Die Sonntagsfrage vom 21. Juni 2020

Was kann die Buchbranche für Autor*innen tun, Nina George?

20. Juni 2020
von Börsenblatt

Die Schriftstellerin Nina George fordert alle Mitarbeiter*innen aus Verlagen und Buchhandlungen auf, sich in der Corona-Krise mit Autorinnen und Übersetzern zu solidarisieren. den ersten Schritt: Die Unterzeichnung einer Petition für die Verlängerung der Soforthile für Solo-Selbständige. 

Ich könnte an dieser Stelle alarmistisch sein. Denn die Lage für Autorinnen und Übersetzer, die Quellen des 13,4 Milliarden schweren Buchgesamtmarktes, ist unverändert ernst. Veranstaltungsausfälle, Verkaufsausfälle, Programmverkleinerungen und reduzierte Vorschüsse. Gleichzeitig fallen wir durch die Raster der Ausgleichshilfen – das Staatskonstrukt ist nicht vorbereitet für eine Krise von Freiberuflerinnen.

 

"Die Krise setzt etwas Zartes und Kraftvolles frei"

Ich möchte aber etwas anderes formulieren: Stolz. Ja, ich bin stolz auf meine Kolleginnen und Kollegen. Die lassen sich nicht hängen. Sie schreiben weiter, auch wenn sie nicht wissen, wie’s weiter geht. Sie reden über Geld. Sie streiten für gerechtes Miteinander, für Anti-Rassismus. Sie unterstützen sich an Zoom-Lagerfeuern, sie twittern gegen Trump, nähen Masken und motivieren Leserinnen, im örtlichen Buchhandel zu kaufen. Die Krise setzt etwas Zartes und Kraftvolles frei; hier lasse ich den verstorbenen Carlos Ruiz Záfon sprechen: „Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seele derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben.“

Und diese Menschen, diese Seelen in und hinter jedem Buch zu verteidigen: das sollte die gemeinsame Aufgabe der gesamten Buchbranche sein.

"Einsatz für ALLE Menschen hinter jedem Buch"

Am 29. Mai sandte das Netzwerk Autorenrechte auf offizielle Nachfrage eine Krisen-Bestands­aufnahme samt Maßnahmenpapier  ins Bundes­kanzleramt, um Lösungen für das Konjunkturpaket zu liefern. Am 2. Juni legten wir die Auswertung der Studie des EWC aus 24 Ländern zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die europäische Buchwirtschaft nach, die 37 Empfehlungen enthält. Deutschland könnte sich von Italien mit dem Leseförderungs­gesetz, von Frankreich mit seiner Unterstützung von bis zu 1.500 Euro / Monat für Autorinnen, oder von Spanien mit seinem Honorarfonds für Schulveranstaltungen inspirieren lassen. Ich wünsche mir außerdem den dauerhaften Lesen!-Fonds für Honorare nach Schweizer Vorbild; und um hybride Formate, wie etwa „Herein, bitte!“ bei dringeblieben.de auf sichere Füße zu stellen, käme der Literatur-Online!-Fonds in Frage. Auffordern möchte ich zudem, einen Branchengipfel einzuberufen. Unsere Papiere können die Grundlage sein, uns gemeinsam für ALLE Menschen hinter jedem Buch einzusetzen.

Solidarität braucht Aktion

Falls Sie sich, als Verlagsmitarbeiter, Buchhändlerin, Sortimenterin, fragten: aber was kann ich als Einzelne für Autorinnen tun, Branchengipfel hin oder her?

Erklären Sie sich solidarisch. Senden Sie ein Memo an alle Kollegen im Haus, die Petition 111001 zu unterzeichnen, unter https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_05/_13/Petition_111001.nc.html!

Es werden bis 25. Juni noch zehntausend Unterschriften bis zum Quorum von 50.000 benötigt. Das kann gelingen. Wenn die Buchbranche deutlich JA zu den Quellen ihres Daseins sagt.

Die Schriftstellerin Nina George ist Präsidentin des European Writers‘ Council, das 150.000 Autoren und Autorinnen aus 41 Organisationen Europas repräsentiert.