Interview mit Arctis-Verlagsleiter Knut Reinoss

80 Cent für den Farbschnitt

26. Februar 2024
von Nicola Bardola

Papierwahl, Prägungen, Spotlack, Vergoldung, Farbschnitt und vieles mehr: Auch Kunden ohne bibliophile Ambitionen schätzen hochwertige Ausstattungen und eine durchdachte Haptik. Welche Rolle in Verlagen die Veredelung spielt, erzählt Arctis-Verlagsleiter Knut Reinoss in einem spannenden, offenen Gespräch.

Arctis-Verlagsleiter Knut Reinoss

Wie viel Aufwand stecken Sie in Ihre Cover?
Durch den Hype im Young Adult/New Adult-Segment, unter anderem ausgelöst durch die aktuell angesagten Farbschnitte, ist die Ausstattungsfrage mittlerweile noch wichtiger geworden. Sofern sich hochwertige Ausstattungen kalkulieren lassen und diese zum Titel und Genre glaubhaft passen, kommen wir der Nachfrage nach und veredeln unsere Ausgaben möglichst aufwendig. Unsere Dark-Academia-Trilogie "Rosenholm" der dänischen Autorin Gry Kappel Jensen etwa kommt nicht nur deshalb so gut an, weil sie fesselnd geschrieben und das Genre äußerst beliebt ist, sondern auch, weil wir alle drei Bände in der limitierten Erstauflage mit einer optisch sehr ansprechenden Folien-Veredlung – Band 1: Goldfolie, Band 2: Silberfolie, Band 3: Bronzefolie – und zudem mit vierfarbigem Farbschnitt herausgebracht haben.
 

Bei welchen Buchtypen investieren Sie besonders viel?
Wir investieren in Sachen Ausstattung insbesondere bei unseren Erstausgaben im Hardcover und im Paperback, im Taschenbuch bislang eher nicht. Ganz klar die Nase vorn haben hier die im Arctis-Programm fest verankerten und beliebten YA-Genres Fantasy und Romance.

Wie preissensibel müssen Sie vorgehen?
Wir bedienen bei Arctis die Ziel- und Warengruppe Jugendbuch und müssen dabei sehr preissensibel agieren. Es ist daher kein Zufall, dass unser bis dato größter Bestseller bei Arctis, "Am Ende sterben wir sowieso" von TikTok-Phänomen Adam Silvera, sich vor allem im Taschenbuch enorm gut verkauft hat, mehr als 150.000 Exemplare. Wir bemerken aber auch, dass unsere Leser:innen bereit sind, für aufwendig und schön gemachte Ausgaben deutlich über die Preisschwelle von 20 Euro mitzugehen und zum Beispiel eine erfolgreiche Trilogie wie "Rosenholm" unbedingt komplett und mit Farbschnitt im Regal stehen haben zu wollen. Aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung sind wir gezwungen, auch herstellerische Anpassungen vornehmen.

 

Wie teuer darf Veredelung werden?
Veredelungen stellen einen großen Kostenfaktor in der Kalkulation dar. Um bei unserem aktuellen Beispiel zu bleiben: Für "Nachtschatten", den im Frühjahr erschienen dritten Band der "Rosenholm"-Trilogie – Hardcover, Format 13,8 x 21,5 cm, 640 Seiten, 24 Euro – kostet der Farbschnitt ca. 0,80 Euro pro Exemplar und die Cover-Veredelung (Heißfolie) ca. 0,35 Euro pro Exemplar zusätzlich, also in der Summe weit über einen Euro, was kostenseitig natürlich irgendwie aufgefangen werden muss. Wir haben aber direkt zum Start der Reihe mit Band 1 "Rosen & Violen" vor über einem Jahr diesen Mehrwert erkannt und auf die steigende Nachfrage nach Farbschnitten reagiert; die Kombination aus dem Trend-Genre Dark Academia, der Qualität diese Fantasy-Spannungsbuchs und der beliebten Ausstattungsform hat ganz entscheidend zum Erfolg der Reihe beigetragen.


Wie wird darüber hausintern diskutiert und entschieden?
Ich möchte an dieser Stelle herausstellen, dass die Entscheidung rund um die Ausstattung unserer Titel immer eine Teamleistung ist; jedes neue Programm wird auch vor dem Hintergrund der aktuellen Trends betrachtet, und es wird intensiv diskutiert, welche Ausstattung passend und Erfolg versprechend ist. Letztlich entscheiden bei uns vor allem Lektorat, Vertrieb und Geschäftsleitung, mit Blick auf die Vorkalkulation, über den Ladenpreis, wobei wir stets den Markt im Blick behalten müssen. Das Jugendbuch ist per se preissensibel. Ist der Umfang eines Buchs groß, wie häufig im Genre Fantasy, und die Ausstattung hochwertig, dann darf ein Buch auch 24 Euro kosten, wie das Beispiel "Nachtschatten" zeigt.

 

Wie wirken sich die gestiegenen Druckkosten auf die Buchproduktion, auf die Nachhaltigkeit und insbesondere auf die Auswahl von Materialien beim Wunsch nach Veredelung aus?
Der Kostendruck ist seit einigen Jahren immens und daraus folgt ein insgesamt großer Aufwand bei der Suche nach dem "günstigsten" Drucker. Die Herstellung bei uns im Haus stellt daher ständig Kostenvergleiche hinsichtlich der Ausstattung an; einige Sonderausstattungen lassen sich bei bestimmten Titeln, insbesondere Übersetzungen aus dem Englischen, ohne jede Förderung nur noch schwerlich realisieren, und wir müssen manchmal schweren Herzens von der einen oder anderen Ausstattungsidee Abstand nehmen. Bis auf das FSC-Siegel, was mittlerweile als Standard für Papiere gilt, die wir verwenden, gibt es für uns aktuell leider nur wenige Möglichkeiten auf eine nachhaltige Buchproduktion. Der "Blaue Engel" zum Beispiel ist sehr teuer, ebenso die Preise vieler Druckereien, die sich Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wir informieren uns laufend, was möglich ist, für uns ist es als kleinere Verlagsgruppe aber sehr herausfordernd, wirklich nachhaltig zu produzieren.

 

Wie verhält sich der Buchhandel zu aufwendig veredelten Büchern?
Durchweg positiv, denn durch die Trends New Adult, Romance, Farbschnitt etc., an denen auch das Segment Young Adult partizipiert, profitiert der Buchhandel maßgeblich und es gibt plötzlich eine junge Käuferschicht, die von vielen schon längst verloren geglaubt schien. Es gibt auf einmal wieder Flächen und Thementische, auch im Jugendbuch, die man lange nicht mehr gesehen hat. Und es gibt Verlage, die, nachdem sie sich von der jungen Zielgruppe verabschiedet hatten, wieder neue junge Programme unter teils neuen Labels veröffentlichen. Es besteht vielleicht insgeheim eine Skepsis, dem Trend zu trauen, und die Angst ist da, dass die Schraube überdreht wird und der Hype um die schönen "Herzschmerz"-Bücher wieder abflaut. Wir reagieren insofern, dass wir seit Jahren an unsere Zielgruppe fest glauben und uns immer wieder überlegen, welche Bedürfnisse sie hat. Bei Arctis erscheint im Herbst Adam Silveras Sequel zu "Am Ende sterben wie sowieso" auf Deutsch, zeitgleich zur englischsprachigen Ausgabe. Wir planen derzeit, das Buch als Hardcover-Schmuckausgabe mit Farbschnitt und Sammelkarten für deutlich über 20 Euro und als Taschenbuch für ca. 12 Euro herauszubringen. Die Fans haben so die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Ausgaben desselben Buchs mit unterschiedlichen Ladenpreisen zu wählen.

 

Wie befördern soziale Medien, insbesondere Instagram und TikTok, den Wunsch nach herzeigbaren, besonders schönen Büchern?
Die User:innen sozialer Medien legen ja generell großen Wert auf eine schöne Optik, das gilt auch und insbesondere für das auf Instagram und TikTok sehr geeignete Medium Buch. Wir beobachten darüber hinaus den Trend, den Buchkauf als guilty pleasure zu kommunizieren. Die User:innen zeigen die Bücher, die sie sich trotz ihres selbstauferlegten Kaufverbots zugelegt haben – da wird eine besondere Ausstattung ("Schaut euch das Cover und den Farbschnitt an, ich konnte daran einfach nicht vorbeigehen!") häufig als eine Art "Rechtfertigung" genannt.

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