Kulturpreis

Adorno-Preis für Seyla Benhabib

6. Juni 2024
Redaktion Börsenblatt

Die US-amerikanische Philosophin Seyla Benhabib erhält den diesjährigen Theodor-W.-Adorno-Preis. Mit ihr ehrt man eine der international bedeutendsten Denkerinnen in der Tradition der Kritischen Theorie. 

Die Vergabe des mit 50.000 Euro dotierten Adorno-Preises an Seyla Benhabib habe ein Kuratorium entschieden, dem der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef vorsitzt. 

In der Begründung der Jury heißt es: "Im Zentrum des umfangreichen Werkes von Benhabib steht die Herausforderung, wie Gesellschaften die Universalität von Menschenrechten mit legitimen Interessen auf Alterität austarieren können. Das von ihr entwickelte diskursethische Instrumentarium dient dazu, Gegensätze zu überwinden. Im Sinne eines moralischen Universalismus im Anschluss an Kant untersucht Benhabib Fragen zum Spannungsverhältnis von staatlicher Souveränität und Globalisierung. Dabei hält sie in kritisch-emanzipatorischer Absicht am Konzept universaler Menschenrechte und an der Idee des Kosmopolitischen fest. In beiderlei Hinsicht sei es entscheidend, die Conditio humana im Plural zu fassen: Nur praktische Solidarität und gelebte Demokratie ermöglichten es, die Würde aller Menschen zu wahren und zugleich die Bedingungen menschlichen Lebens aufrechtzuerhalten. In einer Welt, deren Spannungen manifest und zunehmend krisenhaft sind, bestechen Benhabibs Analysen durch Klarheit und Kohärenz und ihre politischen Forderungen durch das Festhalten an einem Kosmopolitismus jenseits von Interventionismus und Indifferenz. Ihre Verteidigung universalistischer Theorie postuliert eine kommunikative Ethik, die praktische Philosophie als dialogischen Prozess einer 'erweiterten Denkungsart' begreift."

Zur Preisträgerin

Seyla Benhabib wurde 1950 in Istanbul geboren und studierte unter anderem an der Brandeis University und in Yale, wo sie 1977 mit einer Arbeit zu Hegels Rechtsphilosophie promovierte. Sie hatte Assistenzprofessuren in Yale und Boston sowie Professuren in Harvard und an der New School for Social Research in New York inne, bevor sie 2001 als Eugene Meyer Professor of Political Science and Philosophy an der Yale University berufen wurde. Nach ihrer Emeritierung ist sie weiter als Senior Research Scholar an der Columbia Law School tätig. Benhabib wurde mit dem Meister-Eckhart-Preis 2014, dem Dr. Leopold Lucas-Preis 2012 und dem Ernst-Bloch-Preis 2009 ausgezeichnet. Zahlreiche ihrer Werke sind auch in deutscher Übersetzung erschienen, darunter „Selbst im Kontext“ (1995), „Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne“ (1998), „Die Rechte der Anderen“ (2008), „Kosmopolitismus ohne Illusionen: Menschenrechte in unruhigen Zeiten“ (2016) und „Kosmopolitismus im Wandel. Zwischen Demos, Kosmos und Globus“ (2024). 

Zum Preis

Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wird alle drei Jahre von der Stadt Frankfurt am Main zum Gedenken an den Philosophen Theodor W. Adorno vergeben und dient der Förderung und Anerkennung hervorragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film.