Felix-Jud-Preis für Widerständiges Denken

"Einzigartig für den deutschen Buchhandel"

9. Oktober 2025
Jule Heer

Im Großen Saal der Elbphilharmonie wurde vor 1.600 Gästen erstmals der mit 20.000 Euro dotierte Felix-Jud-Preis für Widerständiges Denken verliehen – an Chimamanda Ngozi Adichie. Im Interview erzählt Buchhändlerin Marina Krauth, wieso der Preis ins Leben gerufen wurde – und welchen Moment sie bei der Verleihung besonders schön fand.

Marina Krauth

Marina Krauth

Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wurde im Großen Saal der Elbphilharmonie vor 1.600 Gästen verliehen. Wie haben Sie das organisatorisch und finanziell gestemmt?

Neben den Mitgliedern unseres Vereins haben wir zwei Hauptsponsoren gefunden: Die Unternehmensberatung Ernst & Young sowie die Kanzlei Heuking, beide in Hamburg. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass wir das Preisgeld von 20.000 Euro zusammenbekommen haben.

Außerdem sind wir Joachim Lux sehr dankbar, der vorgeschlagen hat, die Verleihung im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals zu veranstalten. Die Festivalleitung hat uns tatkräftig unterstützt, unter anderem bei der Pressearbeit, die wir aber auch selbst betrieben haben. Die Resonanz war groß – die Hamburger Presse hat mehrfach berichtet. Auch in der ARD-Mediathek gibt es einen schönen Beitrag im Hamburg Journal vom 21. September – der ist noch abrufbar.

Wir sagen mal ganz selbstbewusst: So eine Preisverleihung ist einzigartig im deutschen Buchhandel!

Was hat Sie dazu bewogen, den Felix-Jud-Preis für Widerständiges Denken ins Leben zu rufen?

Wir sind sehr stolz darauf! Die Buchhandlung Felix Jud existiert seit über 100 Jahren, und zum 100. Geburtstag 2023 kam mein Nachfolger Robert Eberhardt auf die Idee, den Förderverein FELIX JUD FRIENDS zu gründen – und hat mir vorgeschlagen, den Vorsitz zu übernehmen. Wir haben uns gefragt: Was ist die Hauptfunktion des Vereins – und haben beschlossen: Wir wollen einen Preis stiften – einen Preis für Widerständiges Denken im Namen von Felix Jud.

Felix Jud hat sich während der NS-Zeit unendlich mutig engagiert. In seiner Buchhandlung konnte man unter dem Ladentisch verbotene Literatur erwerben. Er war aktiv im Umfeld der Weißen Rose und hat sehr provozierende Schaufenster gestaltet – mit viel Witz und Satire. Vor Weihnachten 1943 kam die Gestapo, er wurde verhaftet und landete im KZ-Neuengamme in Hamburg. 1945, kurz bevor die Briten kamen, ist seine Frau ins Gefängnis gegangen und hat ihn tatsächlich da rausgeholt.

Bei wem liegt die Entscheidung, wer mit dem Preis ausgezeichnet wird?

Innerhalb des Vereins haben wir ein Kuratorium gegründet, dem acht Mitglieder angehören: Reinhold Beckmann, Robert Eberhardt, Jonathan Landgrebe, Jo Lendle, Joachim Lux, André Schmitz, Jette Steckel und Nicola Verstl. Den Kuratoriumsvorsitz hat mein Nachfolger Robert Eberhardt. Die Entscheidung für Chimamanda Ngozi Adichie lag beim Kuratorium.

Welche Parallelen sehen Sie zwischen Felix Jud und Chimamanda Ngozi Adichie?

Da gibt es zwei wesentliche Dinge: Das eine ist das Widerständige Denken, aber das andere ist der Umgang mit Humor und der Einsatz von Humor als Mittel, um Dinge auszusprechen. Sehr schön war, dass Frau Adichie in ihrer Ansprache gesagt hat, dass sie diese Verbindung zwischen Jud und ihr selbst auch erkennt.

Was war für Sie der bewegendste Moment der Preisverleihung?

Es war der Moment, als Chimamanda Ngozi Adichie auf die Bühne kam. Es wurde alles simultan übersetzt, sodass Frau Adichie auch verstehen konnte, was gesagt wurde, und sie flüsterte mir zu, wie sehr sie meine Rede berührt habe. Das hat mich sehr gefreut – ich hatte tagelang daran gearbeitet. Und wenn man dann so eine begeisterte Reaktion bekommt, ist das etwas Besonderes.

Es war auch einfach klar: Das ist wirklich die richtige Preisträgerin und Auma Obama die optimale Laudatorin. In ihrer Ansprache hat Frau Adichie genau die Problematik unserer Zeit getroffen. Diesen Text sollten alle lesen. Man kann ihre Rede hier aufrufen.

v.l.n.r. Marina Krauth, Vorsitzende FELIX JUD FRIENDS e.V., die Preisträgerin Chimamanda Ngozi Adichie, Robert Eberhardt, Inhaber von Felix Jud Buch- und Kunsthandel und Kuratoriumsvorsitzender, Nicola Verstl, Kuratoriumsmitglied, Auma Obama, Laudatorin. 

v.l.n.r. Marina Krauth, Vorsitzende FELIX JUD FRIENDS e.V., die Preisträgerin Chimamanda Ngozi Adichie, Robert Eberhardt, Inhaber von Felix Jud Buch- und Kunsthandel und Kuratoriumsvorsitzender, Nicola Verstl, Kuratoriumsmitglied, Auma Obama, Laudatorin. 

 

Was war ihr erster Gedanke, als klar wurde, dass die Preisträgerin durch den Stau zu spät kommt?

Oh ja, Frau Adichie hat uns sehr in Atem gehalten! Aber ich wusste: Notfalls würde der erfahrene Theatermann Joachim Lux die Situation schon retten. Frau Adichie erschien schließlich ganz ruhig an der Seite ihres Bruders in einem sagenhaft farbenfrohen Kleid. Ein sehr schöner und froher Auftritt.

 

Wie war die Resonanz nach der Veranstaltung?

Das Echo war sehr positiv! Das hat man auch in der Buchhandlung gespürt. Viele Kunden wollten im Nachhinein signierte Bücher von Chimamanda Ngozi Adichie haben. Auch bei der Verleihung waren sie gefragt: Obwohl die Signierstunde eigentlich um 19 Uhr enden sollte, hat Frau Adichie bis halb neun unterschrieben. Sie hat sich für jede einzelne Person Zeit genommen – das kam gut an. Sie ist wirklich eine nahbare Autorin.

Wie tragen Sie das Erbe von Felix Jud heute im Verein weiter – über diesen Preis hinaus?

Neben dem Preis gibt es auch andere Aktivitäten im Verein – kulturelle Veranstaltungen, Leseförderung. Aber unser Hauptanliegen ist ganz klar der Felix-Jud-Preis für Widerständiges Denken.

Wie geht es mit dem Preis weiter? Wie oft wird er vergeben?

Wir sind sehr glücklich mit der Wahl von Chimamanda Ngozi Adichie und der ersten Preisverleihung. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben, das nächste Mal also 2027.