Größte Verlagsfusion

CEOs im Kreuzverhör

10. August 2022
von Börsenblatt

49 Prozent Marktanteil mit umsatzstärksten Autoren errechnet das US-Justizministerium, wenn Penguin Random House und Simon & Schuster zusammengingen. Macmillan-CEO Weisberg und andere geben vor Gericht Einblicke in Geschäftsgebaren.

Don Weisberg

"Wenn zwei der wichtigsten Akteure fusionieren, würde sich das auf die gesamte Branche auswirken: die Preise, die Vorschüsse, die Art des Wettbewerbs bei den Auktionen", meinte Don Weisberg, der Penguin Random House als Macmillans größten Konkurrenten bezeichnete. "Wenn ich ein Agent bin und es gibt einen Akteur, der größer ist als alle anderen, dann wird sich das auswirken. Man wird sein Verhalten ändern müssen, um damit umzugehen", sagte Weisberg nach US-Medienberichten. Eine Bedrohung der Verlage durch Amazon und Self-Publisher sah der Macmillan-CEO am 8. August bei seiner Aussage vor dem Bundesgericht in Washington nicht; Amazon habe sich vom 2019 vermuteten aggressiven Markteintritt zurückgezogen, große Self-Publishing-Erfolge seien selten.

Über und unter 250.000 Dollar

Wenn die geplante, 2,175 Milliarden Dollar schwere Fusion nicht durch das Gericht verhindert werde, "könnte es möglicherweise schwieriger für uns werden, Bücher zu akquirieren". Die Verteidigung versuchte, Macmillan als "starken Akteur" zu positionieren; auf ihre Frage, ob Weisberg glaube, dass Macmillan es trotz dieser Befürchtung "schaffen könnte", antwortete er mit "Ja". Macmillan sei ein "qualitativ hochwertiger" Verlag, habe berühmte Autoren wie Oprah Winfrey und in den vergangenen zwei Jahren ein "beispielloses Wachstum und einen beispiellosen Gewinn" verzeichnet.

Auf die Frage von Richterin Florence Pan nach "den anderen 98 Prozent" der Bücher, bei denen es keine Auktionen über 250.000 US-Dollar gebe, erklärte Weisberg im Kreuzverhör am Montag, auch im unteren Preissegment gebe es einen Wettbewerb um Titel. Alle Verlage wollten den nächsten Starautor finden. Viking-Verleger Brian Tart hatte am selben Tag vor Gericht erklärt, dass es auch beim Kauf von Büchern im mittleren fünfstelligen Bereich einen Wettbewerb gebe, Verlage aber ebenso ihre eigenen Autoren zu fördern versuchten.

Autor:innen stocken Marketingbudget selbst auf

Nicholas Hill, der Sachverständige des Justizministeriums, das die Fusion von Penguin Random House und Simon & Schuster verhindern will, erläuterte, wie der neue Megaverlag einen so hohen Marktanteil mit umsatzstärksten Autor:innen bekommen würde, dass die an diese Autoren gezahlten Vorschüsse sinken würden: 49 Prozent (37 Prozent Penguin Random House und 12 Prozent Simon & Schuster). Damit hätte der neue Verlag einen weitaus größeren Marktanteil als der nächstgrößere folgende, HarperCollins (etwas über 22 Prozent).

In der ersten Woche des voraussichtlich dreiwöchigen Prozesses vor dem Bundesgericht in Washington haben Verlagsmanager Zahlen offengelegt, die sonst eher nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Simon & Schuster-CEO Jonathan Karp hatte erklärt, dass viele Bestsellerautor:innen die Marketing- und Werbebudgets der Verlage mit ihren eigenen Mitteln aufstocken. Als Beispiel nannte er Colleen Hoover, die für ihre Bücher nur wenig Simon & Schuster-Ressourcen benötige, weil sie "die Königin von TikTok" sei. "Literaturagenten bitten uns häufig, Marketinggelder zu garantieren, aber das tun wir nicht. Wir wollen uns nicht auf einen Plan festlegen lassen."

Viele Bücher mit hohen Vorschüssen floppen

Karp berichtete, dass Verlage wie Abrams, Bloomsbury und Norton "alle enorme Vorschüsse für bestimmte Autoren zahlen", dass sie jedoch bei den Auktionen für die absehbaren Bestseller weniger Konkurrenten seien. Auf die Frage, ob Abrams von Auktionen "ausgeschlossen" sei, antwortete Abrams-CEO Michael Jacobs: "Nun, wir haben die Bücher von Barack und Michelle Obama nicht zugeschickt bekommen. Wir wurden nicht gefragt." Literaturagentin Ayesha Pande hatte erklärt, dass die lukrativsten Verträge für Autoren von den Big Five-Verlagen - gäbe es hier einen weniger, würde sich das wohl auf ihre Chancen auswirken, höhere Vorschusszahlungen auszuhandeln. Jonathan Karp machte deutlich, dass viele Bücher mit hohen Vorschüssen floppen, etwa ein Buchvertrag in siebenstelliger Höhe mit einem "spirituellen Meister“ mit einer großen Anhängerschaft: "Leider folgten ihm seine Anhänger nicht in den Buchladen."

Penguin Random House kauft, um Marktanteile aufzufüllen

Nach Angaben des "Bookseller" hatte Penguin Random House-CEO Markus Dohle auf Nachfrage von John Read, Anwalt des Justizministeriums, eingeräumt, dass die Fusion mit Simon & Schuster die Position von Penguin Random House als Nummer eins der US-Verlage "zementieren" würde. Dohle argumentierte, dass der Verlag seit der Fusion von Penguin und Random House im Jahr 2013 "Marktanteile in der Größenordnung von Simon & Schuster verloren" habe. "Publishers Lunch" zufolge sagte Dohle dem Gericht: "Wir zahlen 2,2 Milliarden Dollar, um unseren Marktanteil größtenteils wieder aufzufüllen – das hätte nicht passieren dürfen. In Zukunft wollen wir mit dem Markt wachsen, und das ist ausreichend." Dohle analysierte die verlorenen Marktanteile: "In Anbetracht der Tatsache, dass wir einen marktführenden Vertriebs- und Distributionsservice haben und unsere Drittvertriebskunden gestiegen sind, ist meine Schlussfolgerung, dass wir nicht in der Lage waren, genügend derjenigen Bücher zu erwerben und zu veröffentlichen, die die Leser kaufen wollen. Das Problem bei der Entwicklung unseres Marktanteils muss also auf der Inhaltsseite liegen."

Read erklärte, dass der Verlag nach dem Zusammenschluss weniger aggressiv um Bücher bieten müsse, da er nicht mehr so dringend seinen Marktanteil vergrößern müsse. Dohle bekräftigte, dass es ausreichen würde, mit dem Markt zu wachsen, wenn der Vertrag unterzeichnet werde. Dohle wiederholte auch sein Versprechen gegenüber Agenten, dass Penguin und Random House- und Simon & Schuster-Imprints weiterhin gegeneinander Bücher ersteigern dürfen, räumte aber gleichzeitig ein, dass es keine "rechtlich verbindliche Möglichkeit" gebe, dieses Versprechen einzuhalten, berichtete "Publishers Weekly".

Seine Erfahrung aus fast 30 Jahren im Geschäftsleben und in der Verlagsbranche sei jedoch, dass, "wenn man seinen vertrauten Geschäftspartnern, in diesem Fall Agenten und Autoren, einen zusätzlichen Service, einen zusätzlichen, nennen wir es Vorteil, gewährt, man praktisch nicht in der Lage ist, ihn wieder wegzunehmen. Es würde diese vertrauensvolle Beziehung untergraben. Ich glaube, es würde unserem Geschäft schaden, weil Agenten und Autoren es nicht zu schätzen wüssten und sich betrogen fühlen würden."

Die Verhandlung soll am 10. August mit der Aussage von Harper Collins-CEO Brian Murray fortgesetzt werden.