Autorenprotest gegen Aus für SRF-Sendung "52 beste Bücher"

"Literatur braucht einen Platz"

7. Oktober 2020
von Börsenblatt

Der Schweizer Sender SRF will im Zuge von Sparmaßnahmen seine wöchentliche Radio-Serie "52 beste Bücher" einstellen. In einem Offenen Brief an SRF-Direktorin Nathalie Wappler protestieren Autoren und Autorinnen – darunter Alain Claude Sulzer, Peter Stamm, Eva Menasse und Sibylle Berg – dagegen.

In dem Offenen Brief an Nathalie Wappler heißt es im Wortlaut:

Das Radio steckt in einer Krise, die Zeiten werden nicht besser, es muss gespart werden. Sie, Nathalie Wappler, wurden berufen, um die Krise bei SRF an allen möglichen Fronten zu meistern. Das ist keine leichte Aufgabe, wie uns sehr wohl bewusst ist.Aus Spargründen soll nun die Sendung "52 Beste Bücher" dem Rotstift zum Opfer fallen. Stattdessen, so entnehmen wir der Presse, soll die "Literaturberichterstattung ganzheitlich neu aufgestellt" werden.

Das angekündigte Ende von "52 Beste Bücher" trifft zum einen Ihre äußerst professionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen wir seit vielen Jahren zusammengearbeitet haben, es trifft aber auch uns Autoren und Autorinnen, denen damit eine wichtige Plattform wegbricht. Hier kamen die unterschiedlichsten Stimmen verschiedener Generationen zu Wort und konnten sich über ihre Bücher äußern, ohne lediglich kurze Werbe-Statements abgeben zu müssen. Ein Privileg, um das uns viele ausländische Kolleginnen und Kollegen beneidet haben, nicht zuletzt deshalb, weil aus der Schweiz ein etwas anderer Blick auf deren Werke geworfen wurde.

Wir können und wollen nicht glauben, dass Radio SRF besser aus der Krise kommt, indem es auf eine Sendung wie "52 Beste Bücher" verzichtet. Wir können und wollen auch nicht glauben, dass die zahllosen Zuhörer und Zuhörerinnen, die uns immer wieder darauf angesprochen haben, darauf verzichten wollen.

Wir bitten Sie deshalb eindringlich, Ihre Entscheidung zu überdenken oder allenfalls adäquate Sendeplätze zu schaffen, auf denen die Literatur den Platz bekommt, den sie braucht.

Mit freundlichen Grüßen

Alain Claude Sulzer
Klaus Merz
Peter Stamm
Melinda Nadj Abonji
Christian Kracht
Thomas Hürlimann
Martin R. Dean
Ruth Schweikert
Eva Menasse
Tim Krohn
Sibylle Berg
Adolf Muschg
Dorothee Elmiger
Gertrud Leutenegger
Christian Haller
Jonas Lüscher
Nora Gomringer
Zora del Buono
Friederike Kretzen
Dana Grigorcea
Anna Stern
Simone Lappert
Melitta Breznik
Ingo Schulze

Hintergrund

SRF-Direktorin Nathalie Wappler hatte die SRF-Mitarbeitenden am 6. Oktober über die Sparvorgaben für die nächsten zwei Jahre sowie weitere Schritte zur Transformation im Rahmen von "SRF 2024" informiert, wie der Sender in einer Presseinformation mitteilte.

Vorige Woche hätte Generaldirektor Gilles Marchand darüber informiert, dass die SRG bis 2024 nochmals rund 50 Millionen Franken einsparen müsse. Nathalie Wappler erläuterte dazu am 6. Oktober, dass der SFR aufgrund der rückläufigen Einnahmen aus Werbung und Sponsoring bis 2022 nochmals 16 Millionen Franken sparen müsse.

Planen müsse SRF auch die Umlagerungen zur Transformation gemäss "SRF 2024", dazu benötige man bis 2022 insgesamt 52 Millionen Franken – diese Mittel müssten zusätzlich gespart werden. Daraus ergebe sich bei SRF für die kommenden zwei Jahre zusammengezählt ein Sparbetrag von 68 Millionen Franken. Rund 37 Millionen Franken davon könnten dank neuer Technologien durch die Anpassung der Produktionsstandards sowie der Organisation erzielt werden, 31 Millionen Franken durch Einsparungen im bestehenden Angebot.

Nach aktueller Planung würden danach 116 Vollzeitstellen bis 2022 reduziert werden – von heute 2.292 Vollzeitstellen auf 2.176 Vollzeitstellen. Der Abbau betrage jedoch insgesamt 211 Vollzeitstellen, weil SRF gleichzeitig 95 neue Stellen schaffen will. .

Dazu kommen Streichnungen im Programm. Fürs Radio kündigt SRF etwa eine Veränderung des Literaturangebots bei Radio SRF 2 Kultur an: Die Sendung "52 beste Bücher" werde 2021 abgelöst durch ein "ganzheitlich neu aufgestelltes Literaturangebot". Wie dieses aussieht, wird in der Meldung nicht genannt.

"52 beste Bücher" widmet sich Woche für Woche einer herausragenden literarischen Neuerscheinung. Autor*innen erhielten hier Gelegenheit, ausführlich über ihre neuen Bücher zu sprechen.