Pressestimmen: Shortlist Deutscher Buchpreis

"Ein leichter Phantomschmerz"

22. September 2021
von Börsenblatt

Das Presseecho auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2021 war groß. Und wie immer gab es Lob und Kritik an der Auswahl der Shortlist-Titel. Hier lesen Sie eine kleine Presseschau.

"Die Jury des Deutschen Buchpreises hat sich mit ihrer Shortlist vom Literaturherbst abgewandt", schreibt Marie Schmidt in der Süddeutschen Zeitung ("Gutes aus dem Frühjahr"). Bereits auf der Longlist, auf der sie die 20 bemerkenswertesten Titel des Jahres zur Wahl stellte, hätten einige der in vergangenen Wochen vielbeachteten Bücher – etwa Eva Menasses "Dunkelblum" oder Angelika Klüssendorfs "Vierunddreißigster September" gefehlt. "Auch an den sechs Romanen, die jetzt nominiert sind, fällt besonders auf, welche nicht darunter sind. Sasha Marianna Salzmanns epische Erzählung über Mütter, Töchter und Perestroika-Zeit, zum Beispiel, oder die Nibelungen Version der Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe. Nominiert sind vor allem Titel aus dem Frühjahr."

In einem Wettbüro würde die Devise vermutlich folgenrdermaßen lauten, so Judith von Sternburg in der "Frankfurter Rundschau" ("Sechs – die Shortlist für den Deutschen Buchpreis"): "Setzen sie auf die 1971 geborene Düsseldorfer Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal und ihren bei Hanser erschienenen Debütroman 'Identitti'". Aber auch die anderen Titel der am Dienstag vorgestellten Shortlist seien nicht abgeschlagen. "Einer salomonisch ausgewogenen Longlist folgte eine ebenso ausgeglichene Liste der sechs." Aus verlegerischer Sicht habe Hanser mit drei Titeln den Vogel abgeschossen. "Für kleinere Verlage ist es nun endgültig eine frustrierende Runde."

Andreas Platthaus fragt sich in der FAZ ("Sechs aus 197"), wer auf Anne Webers "Annette – Ein Heldinnenepos" folgt, das im vergangenen Jahr den Deutschen Buchpreis gewann und als Versepos die Grenzen der Kategorie ausgelotet habe. Werde die die diesjährige Jury nun ähnlichen Wagemut beweisen? Das werde man am 18. Oktober wissen, aber die jetzt verkündete Shortlist erlaube natürlich bereits eine Einordnung. "Es dürfte nie eine Buchpreis-Shortlist gegeben haben, die derart viele bereits im Handel erfolgreiche Romane geboten hat." Das werde die Debatte um die Entscheidung befeuern.

Die Taz titelt "Trends vergeblich gesucht" und fährt fort: "Die Shortlist zum Deutschen Buchpreis, (...), liefert dem Buchhandel eher Bestätigung als Orientierung. Vier Romane, die sich in diesem Jahr sowieso schon gut verkaufen, stehen auf der Liste." Hinzu komme ein Buch, das auch mit einiger Sicherheit auf dem Zettel der Buchhandlungen gestanden hätte: "Blaue Frau" von Antje Rávik Strubel (Fischer). Das Außenseiterbuch stamme von Thomas Kunst und heiße "Zandschower Klinken" (Suhrkamp). Inhaltlich hätten die auf der Shortlist vertretenen Romane wenig miteinander zu tun, das Spektrum reiche von männlicher Selbstreflexion (Gstrein) bis hin zu Identitätspolitik (Sanyal), von der Auseinandersetzung mit dem Vater (Helfer) oder der Mutter (Kracht) bis hin zur Traumatisierung durch einen sexuellen Übergriff (Strubel), "so etwas wie ein Trend lässt sich also nicht ausmachen".

"A propos, wo sind die Kleinen geblieben? Dreimal Hanser, Suhrkamp, Fischer, Kiepenheuer & Witsch – die Großen sind unter sich. Von diesem leichten Phantomschmerz abgesehen, bietet die Auswahl eine Reihe unbedingt lesenswerter Romane", so Stefan Kister in der Stuttgarter Zeitung ("Welcher Roman ist der beste des Jahres?").

Und Thomas Andre freut sich im "Hamburger Abendblatt" ("Buchpreis: Auch ein Hamburger im Finale"), dass mit Norbert Gstrein ein seit Langem an der Elbe lebender österreichische Schriftsteller nominiert ist. "Eine schöne Bestätigung für das Schaffen des 60-Jährigen, der mit seinen existenzialistisch gepolten Romanen seit Langem zum Inventar des Literaturbetriebs gehört." In der Kunst sei Qualität eine schwerer messbare Kategorie, so Andre. "Deswegen sollte sich niemand ärgern, wenn er oder sie nicht auf der sechs Titel umfassenden Shortlist steht. Wobei Spötter sagen, am meisten ärgerten sich eh immer die Literaturkritiker und Literaturkritikerinnen, weil ihre jeweiligen Favoriten unberücksichtigt blieben." So oder so: Das Prozedere des Deutschen Buchpreises sei die vermutlich bestmögliche Einladung, am Gespräch über neue Bücher teilzunehmen. Für Andre wäre Krachts "Eurotrash" ein "klasse Gewinnertitel".