Die Sonntagsfrage

"Open Books in Corona-Zeiten - geht das?"

11. Oktober 2020
von Börsenblatt

Open Books in diesem Jahr ausfallen zu lassen, war für Festivalleiterin Sonja Vandenrath keine Option. Wie es trotz strenger Corona-Auflagen gelang, das Programm für 100 Präsenzveranstaltungen vom 14.–18. Oktober zu planen, erklärt sie in ihrer Antwort auf unsere Sonntagsfrage.

Pandemien lassen Metaphern blühen: Es wird auf Sicht geflogen, im Nebel gestochert oder mit angezogener Handbremse gefahren. Wir, das Team im Kulturamt der Stadt Frankfurt, das die großen städtischen Literaturfestivals verantwortet, lieben poetische Bilder, sind aber im Alltag für klare Worte. Sie lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Wir organisieren mit OPEN BOOKS ein populäres Lesefest in pandemischen Zeiten. Die Alternative, ein Publikum zu enttäuschen, das uns seit elf Jahren die Treue hält, war ebenso wenig eine Option wie die Ortlosigkeit des Internets, wo sich Frankfurt als Buch- und Literaturstadt in den Weiten des Virtuellen verloren hätte.   

Seit 2009 findet OPEN BOOKS parallel zur Frankfurter Buchmesse statt und präsentiert im Herzen der Stadt die wichtigsten Neuerscheinungen in den Sparten deutschsprachige und internationale Belletristik, Sachbuch, Lyrik, Comic und Kinderbuch. Dies vor einem oft dicht sitzenden Publikum, das die Nähe zu den Autorinnen und Autoren genauso schätzt, wie die Möglichkeit, sich im Anschluss an die Veranstaltung das neue Buch signieren zu lassen. Und danach geht’s in eines der vielen Cafés oder Weinbars am Römer und der neuen Altstadt, wo das Erlebnis OPEN BOOKS bei einem Plausch abgerundet wird. Doch nicht zu vergessen die lange Schlange vor "Literatur im Römer" am Buchmessenmittwoch und -donnerstag, die Enge auf den Apfelweinbänken sowie das Picknick während des zweistündigen Lesungsmarathons mit Kultcharakter. Insgesamt 18.000 Besucherinnen und Besucher kamen 2019 zu OPEN BOOKS und dies an fünf tollen Messetagen, in denen Frankfurt und das Buch ihre Nähe mit Inbrunst zelebriert. Als wir über ein großes Lesefest in Corona-Zeiten nachdachten, war klar: All das, was den Charme von OPEN BOOKS ausmacht, steht unter Vorbehalt. Die Gretchenfrage lautete daher: Wie bewahren wir unseren Markenkern bei gleichzeitigem Gesundheitsschutz?

Als wir über ein großes Lesefest in Corona-Zeiten nachdachten, war klar: All das, was den Charme von OPEN BOOKS ausmacht, steht unter Vorbehalt.

Sonja Vandenrath

Es waren die Verlage, die uns darin bestärkt haben, das Wagnis einzugehen und Lesungen vor Publikum zu planen. Die Bedingungen sind klar und bitter: deutlich weniger Plätze, kein spontanes Kommen, sondern ein Ticketing bei weiterhin freiem Eintritt, kaum internationale Autorinnen und Autoren und größere Räume mit weniger Menschen. Trotz dieser Auflagen summiert sich OPEN BOOKS 2020 auf knapp 100 Veranstaltungen. Wir sind stolz und glücklich, dass wir trotz Corona genau das Programm anbieten, das wir machen wollten. Bereichert noch um neue Formate, die wir hinzugewonnenen Partnern wie der SWR-Bestenliste, 3sat Buchzeit, der DFB-Kulturstiftung und dem Schweizer Buchpreis verdanken.

Das A und O aber bildet ein ausgefeiltes und engmaschiges Hygienekonzept, bei dem wir Vorsicht walten lassen bis zum Schluss. Die 5.000 Tickets, die zur Verfügung stehen, geben wir scheibchenweise frei, um auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren. Die Logistik ist komplexer als zuvor; gerade jetzt bewähren sich unsere langjährigen Erfahrungen im Festivalmanagement mit einem eingespielten Team. Doch allen Unwägbarkeiten rund um Corona zum Trotz überwiegt die Freude, dass ein tolles Programm steht, die Tickets so gut wie alle weg sind, und der Rückhalt von allen Seiten groß ist.

Ein weiterer Grund zur Vorfreude ist der OPEN BOOK STORE DAY am Buchmessen-Samstag. Mit ihm haben wir einen Aktionstag für die Buchhandlungen in Frankfurt und Offenbach gestartet, in dem sie sich als "kleine Buchmesse" vor Ort vorstellen können; als ein feines Antidot gegen die Phantomschmerzen, die der Ausfall der physischen Buchmesse bedeutet. Um mit einem Bild zu schließen: Es bleibt ein Krimi bis zum Schluss.

 

Dr. Sonja Vandenrath ist Leiterin OPEN BOOKS und Literaturbeauftragte der Stadt Frankfurt