Philippinen auf der Frankfurter Buchmesse

Schreiben als Form des Widerstands

17. Oktober 2025
Jule Heer

7.641 Inseln, über 170 Sprachen und 68 Neuerscheinungen in deutscher Sprache: Die Philippinen sind Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2025. Besucher:innen können im Laufe der Messe vielfältige Einblicke in die Kultur- und Literaturlandschaft des Landes erhalten.

Eine der Bühnen im Ehrengast-Pavillon

Eine der Bühnen im Ehrengast-Pavillon

 

Beim Presserundgang durch den Ehrengast-Pavillon auf Ebene 1 des Forums werden den Besucher:innen Blumenkränze aus Krepppapier aufgesetzt und sie mit einem vielstimmigen „Mabuhay!“ – einem philippinischen Grußwort – herzlich empfangen. Zur Einstimmung erklingt Musik auf einer der beiden Bühnen – denn Musik spielt auf dem Inselstaat und in seiner Kultur eine zentrale Rolle, wie man bei einem Besuch der Philippinen auf der Messe immer wieder spürt.

Der Pavillon selbst ist hell und luftig gestaltet, ganz im Sinne des diesjährigen Mottos: "Fantasie beseelt die Luft". Es gibt viele Sitzmöglichkeiten und sechs unterschiedlich gestaltete, an Inseln erinnernde Bereiche, die verschiedene Aspekte der philippinischen Literatur präsentieren. Die Konstruktionen bestehen vorwiegend aus Kapis (Muscheln), Bambus und Ananasgewebe sowie aus Stahl und Textilien. Viele Besucher:innen verweilen im Pavillon, hören Lesungen und Gespräche oder entdecken Bücher in den kleinen, inselartig gestalteten Bereichen – der Auftritt ist spürbar offen, einladend und dialogorientiert.

Der Auftritt der Philippinen im Forum Ebene 1

Der Auftritt der Philippinen im Forum Ebene 1

Rund 170 Sprachen

Während der Messetage bietet das Programm eine breite Palette an Veranstaltungen: Vorträge, Gespräche, Lesungen, Diskussionen, musikalische Darbietungen, Rap, FlipTop-Battles, Lyrik-Wettbewerbe, Tanz, Live-Zeichnen und Filmvorführungen.

Zu den literarischen Stimmen des Landes zählen unter anderem die Dichter:innen und Übersetzer:innen Merlie Alunan und Kristian Cordero, die Einblicke in die philippinische Nationalliteratur geben – eine Literatur, die ebenso vielfältig ist wie die Regionen, aus denen sie stammt. Merlie Alunan bezeichnet das Schreiben als eine "Form des Widerstands". Diese Haltung spiegelt sich in vielen Werken wider, die sich mit Themen wie Kolonialismus, sozialer Ungleichheit, Feminismus, indigener Identität und der Rolle der Sprache auseinandersetzen.

Die etwa 170 Sprachen des Landes wurden in der Literatur lange vernachlässigt, da nur Filipino und Englisch als offizielle Amtssprachen gelten. "Jede der Sprachen hat ihre eigene Literatur", betont Alunan. Diese sei aber oft nur mündlich überliefert worden und habe bislang kaum Raum in der schriftlichen Kultur gefunden. Doch das ändere sich zunehmend: "Wir fangen an, die Bandbreite der Sprachen wertzuschätzen und sie in gedruckte Form zu bringen, damit sie im ganzen Land gelesen werden können." Kristian Cordero ergänzt, Bücher seien "eine gelebte Erfahrung" und durch das Lesen werde der Geist des Landes lebendig.

Philippinischer Buchmarkt im Wandel

Auch im philippinischen Buchmarkt selbst zeichnet sich ein Wandel ab. Andrea Pasion-Flores, Literaturagentin, Lektorin und Verlegerin, berichtet in einer Veranstaltung der BücherFrauen, moderiert von Yvonne de Andrés, dass das Bildungsministerium des Landes zugesichert habe, künftig deutlich mehr Bücher für das öffentliche Schulsystem bereitzustellen. Sie erwartet, dass sich der Buchmarkt dadurch nahezu verdoppeln könnte – ein bedeutender Schritt für die Sichtbarkeit heimischer Autor:innen.

Gleichzeitig bedauert sie, dass die philippinische Literatur international bislang nur wenig bekannt ist. "Ich kenne so viele Werke der westlichen Literatur – da wäre es nur fair, wenn wenigstens ein Teil unserer Literatur auch hier gelesen würde", sagt sie.

Was die Rolle von Frauen in der philippinischen Verlagswelt betrifft, zeichnet sie ein positives Bild: Viele etablierte Verlagshäuser wurden von Frauen gegründet und sind bis heute unter weiblicher Leitung.

Übersetzerin Bettina Haefs sprach über ihre Arbeit am Roman "Überreste" von Daryll Delgado (ET: März 2025, Kröner Verlag), der dem Genre der Climate Fiction zugeordnet wird. Die Übersetzung aus dem Englischen habe viele sprachliche Besonderheiten mit sich gebracht – darunter auch zahlreiche spanische Einflüsse. Kollegin Julia Aparicio Vogl betonte, dass solche Titel zwar schwer zu vermarkten seien, sie es aber für wichtig halte, Bücher aus den Gastländern ins Deutsche zu übersetzen – nicht zuletzt, weil es dafür Fördermittel gibt. Vor allem aber begreift sie die Gastland-Auftritte als Chance, um neue Stimmen aus anderen Kulturen zu entdecken und sichtbar zu machen. 

v.l.n.r.: Yvonne de Andrés, Andrea Pasion-Flores, Gabriele Haefs, Julia Aparicio Vogl

Comics, Kultur und Jeepney Journey

Auch jenseits des Ehrengast-Pavillons sind die Philippinen auf der Frankfurter Buchmesse und in der Stadt sichtbar: Im Comics Business Centre (Halle 6.1) zeigt ein eigener Stand die Vielfalt der philippinischen Comic-Szene. Mit der "Jeepney Journey" auf dem Roßmarkt bringt ein original philippinischer Jeepney vom 13. bis 18. Oktober Musik, Lesungen, Workshops und Streetfood mitten ins Herz von Frankfurt. Darüber hinaus bietet ein umfangreiches Rahmenprogramm in Berlin, Heidelberg und Frankfurt Ausstellungen, Performances und Filmformate, die philippinische Kultur und Geschichte aus künstlerischer Perspektive erfahrbar machen – von zeitgenössischer Fotografie über Klangkunst bis hin zu Architektur, Design und Kindergeschichten.

Eigener Stand der Philippinen im Comics Business Centre

Eigener Stand der Philippinen im Comics Business Centre

Jeepney Journey

Jeepney Journey