Christian und Waltraut Brückner

Mit Parlando hört ein Ausnahmeverlag auf

13. September 2022
von Sabine van Endert

Wer Christian Brückners Stimme hört, denkt an Kapitän Ahab aus "Moby Dick", an Robert de Niro - und an Parlando. Christian und Waltraut Brückner haben vor 22 Jahren den Hörbuchverlag Parlando gegründet. Nach 200 Produktionen kündigen die beiden ihren Abschied aus dem Hörbuchgeschäft an. Ein Verlust.

Waltraut und Christian Brückner

Waltraut und Christian Brückner

Es soll Hörbuchsprecher geben, die ins Studio gehen, ohne zuvor eine Zeile gelesen zu haben? Das ist keine Option für Christian Brückner. Wenn es für seine Arbeit eine Berechtigung gebe, dann die, dem Hörer das Verständnis des Textes zu erleichtern. "Das geht nur, wenn ich bei jedem Satz weiß, was zuvor geschehen ist und was danach passiert", sagte er dem Börsenblatt 2010 für ein Porträt bei einem Besuch in seinem Haus in Berlin-Schlachtensee.

Die Feuilletons feierten ihn dafür. "Brückners feiner Sinn für Pausen und Zäsuren ist sensationell" ("WAZ"); "Brückner erzeugt allein durch das Instrument Stimme eine faszinierende Klang- und Erzählstruktur" ("FAZ"), "Wer Christian Brückners ›Moby Dick‹ gehört hat, wird seine Filmhelden nie mehr anders wahrnehmen denn als Varianten und Fußnoten zu Ahab", schreibt die "SZ". 

Christian Brückner für Cineasten

Für Cineasten verkörpert Brückner den Sound von US-Schauspieler
Robert de Niro. Zum Star im Synchrongeschäft wurde er 1976 mit Martin
Scorseses "Taxi Driver". Heiserbrüchig, sensibel und zugleich spröde,
sanft, dabei rau und energisch – Brückners Stimme ist schwer zu beschreiben. Zumindest nach Maßgabe der Besetzungsbüros passte sie auch zu Alain Delon, Peter Fonda, Robert Redford, Harvey Keitel, Donald Sutherland und Dennis Hopper.

Waltraut und Christian Brückners Parlando Verlag

"Die Stimme", wie Brückner von Journalisten gern genannt wird, konzentrierte sich seit 2010, dem Gründungsjahr von Parlando, auf die Vertonung von Lieblingsbüchern. Gemeinsam mit seiner Frau Waltraut Brückner, Synchronautorin und -regisseurin, hat er vor 22 Jahren den Hörbuchverlag Parlando gegründet. Das Markenzeichen des Verlags war die Stimme von Christian Brückner, Waltraut Brückner führte Regie. Vier, fünf Produktionen haben die zwei im Jahr gemacht, am Ende noch weniger. "Wir wollen klitzeklein bleiben", sagte der Verleger damals. Trotzdem sind so 200 Hörbücher entstanden, 120 davon sind noch lieferbar. 

Seit 2015 war Parlando im Vertrieb des Argon Verlags, mit dem 1. Januar 2017 hat er dort auch verlegerisch eine neue Heimat gefunden. Die Schwerpunkte des Verlags lagen im Bereich der amerikanischen Literatur (z.B. Herman Melville, John Updike, Don DeLillo) und bei den Klassikern der europäischen Literatur (z.B. Joseph von Eichendorff, Adalbert Stifter, Gustave Flaubert, Walter Benjamin). Auch Lyrik-Anthologien (z.B. von Novalis, Paul Celan oder Gottfried Benn) hatten ihren festen Platz im Verlagsprogramm. Die nach Absatz erfolgreichsten Titel sind die "Reden für die Freiheit" von Navid Kermanis und Don Quijote

Der Parlando Verlag wurde regelmäßig ausgezeichnet, z.B. mit dem Deutschen Hörbuchpreis, die Rezensionen zu Parlando-Produktionen waren meistens hymnisch. Unterhaltungsliteratur? Kam für die Brückners nicht in Frage. Da verbringe er seine Zeit lieber im Schwimmbad, sagte Christian Brückner im Abschiedsinterview der Brückners in der aktuellen Argon-Vorschau. 

Wie geht es weiter?

"Wir werden beide nicht tatenlos in unsere Sessel fallen, sondern wir werden etwas finden, das wir machen möchten", sagt Christian Brückner. Und Waltraut Brückner ergänzt: "Für deine öffentlichen Auftritte, mit Musik oder ohne, wirst du jetzt mehr Zeit haben. Die gemeinsamen Aufnahmen im Studio werden mir fehlen."

Zum Abschied erscheinen mit "Der Passagier" und "Stella Maris" von  Cormac McCarthy noch einmal zwei außergewöhnliche Produktionen. Und etwas Hoffnung für weitere Hörbücher aus der Parlando-Schmiede gibt es am Ende von Christian Brückner auch noch:  "Vielleicht machen wir auch Edel-Hörbücher – wer weiß, denn manche Sachen verdienen das."