Tag des inhaftierten Schriftstellers

PEN rückt fünf Fälle in den Fokus

10. November 2020
von Börsenblatt

PEN-Zentren weltweit machen seit 40 Jahren mit dem Gedenktag am 15. November auf das Schicksal von zu Unrecht inhaftierten und verfolgten Schriftsteller*innen, Journalist*innen, Verleger*innen und Blogger*innen aufmerksam. Auch in diesem Jahr rückt der internationale PEN fünf beispielhafte Fälle in den Fokus.

Der internationale PEN rückt am diesjährigen "Tag des inhaftierten Schriftstellers" die Fälle von Chimengül Awut (China/Xinjiang), Osman Kavala (Türkei), Paola Ugaz (Peru), Kakwenza Rukirabashaija (Uganda) und Sedigeh Vasmaghi (Iran) in das Licht der Öffentlichkeit. Diese stünden beispielhaft für die Schikanen und Repressionen, denen Schriftstellerkolleginnen und -kollegen auf der ganzen Welt täglich ausgesetzt sind, teilt das PEN-Zentrum Deutschland mit.

"Die Freiheit des Wortes steht in vielen Ländern der Welt auf tönernen Füßen. Despotische Regime reagieren auf Kritik mit Gewalt und Gefängnisstrafen. Umso wichtiger ist unsere Solidarität mit allen bedrohten Autoren", betont Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des deutschen PEN.

Auf folgende fünf Fälle macht PEN aufmerksam:

Umerziehungslager wegen "gefährlicher" Literatur: Polizeibehörden hätten Medienberichten zufolge Chimengül Awut, uigurische Dichterin und leitende Herausgeberin des staatlichen Verlages Kashgar Publishing House, im Juli 2018 in Kashgar, einer Stadt im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China, festgenommen und in ein Umerziehungslager gebracht. Die Verhaftung sei Teil einer einjährigen Kampagne der Behörden gegen das Verlagshaus gewesen, bei der zahlreiche ehemalige und aktuelle Angestellte in Gewahrsam genommen wurden. Awut werde vorgeworfen, Bücher publiziert zu haben, die als "problematischW oder "gefährlich" eingestuft worden sind, berichtet das PEN-Zentrum.

Seit drei Jahren sitzt der türkische Verleger und Kulturförderer Osman Kavala im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul in Einzelhaft. Er wurde im Februar 2020 zwischenzeitlich freigesprochen, um kurz darauf wieder verhaftet zu werden, berichtet das PEN-Zentrum. Im Oktober dieses Jahres habe die Staatsanwaltschaft eine neue Anklageschrift veröffentlicht. Darin fordere sie für den Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine "verschärfte" lebenslange Haftstrafe. Kavala werde wegen seiner angeblichen Beteiligung am gescheiterten Putsch von 2016 der "versuchte Sturz der Regierung" und "politische Spionage" vorgeworfen. Am 18. Dezember soll die erste Gerichtsverhandlung in Kavalas Fall stattfinden.

  • Auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich mehrfach für die Freilassung des Verlegers eingesetzt, etwa im vergangenen Januar: "Freiheit für Osman Kavala!"

Verleumdungsklagen nach Enthüllungen innerhalb katholischer Gruppierung: Die peruanische Investigativjournalistin Paola Ugaz hatte laut PEN-Zentrum Machenschaften der Gruppierung "Sodalitium Christianae Vitae" (SCV), einer konservativ-katholischen Laienbewegung, aufgedeckt. Zeugenaussagen, die sie gesammelt habe, legen den SCV-Mitgliedern zur Last, Gehirnwäsche, psychologische und physische Gewalt, sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen begangen zu haben. Infolge dieser Enthüllungen hätten zahlreiche Privatpersonen, die in Verbindung zu der SCV stehen, Straf- und Zivilklagen gegen sie eingereicht. Am 27. Oktober 2020 habe der Neunte Gerichtshof von Lima den Prozess gegen Ugaz eröffnet.

Festnahme und Ermittlungen aufgrund von Kritik am Staatspräsidenten: Am 18. September 2020 wurde der ugandische Schriftsteller und Journalist Kakwenza Rukirabashaija in seiner Wohnung im Iganda Distrikt (Kigulu) verhaftet. Berichten zufolge brachten Kriminalpolizisten gegenüber Rukirabashaijas Ehefrau die Festnahme des Schriftstellers mit einem Schreiben in Verbindung, wonach er sich kritisch gegenüber Staatspräsident Yoweri Kaguta Museveni geäußert haben soll. Seitdem er auf Kaution freigelassen worden ist, muss er wöchentlich bei der Sonderuntersuchungseinheit in Kireka, 240 Kilometer von seiner Wohnung entfernt, erscheinen. Gegen Rukirabashaija soll laut offiziellen Dokumenten wegen "Anstiftung zur Gewalt und Förderung von Sektierertum" ermittelt werden. Ferner stehe er unter widerrechtlicher Überwachung durch die Behörden, so das PEN-Zentrum.

Haftstrafe wegen Petition gegen Polizeigewalt: Die iranische Rechtswissenschaftlerin und Schriftstellerin Sedigheh Vasmaghi sei im August 2020 im Iran zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem sie eine Erklärung unterzeichnet hatte, in der insgesamt 77 reformistische Aktivistinnen und Aktivisten das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte bei den Protesten im November 2019 kritisieren. Hinzukomme eine fünfjährige Haftstrafe, zu der sie bereits 2017 verurteilt worden sei und die später in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Dennoch darf sie seit 2019 den Iran nicht mehr verlassen, führt das PEN-Zentrum aus.

In einem Videoappell (Rohmaterial) setzt sich zudem die eritreische Lyrikerin Yirgalem Fisseha Mebrahtu, Writers-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN, für die Freilassung von Journalisten in Eritrea ein:

Über den Tag des inhaftierten Schriftstellers

Der Gedenktag wurde im Jahr 1980 durch das "Writers in Prison"-Kommittee des internationalen PEN ins Leben gerufen als Reaktion auf die bedrohlich wachsende Zahl der Länder, die versuchen, Schriftsteller durch Repressionen mundtot zu machen. An diesem Tag soll an zu Unrecht inhaftierte und verfolgte Schriftstellerinnen, Journalisten, Verlegerinnen und Bloggern sowie all jenen gedacht werden, die getötet wurden, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

Die Caselist 2019, welche jährlich die Informationen zu aktuellen Fällen bündelt und aktualisiert, mitsamt Länderberichten, Informationen zur Writers-in-Prison-Arbeit des PEN sowie der weltweiten Situation der Meinungsfreiheit ist abrufbar auf der Internetseite des deutschen PEN unter www.bit.ly/3fn629F.