Zur Lage der Indie-Verlage

Herzblut reicht nicht zum Überleben

26. Oktober 2023
von Nils Kahlefendt

Alarmstufe Rot – die kleinen Verlage leiden. Sandra Thoms und Björn Bedey führen die Geschäfte von Bedey & Thoms Media, 14 kleinere Verlage sind dort versammelt. Bedey ist zudem im Sprecherkreis der IG unabhängige Verlage aktiv. Gemeinsam gibt das Duo Auskunft über die vertrackte Lage der Unabhängigen.

Björn Bedey und Sandra Thoms in ihrem Verlag

Björn Bedey und Sandra Thoms

Frau Thoms, Sie haben Anfang des Jahres im Börsenblatt auf das leise und stetige Verschwinden kleinerer Verlage aufmerksam gemacht ... 
Sandra Thoms: Das sind zum Teil sehr kleine, sehr spezielle Verlage wie der Dichtfest Verlag, der gerade in einer Pressemeldung mitgeteilt hat, dass er schließt. 

Verlage, die ich als Feuilleton-Leser nicht unbedingt auf dem Schirm habe?  
Thoms: Als Feuilleton-Leser ganz bestimmt nicht. Das Feuilleton spricht mit dem Gros dieser Verlage nicht.  

Björn Bedey: Wenn kleinere, inhabergeführte Verlage, von denen wir hier sprechen, aufhören zu arbeiten, erscheinen einfach keine Novitäten mehr. Da gibt es keine Pressemeldung, keinen Aufschrei in den Medien – es kommen einfach keine neuen Bücher. Die alten Titel laufen noch eine Weile weiter. Ein stiller Abschied auf Raten, den man nur mitbekommt, wenn man, wie wir, in dieser Community unterwegs ist. Deshalb erreichen uns auch öfter Anfragen von Kolleg:innen, ob wir ihren Verlag mit übernehmen wollen. Es hat ja einen Grund, warum wir so viele Marken gerade im Belletristikbereich haben. Leider ist momentan ein Kleinverlag kaum wirtschaftlich zu führen. Symptomatisch für das Thema ist, dass es keine Statistik gibt; Daten zu Verlagen, die aufhören, werden schlicht nicht erhoben.  

Sie befürchten, dass es kleinere Verlage, die eher auf Unterhaltung setzen, bald nicht mehr geben wird.  Eine steile These
Thoms: Wir haben online Amazon, der immer mehr auf Selfpublishing setzt. Und offline laufen rund 40 Prozent des Sortimentsbuchhandels über Thalia; die Kette arbeitet aber überregional nicht mit kleinen Indies zusammen. Im Bereich der anderen 60 Prozent sehen wir viele Sortimente, die aus Altersgründen oder wegen fehlender Nachfolgelösungen nach und nach schließen. Wenn wir weder online noch offline mit unseren Büchern vorkommen, wird es uns kleinere Verlage schon sehr bald nicht mehr geben. Förderung und Preise gehen aktuell ausschließlich an "E-Literatur-Verlage", die auf diese Weise zumindest ihre Grundkosten sichern. "U-Literatur-Verlage" kommen in diesem Preis- und Fördersystem nicht vor.   

Die Unterscheidung erscheint mir nicht unproblematisch, aber bleiben wir dabei, ich glaube, ich weiß, was Sie meinen – wobei es derzeit auch bei vielen der von Ihnen "E-Literatur-Verlage" genannten Häuser lautstark knirscht. Herr Bedey, Sie sind im Sprecherkreis der Interessengemeinschaft unabhängiger Verlage, die bei ihrer letzten Jahrestagung die Losung "We are strong together if we work together" ausgegeben hat. Wo brennt es denn nach Ansicht Ihrer Mitglieder am lichterlohsten?   
Bedey: Es brennt überall, vieles ist aber schon abgefackelt. Irgendwann ist ein Brand halt vorbei; da stellt sich die Frage nur noch historisch. Es ist eine Mixtur aus viel zu vielem: Es sind nach wie vor die Kostenstrukturen. Die Ladenverkaufspreise der Bücher wurden insgesamt erhöht, wobei die kleineren Häuser im Verhältnis oft schon deutlich höhere Preise aufgerufen haben als die großen. Aber das ist endlich: Ein Paperback für 32 Euro kauft keiner. Die 20-Euro-Grenze ist nachhaltig geknackt, das reicht aber nicht, um den Kostendruck aufzufangen. Des Weiteren fehlt, wie Sandra Thoms schon skizzierte, die Sichtbarkeit. Es bleiben fast nur noch kleine Messen übrig, jenseits von kuratierten Klassikern wie "Kleine Verlage am Großen Wannsee", die "Buchlust" in Hannover und "Andere Bücher" in München, auf denen fast ausschließlich die in der Kurt Wolff Stiftung (KWS) assoziierten Verlage ausstellen. Und zudem haben sich die von der Politik gesteckten rechtlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert: die Auswirkungen des VG Wort-Urteils, die abgeschafften Büchersendungen, die für die Großen nie Thema, aber für die Kleinen extrem wichtig waren. Dazu Bürokratiemonster wie die Datenschutzgrund­verordnung und das Lieferkettenfolgegesetz. Und wenn ich sehe, dass Unternehmen wie Amazon indirekt vom Staat subventioniert werden, weil sie unsere Autobahnen als Außenlager benutzen und kaum Steuern zahlen, stehen mir die Haare zu Berge.  

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