Frankfurter Buchmesse: Presseschau II

"Was ist eigentlich noch ein Event?"

14. September 2020
von Börsenblatt

Ist eine Messe eine Messe, wenn sie nur im Netz stattfindet? Das fragen sich die Medien nach der Absage der physischen Frankfurter Buchmesse am vergangenen Dienstag. Außerdem Thema: Die Kommunikationspolitik der Frankfurter Buchmesse und Pläne, FBM und Musikmesse 2021 parallel stattfinden zu lassen.  

"Messe und Macht" ist der Beitrag in der "FAZ" von Andreas Platthaus überschrieben. Die Absage der physischen Buchmesse vom vergangenen Dienstag sei "nur der letzte Schritt eines Kommunikationsdesasters" gewesen, meint er. Die Frankfurter Messeleitung habe sich auf Absprachen mit den vier Buchkonzernen Holtzbrinck, Random House, Bonnier und Bastei Lübbe beschränkt, die aber alle gar nicht selbst zur Messe wollten. "Seltsamerweise dachte man in Frankfurt, das Fernbleiben all der in diesen Konzernen vereinten Verlage machte nichts aus, solange man deren Zusicherung hatte, sich am virtuellen Messeprogramm zu beteiligen", so Platthaus. Das sei ein Affront gegen die kleineren Verlage gewesen. Platthaus: "Die reagierten anders als in Frankfurt erwartet: Statt sofortiger Standbuchungen kamen Absagen, auch von Verlagen aus der Stadt selbst wie Schöffling oder der Frankfurter Verlagsanstalt. Und bis sich mit Suhrkamp, Beck, Aufbau und Klett-Cotta vier prominente Häuser zu einem Gemeinschaftsstand durchrangen, dauerte es zwei Monate."

 

"Wovon sollen wir leben, wenn alles stattfinden kann, ohne dass es stattfindet?"

"Was ist eigentlich noch ein Event?", fragt Kolja Reichert in der "FAZ". Am Tag, an dem die Frankfurter Buchmesse bekanntgeben musste, dass sie zwar stattfinden würde, nur eben ohne Buchmesse, hätten all die stillgelegten Schausteller, Technikverleiher und Messebauer aus ganz Deutschland am Brandenburger Tor in Berlin „Alarmstufe Rot“ ausgerufen. "Hier zog er also vorüber, der kulturelle Unterbau, und belegte mit lange nicht erlebter physischer Wucht, dass sich in Deutschland, ja auf der ganzen Welt, in den vergangenen Monaten eine gewaltige Entkopplung vollzogen hatte: nämlich von Zeichen und Träger", so Reichert. In all dem Optimismus der Verzweiflung, in dem die Buchmesse ihre Verlegung ins Digitale in digitale Angebote bekanntgab, hätten sich all die Gewerke, die jahrhundertelang Messestände aufgebaut und Licht und Lautsprecher ausgeliehen hatten, fragen: "Wovon sollen wir leben, wenn alles stattfinden kann, ohne dass es stattfindet?"

Kritik an Zusammengehen von FBM mit Musikmesse

Auch nach der Absage der physischen Frankfurter Buchmesse 2020 wegen Corona würde an den Plänen festgehalten, die Buchmesse und die Musikmesse 2021 physisch parallel zu veranstalten, hat Claus-Jürgen Göpfert von der Messegesellschaft Frankfurt für die "Frankfurter Rundschau" erfahren. Danach soll die Buchmesse vom 20. bis 24. Oktober 2021 und die Musikmesse vom 22. bis 24. Oktober 2021 auf dem Frankfurter Messegelände stattfinden. Der Verleger Joachim Unseld (Frankfurter Verlagsanstalt) kritisiert den Ansatz in dem Beitrag: Die Verlage würden einen „ruhigen Austausch“ benötigen und nicht noch mehr Rummel auf dem Messegelände, so Unseld. Unseld warnt: „Die Frankfurter Buchmesse könnte so ein Auslaufmodell werden“. 

Digitalkonzept "überzeugt nicht jeden"

Tilmann Sprechelsen schreibt in der FAZ: "Vielleicht hat die Sache so auch ihr Gutes: Feixende Extremisten müssen nun auf die erhoffte größere Aufmerksamkeit verzichten. Nur dass eine Buchmesse ohne Aussteller eine traurige Sache zu werden verspricht, und das tapfere Beharren der Messe auf das 'stimmige virtuelle Gesamtkonzept', das an die Stelle der physischen Präsenz trete, überzeugt nicht jeden. Der Schritt aber, die Hallen zu schließen, war überfällig. Bleibt zu hoffen, dass dies die letzte Änderungsmeldung zur diesjährigen Messe war."

Einnahmequellen für Messegesellschaften gesucht

"Die Coronakrise wird die Messewirtschaft dauerhaft verändern", meint Katrin Terpitz im "Handelsblatt": Es werde weniger internationale Messen vor Ort und weniger Teilnehmer geben, davon würden 56 Prozent der Branchenvertreter ausgehen; 82 Prozent würden einen Schub für hybride Messen und digitale Elemente erwarten („Global Exhibition Barometer“ des Weltmesseverbands UFI). Wenn dauerhaft Geschäft von den Messehallen in die Cloud abwandere, müssten Messegesellschaften und Veranstalter neue Einnahmequellen finden, so Terpitz.