Angriffskrieg auf die Ukraine

Russische Raketen treffen Großdruckerei in Charkiw

24. Mai 2024
von Sabine Cronau

Factor Druk, eine der größten ukrainischen Druckereien, ist am Donnerstag (23. Mai) bei einem russischen Angriff auf Charkiw getroffen worden. Dabei gab es viele Verletzte und auch Tote. Das meldet das ukrainische Branchenportal Chytomo. Der Katapult Verlag hat noch am selben Tag eine Spendenkampagne gestartet. Update: In einem Statement zeigt sich der Börsenverein bestürzt. 

Zahl der Opfer steigt stündlich

Besonders hart wurde offenbar die Buchbinderei des Unternehmens getroffen. Chytomo beruft sich unter anderem auf Oleh Syniehubov von der Regionalverwaltung in Charkiw. Nach seinen Angaben waren auf dem Firmengelände zwei Menschen getötet und sechs verletzt worden.

Die Zahl der Opfer musste im Lauf des Tages allerdings immer weiter nach oben korrigiert werden – auf mindestens sieben Tote und 21 Verletzte, wie es zuletzt bei Chytomo hieß. Als die Raketen einschlugen, befanden sich offenbar 50 Menschen auf dem Gelände.

Wichtiger Druckstandort

Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow postete in den sozialen Netzwerken Fotos von den Zerstörungen: "Drucker und Arbeiter sind getötet und verwundet worden, Bücher verbrannt. Willkommen in Russlands Welt."

Die Großdruckerei ist Teil der Factor Unternehmensgruppe, zu der auch der Vivat Verlag und die gleichnamige Buchhandlung gehören. Das Druckhaus beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter:innen und kann jährlich 50 Millionen Bücher produzieren (Hardcover und Paperback), hinzu kommen Kapazitäten für 100 Millionen Magazine und 300 Millionen Zeitungen. Nahezu alle ukrainischen Verlage würden hier ihre Bücher produzieren lassen, so Chytomo.

Im Juli 2022 hatte Sergii Polituchyi, Gründer der Factor-Gruppe, die Börsenvereinsgruppe in Frankfurt besucht - und dabei auch mit dem Börsenblatt über die wirtschaftliche Lage und die Zukunftsaussichten seines Unternehmens im Krieg gesprochen (mehr dazu hier).

Katapult startet Spendenaktion

Der deutsche Katapult Verlag (Greifswald) hat in der Druckerei sein Geopolitikmagazin „Katapultu“ drucken lassen und engagiert sich seit Kriegsbeginn für die Ukraine (mehr dazu hier). Nach der Nachricht aus Charkiw hat der Verlag sofort eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Die ersten 1.000 Euro hat Katapult selbst in den Topf geworfen.

„Wir geben eure Spenden eins zu eins weiter. Die Druckerei-Leute sollen das Geld so einsetzen, wie sie es für richtig halten – für den Wiederaufbau oder für die Verletzten und Hinterbliebenen“, heißt es auf der Website von Katapult (Spendenkonto: KATAPULT-Magazin, DE90 1505 0500 0102 0925 08, BIC: NOLADE21GRW, Betreff: Druckerei / Ukraine). Mehr dazu hier.

Katapult-Herausgeber Benjamin Fredrich will am 3. Juni das nächste Mal in die Ukraine fahren. „Ich wollte Medikamente in ein Krankenhaus bei Kramatorsk bringen, ein Minensuchteam und einen Drohnenbauer interviewen“, schreibt er auf der Website des Magazins. „Das wird auch so bleiben. Aber: Ich füge nun einen Besuch hinzu – bei unseren Freunden von Factor Druk.“

Im November 2022 hatte Fredrich die Druckerei erstmals besucht, damals noch als Journalist, nicht als Auftraggeber. Seine Eindrücke über die Buchproduktion in Kriegszeiten hat er in einer eindringlichen Reportage festgehalten (nachzulesen hier).

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Börsenverein: "Der Angriff trifft die ukrainische Buchbranche ins Herz"

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sagt in einem Statement des Börsenvereins: "Der Angriff auf die Factor-Druckerei trifft die ukrainische Buchbranche ins Herz. Wir sind bestürzt und entsetzt! Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind vor allem bei den Verletzten und den Angehörigen der Todesopfer. Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine kamen laut UN-Angaben bereits über 10.000 ukrainische Zivilist*innen ums Leben. Gezielte Angriffe auf die ukrainische Buchbranche sind perfider Teil der hybriden russischen Kriegsführung. Diese abscheulichen und unmenschlichen Taten müssen aufhören! Wir unterstützen weiterhin unsere ukrainischen Kolleg*innen."

In wenigen Tagen, am 30. Mai, beginne das Arsenal Book Festival in Kiew, viele Bücher würden derzeit für den Direktverkauf dort in der Factor-Druckerei gedruckt.