Viele Stellen unbesetzt

Wohnungsnot wird zum Ausbildungshemmnis

15. April 2025
Redaktion Börsenblatt

In vielen deutschen Städten wird bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware – mit spürbaren Folgen für den Arbeitsmarkt. Gerade junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, können sich eine Wohnung in Ballungsräumen kaum leisten. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) packt das Problem an.

Vor einem gelben Hintergrund jongliert ein Mann mit Büchern

Die Diagnose ist ernüchternd: Eine Ausbildungsstelle in einer weiter entfernten Stadt wird wegen der teuren Mieten und dem geringen Ausbildungsgehalt oft gar nicht erst angetreten. In einem Bericht fasst die DIHK das Problem zusammen - und bietet Lösungsmöglichkeiten an.

"Längst nicht nur in Großstädten erleben Unternehmen zunehmend, dass gute Bewerberinnen und Bewerber eine Stelle nicht antreten, weil sie keine Wohnung finden", sagt Sofie Geisel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Genau hier setzt die neue Initiative "Zukunft Beschäftigtenwohnen" an, die von der DIHK Service GmbH bundesweit mit regionalen IHKs umgesetzt wird.

Unternehmen bieten bislang nur selten Wohnraum

Dass Unternehmen mehr tun könnten, zeigt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft:

  • Nur 5,2 Prozent der Unternehmen in Deutschland bieten werkseigenen Wohnraum an.
  • Immerhin 11,6 Prozent helfen bei der Wohnungssuche – etwa durch Kooperationen mit Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften.

Die Wege zur Unterstützung sind vielfältig:

  • 44 Prozent der Unternehmen mieten Wohnungen für ihre Mitarbeitenden an.
  • ebenso viele kaufen Immobilien, die sie anschließend vermieten.
  • 17 Prozent investieren in Neubauten.
  • 8 Prozent erwerben Belegungsrechte.
  • Häufig kommen auch mehrere dieser Maßnahmen kombiniert zum Einsatz.

Wohnkosten beeinflussen Berufswahl

Laut einer PwC-Studie aus dem Jahr 2023 haben 17 Prozent der 18- bis 34-Jährigen bereits einen Job aufgrund hoher Mieten gewechselt – in Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stuttgart sind es noch mehr. Über die Hälfte kann sich vorstellen, in eine günstigere Stadt zu ziehen, um die Wohnkosten zu senken. Ein leider realistisches Szenario, denn die Neuvertragsmieten steigen laut dem Institut der deutschen Wirtschaft jährlich im Schnitt um fünf Prozent, in Ballungsräumen meist sogar stärker.

Roadshow bringt das Thema zu Betrieben

Die DIHK-Roadshow will genau hier ansetzen. Unter dem Motto "Zukunft Beschäftigtenwohnen" bringt sie IHKs, Unternehmen und potenzielle Partner zusammen. Ziel ist es, über konkrete Modelle zu informieren, den Austausch zu fördern und vor allem kleinere Betriebe zum Mitmachen zu motivieren.

Bei einer der ersten Stationen in Düsseldorf betonte IHK-Vizepräsidentin Kerstin Rapp-Schwan die Herausforderungen für kleinere Betriebe: "Von der Betriebsleitung über Marketing bis zum Personal müssen diese schon vieles allein bewältigen. Zusätzlich noch für Wohnraum zu sorgen, ist schwierig." Gerade deshalb brauche es proaktive Unterstützung und gute Vernetzungsarbeit. Auch Sorgen über Belegrechte – etwa bei vorzeitigem Ausbildungsende – müssten offen diskutiert und gelöst werden.

Bonn: Wohnen direkt bei der IHK

Wie Beschäftigtenwohnen konkret aussehen kann, zeigt ein Projekt der IHK Bonn. Sechs Auszubildende sind dort in zwei Wohnungen im IHK-eigenen Gebäude an der Königsstraße eingezogen. Darunter sind auch junge Menschen, die aus dem Ausland nach Bonn gekommen sind.

"Wir wollen mit unserem Projekt mit gutem Beispiel vorangehen und helfen, den Druck auf den Wohnungsmarkt in Bonn zu verringern", erklärt IHK-Präsident Stefan Hagen. Doch das Projekt ist mehr als nur praktische Hilfe: "Betriebswohnungen kommen langsam wieder in Mode, sie sind aber natürlich kein Allheilmittel", sagt Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille. Die Politik sei weiterhin gefordert, auf allen Ebenen die Voraussetzungen für mehr Wohnungsbau zu schaffen.

Dass es noch eine Nummer größer geht, zeigt ein weiteres Beispiel aus Freiburg.

Freiburg: Großprojekt für 145 Auszubildende

Auch in Freiburg wird bereits gebaut. Dort entsteht ein Wohnheim für 145 Auszubildende – initiiert von der Stadt in Zusammenarbeit mit der Freiburger Stadtbau (FSB). Ein Grundstück wurde gefunden, ein Architekturbüro beauftragt, und im Sommer 2023 fiel der Baubeschluss. Die Eröffnung ist für das Ausbildungsjahr 2026 geplant.

Das Wohnprojekt bietet barrierefreie Ein- und Zweizimmer-Apartments mit Gemeinschaftsflächen, guter ÖPNV-Anbindung und günstigen Mieten. Unternehmen können die Apartments für ihre Azubis anmieten und sich an den Kosten beteiligen. Voraussetzung: Die Auszubildenden müssen mindestens 18 Jahre alt sein und einen Wohnberechtigungsschein vorweisen.

"Unser Mietmodell ist eine Win-win-Situation für Azubi und Unternehmen", sagt Matthias Müller, kaufmännischer Geschäftsführer der FSB. Die Betriebe übernehmen die Miete samt Verwaltung, die Azubis zahlen maximal zwei Drittel – und gewinnen ein sicheres Zuhause für die Ausbildungszeit.

Weiterführende Informationen:

  • Veranstaltungsreihe "Zukunft Beschäftigtenwohnen"
    Alle geplanten Veranstaltungen der DIHK-Tour, Links zu weiteren Infos bei IHKs, zum Beispiel konkrete Fördermöglichkeiten, Kooperationsmodelle und Best Practices, finden Sie auf der Website "Zukunft Beschäftigtenwohnen".
  • Jugendwohnheime und Beihilfen für Azubis
    Azubis auf der Suche nach Wohnraum können über das Projekt "Auswärts zuhause" Jugendwohnheime suchen, Fördermöglichkeiten ausloten und weitere Infos erhalten, darunter zu Zuschüssen über die Agentur für Arbeit.

  • Studien zum Mitarbeiterwohnen
    Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC bietet auf ihrer Website eine Studie "Wohnungsnot und die Folgen für den Arbeitsmarkt" an, das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unter dem Stichwort "Mitarbeiterwohnen" eine Fülle von Informationen und die Studie "Bestandsaufnahme zum Wohnen für Mitarbeitende" aus dem Jahr 2024 zum Download.