Queere Bücher und Verlage auf der Frankfurter Buchmesse

"Durch euch hatte ich mein Outing"

18. Oktober 2025
Jule Heer

Queere Verlage und Bücher schaffen Sichtbarkeit, erzählen vielfältige Geschichten und geben marginalisierten Stimmen Raum – auch auf der Frankfurter Buchmesse 2025 ist das Thema präsent: Was es mit dem ersten Queer-Empfang auf sich hat und wieso bei Ylva keine lesbischen Frauen sterben.

Book Blind Dates beim Ylva Verlag

Book Blind Dates beim Ylva Verlag

Die queere Community beschwert sich immer über Sichtbarkeit – also ist die logische Konsequenz, diese Bühne zu nutzen.

Jim Baker, Querverlag

Queere Bücher suchen nicht nur einen Platz im Regal – sie fordern Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Einer der Verlage, der sich dieser Aufgabe seit Jahrzehnten widmet, ist der Querverlag aus Berlin. Co-Gründer Jim Baker betont: "Wir sind seit 30 Jahren auf der Buchmesse." Angefangen mit schwul-lesbischen Titeln, hat sich das Programm des Verlags kontinuierlich erweitert – heute umfasst es ein breites Spektrum queerer Literatur, darunter auch Werke zu Trans*-Themen, Sachbücher, Lyrik und Kriminalromane.

Zu den aktuellen Neuerscheinungen zählen unter anderem "Ich tanze nun mal nicht gerne Standard", das die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die sich jenseits gesellschaftlicher Erwartungen ihren eigenen Weg durch die DDR und das Leben sucht, sowie "beziehungs_weise Lesbe", ein Ratgeber mit psychologischem Hintergrundwissen, der lesbische und FLINTA*-Beziehungen in den Mittelpunkt stellt und Impulse für ein selbstbestimmtes Miteinander gibt.

Für Baker ist die Präsenz auf der Messe mehr als nur Marketing: "Die queere Community beschwert sich immer über Sichtbarkeit – also ist die logische Konsequenz, diese Bühne zu nutzen."

Stand des Querverlags

Stand des Querverlags

Es ist ein Riesending, in dieser Halle zu sein.

Ylva Verlag

Happy Ends für lesbische Figuren

Seit 14 Jahren gibt es den Ylva Verlag, der sich – wie Verlegerin Astrid Ohletz selbst sagt – an Frauen richtet, die Frauen lieben. Der Verlag hatte vor einigen Jahren bereits einen Gemeinschaftsstand mit anderen Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse; nun ist er zum zweiten Mal in Folge in Halle 1.2 vertreten. "Es ist ein Riesending, in dieser Halle zu sein", erzählt eine Mitarbeiterin des Verlags. Dank des jungen Publikums sei die Resonanz hier besonders stark.

Gerade, weil der Verlag klein ist und die Bücher aus finanziellen Gründen nicht über Barsortimente vertrieben werden, sei die Präsenz auf der Messe extrem wichtig. Die Reaktionen des Publikums fallen durchweg positiv aus, berichtet Astrid Ohletz. Es gebe zwei Gruppen von Besucher:innen: Die einen kennen den Verlag bereits und sagen begeistert: "Wow, ihr seid hier!", die anderen staunen: "Wow, so etwas gibt es!"

Besonders bewegend seien die Begegnungen mit jungen Menschen, die erzählen: "Durch euch hatte ich mein Outing." An solche Momente erinnert sich Ohletz gern zurück: "Da kriege ich heute noch Gänsehaut."

Der Ylva Verlag veröffentlicht Bücher sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. "Und heute wollen fast alle Englisch – die Zielgruppe wird immer größer", so die Verlegerin. Besonders wichtig ist ihr eines: Alle Bücher haben ein Happy End. Denn fiktionale Geschichten über lesbische Frauen enden oft tragisch – etwa mit Trennung oder Tod. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: das "Dead Lesbian Syndrome", oder auch "Bury Your Gays".

Um dem gezielt entgegenzuwirken und queeren Leser:innen positive und hoffnungsvolle Enden zu geben, hat Ohletz eine klare Regel für alle Ylva-Bücher aufgestellt: Keines der Love Interests stirbt.

Der Ylva Verlag in Halle 1.2

Der Ylva Verlag in Halle 1.2

Mehr als Special Interest

Auch abseits der queeren Verlagsstände zeigt sich: Queere Themen sind längst Teil des literarischen Dialogs. So trug Spoken-Word-Künstler Philipp Herold bei der Verleihung des Deutschen Verlagspreises einen Text rund um Vielfalt, Queerness und Identität vor. Einer der dort verkündeten Spitzenpreise ging an den konkursbuch Verlag, der sich unter anderem mit queerer Lust auseinandersetzt. Juror Linus Giese, Buchhändler und Autor, der selbst trans Mann ist, betont: "Es ist wichtig, dass Kultur Räume schafft, in denen meine und andere Geschichten erzählt werden." Oft würden gerade jene Verlage übersehen, die sich mit queeren Lebensrealitäten befassen, weil sie als "Special-Interest-Verlage" abgestempelt werden. Dabei sei ihr Beitrag zur kulturellen Vielfalt nicht zu unterschätzen: Bei konkursbuch erscheint etwa die Erotik-Jahrbuch-Reihe "Mein schwules Auge", die queere Männlichkeit sichtbar macht.

Wir lieben, wen wir wollen. Begehren, wen wir wollen. Leben, wie wir wollen. Wir lassen uns diese Freiheit nicht mehr nehmen, und wir kämpfen jeden Tag dafür.

Sven Lehmann, Vorsitzender Ausschuss Kultur und Medien im Deutschen Bundestag

Erster Queer-Empfang auf der Messe

Eine Neuheit auf der Messe in diesem Jahr: ein Queer-Empfang, veranstaltet von der Queer Media Society (QMS), dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Frankfurter Buchmesse, der AIDS-Hilfe Frankfurt (AHF), Just Human, dem Querverlag und Rainbow Stories. Sven Lehmann, Vorsitzender Ausschuss Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, der außerdem erster Queerbeauftragter der Bundesregierung war, betonte in seinem Grußwort, dass Vielfalt sichtbar sein muss: "Wir lieben, wen wir wollen. Begehren, wen wir wollen. Leben, wie wir wollen. Wir lassen uns diese Freiheit nicht mehr nehmen, und wir kämpfen jeden Tag dafür." Dazu gehöre auch kleine Verlage zu unterstützen. 

In einem der Panels am Abend sagte Jessica Isselbächer, Diversity Managerin & Stellvertretende Personalleiterin bei S. Fischer: "Wir sind alle unterschiedlich und das muss sich auch in unseren Büchern widerspiegeln." Ebenso wichtig sei die Vielfalt der Menschen, die eingestellt werden. Jim Baker, Co-Gründer des Querverlags sieht darin, dass in den letzten Jahren zunehmend auch große Verlage queere Bücher veröffentlicht haben, keine Bedrohung: "Diese Welt kann nicht genug tolle Bücher haben und wir können nicht alle machen."

Es schloss sich ein weiteres Panel zum Thema queere Flucht an. Außerdem las Schauspielerin Susanne Heydenreich eine Rainbow Story der Autorin Nadia Saadi, begleitet von einer Tanzperformance der Gruppe Dancers Across Borders mit Kostümen des Designers Sadik. Für musikalische Begleitung sorgte das Pop-Duo Clinc, das auch die daran anschließende Queere Nacht im Hilton Frankfurt eröffnete.

Die Beteiligten des Queer-Empfangs

Die Beteiligten des Queer-Empfangs

10 Jahre Queer Book Fair

Außerhalb des Messegeländes, im B&B-Hotel Frankfurt City Messe, fand am Samstag außerdem die Queer Book Fair statt - bereits zum zehnten Mal. Viele Verlage und Einzelautor:innen waren mit ihren Büchern vor Ort. Darunter der MAIN Verlag und der Traumtänzer-Verlag. Ashan Delon von der Autor:innengemeinschaft Kuschelgang erzählt, dass sie mit ihren gemeinsam geschriebenen und im Selfpublishing veröffentlichen Büchern bereits zum sechsten Mal auf der kleinen, queeren Messe dabei sind. "Man trifft hier die Community und die Leser:innen" persönlich, so Delon. Und das sei sehr wertvoll.

Autor:in Gönni C. ist zum ersten Mal dabei und zeigt sich positiv überrascht: "Es gibt viel mehr Besucher:innen, als ich gedacht hätte. Es ist doch deutlich mehr als nur ein Klassentreffen." Das stimmt: An allen Ständen herrscht reges Treiben – es wird geblättert, geredet und eingekauft. Auch zahlreiche Lesungen ergänzten das Programm der Queer Book Fair. 

 

Queer Book Fair

Queer Book Fair