest Glück für alles andere einen Dauerzustand und die Welt eher nicht für einen guten Ort.  Von diesem präzisen Blick auf Menschen, deren Beziehungen oder Lebenssituationen sich gegen sie wenden, so dass sie zu Tätern werden, leben Deine Protagonisten und daraus schöpfen Deine unvergleichlichen Plot-Twists und brillanten Auflösungen.

Du lenkst das Interesse und das Mitfühlen Deiner Leser*innen auf das, was hinter der Fassade steckt, auf das, was gerade nicht offensichtlich ist in den Beweggründen Deiner Figuren. Und spiegelst auf diese Weise das menschliche Drama aus Einsamkeit, Gier, Schuld, Überforderung, Lügen, Zurückweisung, Eifersucht oder auch verzweifelter Suche nach Glück.

Dass diese menschlichen Extreme uns alle beschäftigen und faszinieren, zeigt die große Zahl Deiner Leserinnen und Leser aller Altersgruppen, egal ob bei einem Standalone oder dem nächsten Band der Kate-Linville-Reihe. Und wer Dich auf Lesungen und Festivals live erlebt und Dich über Dein Leben und Schreiben erzählen hört, spürt ganz unmittelbar etwas von der Wahrheitssuche, die in allen Deinen Büchern steckt.

Ganz besonders auch in dem so persönlichen wie universalen Buch „Sechs Jahre“, das Du dem Abschied von Deiner Schwester und dem Umgang mit ihrer Krebserkrankung gewidmet hast und das zusammen mit Deinem öffentlichen Engagement so vielen Betroffenen geholfen hat.

Ein Hoch auf Dich, liebe Charlotte, und auf Deine Bücher, besonders auch auf die noch ungeschriebenen der kommenden Jahre. Hoffentlich findest Du auch die Zeit, über Deine hingebungsvolle Arbeit im Tierschutz, vor allem für Straßenhunde, zu schreiben. Denn nicht zuletzt sind es auch Deine Hunde, die an den großen Erfolgen „mitschreiben“, stimmt’s? Wie sagte es Edith Wharton: Mein Hund, Herzschlag zu meinen Füßen.

Und jetzt freue ich mich auf das neue Manuskript, das schon bald im Verlag ankommen wird. Natürlich hat die „Meisterin der Täuschung“ uns die entscheidende Wendung noch nicht offenbart, und die Spannung und Handlung wird uns mitreißen, uns vergessen lassen, dass wir Anmerkungen machen, lektorieren sollen, wir blättern Seite um Seite wie im Rausch, und wissen: unfassbar gut, Charlotte Link hat es wieder getan, sie hat sich ein weiteres Mal selbst übertroffen. Und wir dürfen die größte Könnerin der Spannungsliteratur der Gegenwart verlegen, und die, die die Menschen am besten versteht.

Viel Glück und alles Gute, liebe Charlotte!  

Britta Egetemeier