Gastbeitrag Publisher Consultants

Nachhaltigkeit als Eintrittskarte für Finanzierung und Vertrieb

3. Juli 2025
Redaktion Börsenblatt

Auch wenn die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für viele Verlage nicht mehr unmittelbar greift, hält Luise Rößner es für einen strategischen Fehler, Nachhaltigkeitsinitiativen jetzt zurückzufahren. Die Sustainability-Expertin der Beratungsgesellschaft Publisher Consultants erklärt, warum es sinnvoll ist, jetzt dranzubleiben. 

Hand sortiert Münzen vor grünem Hintergrund

Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist immer ein Gesprächsanlass, egal ob Nah- oder Fernverkehr – jeder kann von seinen herausfordernden Erlebnissen zwischen Start- und Endhaltestelle berichten. Beim Thema Nachhaltigkeit war die Zielrichtung lange eindeutig, nun sitzen wir alle zusammen im Omnibus-Verfahren. Kein Bus, sondern ein europäischer Gesetzgebungsprozess. Für viele Unternehmen ist es eine Herausforderung, mit den ständig wechselnden Rahmenbedingungen umzugehen. Was bleibt, sind eine Menge offener Fragen. Ähnlich wie im ÖPNV: Komm ich rechtzeitig an? Muss ich hier einsteigen oder doch auf einen anderen Bus warten? Gab‘s einen Gleiswechsel? Wie viel Verspätung kann ich mir überhaupt leisten?

Auch wenn die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) aktuell für viele Verlage nicht mehr unmittelbar greift, ist es ein strategischer Fehler, Nachhaltigkeitsinitiativen jetzt zurückzufahren. Denn andere Akteure – insbesondere Banken, Auslieferungen, Handelspartner:innen und die neue EU-Verordnung zur Entwaldungsfreiheit (EUDR) geben den Takt vor und setzen Standards, die direkten Einfluss auf Finanzierung, Vertrieb und Marktzugang haben. Warum ist das so? Weil Nachhaltigkeit für Banken, Versicherungen und andere Stakeholder knallhartes Risikomanagement, Investition und Innovation ist.

Damit ist und bleibt Nachhaltigkeit Teil aller strategischen Überlegungen, auch wenn regulatorische Anforderungen aktuell rückläufig scheinen.

Banken: ESG-Risiken beeinflussen Finanzierung und Bonität

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) verpflichtet Banken ab Juni 2026 dazu, ESG-Risiken systematisch in ihre Kreditvergabe und Risikobewertung zu integrieren. In den EBA-Guidelines selbst wird das als "Verteidigungslinie" bezeichnet. Für Verlage und publizierende Unternehmen sowie für die Unternehmen in der Lieferkette bedeutet das, dass Nachhaltigkeit zukünftig kreditrelevant ist. Wer also keine ESG-Strategie vorweisen kann, riskiert schlechte Finanzierungskonditionen oder den Ausschluss von Investitionen.

Es bedeutet aber auch, dass Transparenz keine Kür ist, sondern Pflicht. Selbst mittelständische und kleine Verlage müssen aufgrund ihrer Sandwich-Position in der Lieferkette glaubhaft darlegen können, wie sie ökologische und soziale Risiken managen – auch wenn sie nicht direkt von der CSRD betroffen sind.

Nachhaltigkeit ist damit kein Kostentreiber, sondern ein Bonitätsfaktor. Wer frühzeitig investiert, sichert sich damit Finanzierungsspielräume und Wettbewerbsvorteile.

Handel: Nachhaltigkeit als Voraussetzung für Marktzugang

Große, branchenrelevante Logistik-, Geschäfts- und Handelspartner:innen etablieren mit ihren neuen Verhaltenskodizes für Lieferanten klare Nachhaltigkeitsstandards. Denn sie sind auf Grund ihrer Größe auch zukünftig von Transparenzpflichten, wie der CSRD und anderen Regularien betroffen. Dabei geht es insbesondere um Themen wie:

  • CO₂-Reduktion, Klimastrategien und Umweltmanagement
  • Einhaltung internationaler Arbeits- und Sozialstandards
  • Produktsicherheit
  • Menschenrechte
  • Datenschutz
  • Transparenz in der Lieferkette

Verlage, die diese Standards nicht erfüllen, riskieren einiges. Zum Beispiel mittelfristig aus der Distribution ausgeschlossen zu werden. Nachhaltigkeit wird somit operative Voraussetzung für Auslieferung und Vertrieb.

 

EUDR: Entwaldungsfreie Lieferketten als Norm

Die EU-Verordnung zur Entwaldungsfreiheit (EUDR) verpflichtet Unternehmen ab Ende 2025 zur Rückverfolgbarkeit von Kritischen Rohstoffen und Folgeprodukten wie Holz, Papier, Bücher, und Zeitschriften. Für Verlage bedeutet das:

  • Herkunftsnachweise für Papier werden Pflicht
  • Rückverfolgbarkeit bis zum Baum muss gewährleistet werden
  • Systeme zur Risikobewertung müssen implementiert werden
  • Verstöße können zu Importverboten und Bußgeldern führen

Nahezu jeder Verlag ist davon betroffen, ob direkt oder indirekt. Wer hier nicht vorbereitet ist, riskiert Lieferengpässe, Reputationsschäden, Bußgelder oder wird spätestens im Jahr 2026 ausgelistet von seinen Handelspartner:innen.

Nachhaltigkeit als strategischer Erfolgsfaktor: Warum es Sinn macht, jetzt dranzubleiben

Nachhaltige Berichterstattung und nachhaltiges Handeln mag für Verlage aufgrund des Omnibusverfahrens und unklarer rechtlicher Rahmenbedingungen aktuell keine Priorität mehr haben – doch das ist zu kurz gesprungen:

  • Kapitalgebende, Handelspartner:innen und Kundinnen und Kunden verlangen ESG-Daten und Transparenz – unabhängig von gesetzlichen Regulierungen.
  • Aktives Gestalten ist günstiger als spätes Reagieren: Wer heute investiert, spart morgen Kosten für Umstellungen, Bußgelder oder Reputationsmanagement.
  • Nachhaltigkeit wird zum Standard und für den Moment zum Differenzierungsmerkmal: In einem stagnierenden Markt kann sie den Ausschlag geben bei Ausschreibungen, Kooperationen oder Förderungen.

Wer hier nur ein Compliance-Thema sieht, verschenkt viele Chancen. Und letztendlich ist es wie beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr: Wer nachhaltig von A nach B kommen will, muss einsteigen – auch wenn unterwegs so einiges passieren kann. Doch am Ende ist es eine Win-Win-Win-Situation.