Konditionen: Offener Brief an Verlage

"Wehren Sie dreiste Erpressungsversuche ab"

22. Februar 2021
von Börsenblatt

Die Buchhändler Hartwig Bögeholz, Wolfram Schwarzbich und Christian Röhrl warnen in einem Offenen Brief die Verlage davor, auf alle geforderten Konditionen eines großen Filialisten einzugehen – und empfehlen, stattdessen den unabhängigen Buchhandel zu stützen.

Unterzeichnet haben den "Offenen Brief an alle deutschsprachigen Verlage" vom 22. Februar Hartwig Bögeholz (Geschäftsführer, Jürmker Bücherstube, Bielefeld), Wolfram Schwarzbich (Betriebsleiter Stiftung Bethel – Betriebe Bethel – Buchhandlung Bethel, Bielefeld) und Christian Röhrl (Geschäftsführer, Buchhandlung Bücherwurm, Regensburg).

Im Wortlaut heißt es:

"Sehr geehrte Verlegerinnen und Verleger, sehr geehrte wirtschaftlich Verantwortliche in den Verlagen,

Sie haben gewiß die Fanfarenstöße vernommen, die den bevorstehenden wirtschaftlichen Angriff auf Ihre Verlage einläuten.

Wenn jemand, der derzeit unter starkem Druck steht und womöglich sogar ernsthaft angeschlagen ist, eine "großartige Zukunft für stationäre Buchhandlungen" ausruft und "nach Corona ein starkes Wachstum im stationären Handel" beschwört – dann müssen bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen. Der Filialist denkt mitnichten daran, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen – sondern an Ihren.

In einfaches und verständliches Deutsch übersetzt bedeuten diese Sätze nämlich: Damit wir wieder auf die Füße kommen, sollt ihr Verlage bluten. Wir alle wissen, dass Groß- und Größtkunden mit 50 Prozent Nachlaß schon lange nicht mehr zufrieden sind. 60plus, ja, 60plusplus wird die neue Richtung sein (selbst wenn sich der Börsenverein zu begrenzenden Regelungen durchringen sollte). Entsprechende Forderungen werden Ihnen in Kürze, wenn Sie zum Befehlsempfang in die Zentrale bestellt werden, vorgelegt werden. So weit, so schlecht.

Oder auch, so gut.

Denn dieser kommende Moment beschert Ihnen, Ihrem und allen anderen Verlagen, eine bisher ungekannte Macht. Waren bisher die großen Stückzahlen ein extrem effektives Folterinstrument Ihnen gegenüber, haben sich diese vorerst zu einer Zukunftshoffnung verflüchtigt. Genau hier liegt Ihre einmalige Chance: Wenn Sie jetzt nicht die Courage aufbringen, dreiste Erpressungsversuche abzuwehren und sich damit aus der Defensive zu befreien – dann ist Ihnen nicht mehr zu helfen.

Wenn wir die bisher von allen Verlagshäusern angewandte Logik beim Wort nehmen, dass steigende Stückzahlen höhere Rabatte bedeuten – dann wäre es nur konsequent, wenn Sie dem Ihrer Kunden Rabatte kürzen, der in 2020 als auch aktuell geringere Umsätze mit Ihnen erzielt (hat).

Zugleich müssten Sie Ihrer eigenen Logik nach all den Unabhängigen Buchhandlungen, die mit großem Engagement, Einsatz und Einfallsreichtum in 2020 wie auch aktuell gesteigerte Umsätze für Ihr Haus generiert haben und generieren (oft natürlich via Barsortiment), höhere Rabatte oder anderweitig deutlich verbesserte Konditionen zuteil werden lassen.

Entscheiden Sie sich richtig.

Sie wissen selbst am besten, wo Sie Ihre Deckungsbeiträge erwirtschaften. Wenn Sie in dieser Konstellation einknicken, dann bleiben Ihnen nur noch die mittleren und kleinen Buchhandlungen, um Ihre ebenso offenkundigen wie ungerechtfertigten 'Subventionen' an den Filialisten aufzufangen.

Ob wir Unabhängige Buchhandlungen dieses bittere Spiel, so wie es bislang verläuft, noch länger mitmachen werden?

Zudem: Wenn wir Unabhängigen Buchhandlungen eines Tages nicht mehr da sein werden – wovon wollen Sie dann existieren?"