Schweiz

Protest gegen KI-Kinderbuch

7. Juli 2025
Stefan Hauck

Der Schweizer Buchhandels- und Verlagsverband, Autor:innen, Illustrator:innen und weitere Verbünde der Kreativbranche protestieren in einem Brief an den Swisscom-CEO gegen eine Imagekampagne, die ein KI-generiertes Kinderbuch bewirbt – und Kinder auffordert, selbst mit KI Geschichten zu verfassen.

"Die Monsterprinzessin"

Auflage: 6.000 Exemplare

Der zu 51 Prozent dem Schweizer Staat gehörende Telekommunikationsanbeiter Swisscom hat seinen bisherigen Claim "Gemeinsam bereit" durch "Entdecke, was du kannst" ersetzt und als "Herzstück" einer neuen Imagekampagne einen Spot über die sechsjährige Mia gedreht, die "bei der Auswahl ihrer Gutenachtgeschichte anspruchsvoll" ist. Deshalb kreiert ihr Vater mit Hilfe von GenAI ein Buch nur für sie, das sogar verfilmt wird. "Wir thematisieren das einzigartige Buch der Monsterprinzessin nicht nur im Spot, sondern gehen einen Schritt weiter", sagt Alice Sauerer, Head of Marketing Strategy, Campaigning & Insights der Swisscom. "Wir realisieren es ― geschrieben und illustriert mit Unterstützung von GenAI ― als hochwertiges Kinderbuch und machen damit die teilweise als abstrakt empfundenen KI-Innovationen sowie unsere neue Markenpositionierung für alle greifbar." Denn im Sinne des Claims "Entdecke, was du kannst" enthält das Buch eine Anleitung zur Gestaltung einer eigenen Gutenachtgeschichte mit Hilfe von GenAI. Das Buch ist in einer Auflage von 6000 Stück in den Swisscom-Shops erhältlich. Zudem ist es als PDF unter www.swisscom.ch/entdecke verfügbar.

"Kinder werden manipuliert"

Mit dem KI-generierten Kinderbuch dringe die Swisscom "in einen sensiblen Markt ein, in dem Kreativschaffende und ganze Branchen – namentlich Autor:innen, Illustrator:innen, Übersetzer:innen, Gestalter:innen, Leseanimator:innen das Verlagswesen sowie der Buchhandel – um ihre Existenz kämpfen: In der Schweiz erreichen nur sehr wenige Kinderbücher eine derart hohe Auflage", schreiben die Unterzeichner in einem Brief an Swisscom-CEO Christoph Aeschlimann. Firmen sowie Privatpersonen dazu zu animieren, professionelle Arbeit zu automatisieren und ins Ausland auszulagern, sei fahrlässig. "Das ist keine Förderung von Kultur und Wirtschaft, wie Swisscom sie als Eigenleistung für sich beansprucht, sondern genau das Gegenteil." 

Der Aussage im Vorwort des Buchs, die Publikation sei "etwas ganz Besonderes", da es "mit KI geschrieben und gemalt" worden sei, widersprechen die Unterzeichner deutlich: "KI selbst schreibt oder malt mitnichten und ist auch darüber hinaus nicht zu Kreativität fähig. Vielmehr bedient sie sich, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, an von Menschen geschaffenen und urheberrechtlich geschützten Werken, um Inhalte zu erzeugen." In einem Kinderbuch Kinder aufzufordern, selbst mit KI Geschichten zu verfassen, "ihre Fantasie also faktisch einer Maschine abzutreten", sei gefährlich für die Entwicklung der Kinder.

Mit dem Werbespot und dem KI-Bilderbuch würden zwei besonders vulnerable gesellschaftliche Gruppen direkt angegriffen: "Kinder werden manipuliert, und die ohnehin prekären Arbeitsbedingungen einer ganzen Branche, die bereits stark unter Druck steht, werden ignoriert und weiter verschlechtert." Die Schweizer Kreative fordern verbandsübergreifend einen verantwortungsvollen, transparenten und regulierten Umgang mit KI und Christoph Aeschlimann zu einem persönlichen Gespräch auf.

Unterzeichner des Briefs

Unterzeichnet haben den Brief an Aeschlimann der SBVV, der Verband  der Autoren und Autorinnen der Schweiz A*dS, die Swiss Independent Publishers, der Verein Illustrator:innen Schweiz, die Swiss Comics Artists Association, das Schweizer Comic-Netzwerk Réseau BD Suisse, die Nachwuchsorganisation der Bilderbuchmacher_innen in der Schweiz Bolo Klub, der Verein Autillus von Kinder- und Jugendbuchschaffenden, die Schweizer Gewerkschaft Syndicom und die Leseanimator:innen SIKJM.