Lust auf Lampenfieber
Sie erfindet sich gerne neu: Anne Sauer hat sich als Literaturvermittlerin einen Namen gemacht: Ob Punchline oder Blogbeitrag – sie steht sicher auf jeder Bühne und ist für den #yeaward nominiert.
Sie erfindet sich gerne neu: Anne Sauer hat sich als Literaturvermittlerin einen Namen gemacht: Ob Punchline oder Blogbeitrag – sie steht sicher auf jeder Bühne und ist für den #yeaward nominiert.
Lesen und Emotionen gehen bei ihr unbedingt Hand in Hand: „Ich glaube fest daran, dass der Weg vom Buch zu den Lesenden über Gefühle geht“ sagt Anne Sauer. Mit Menschen, die ein passendes Buch suchen, kommt sie gern über die Frage „Wie fühlen Sie sich gerade? Wonach ist Ihnen denn?“ ins Gespräch. „Sie reagieren dann oft überrascht, aber freuen sich auch über den Austausch auf persönlicher Ebene“, so ihre Erfahrung.
Weil Anne Sauers Herz für gute Geschichten schlägt, und sie die Suche nach dem "perfect match" zwischen Büchern und Menschen antreibt, haben ihre Aktivitäten nicht nur, aber immer öfter mit dem Lesen zu tun. Dabei ist sie auf vielfältigen Wegen unterwegs, ist Bookstagrammerin, Moderatorin, Buchhändlerin, Social Media Managerin, Podcasterin, Buchwissenschaftlerin und Texterin in einer Person.
Angefangen hat alles mit dem Studium der Buchwissenschaft und Philosophie an der Uni Mainz. Doch ausgerechnet das anschließende Volontariat im Vertrieb des Verlags Hermann Schmidt in Mainz führt auf „Abwege“: Sie erfährt dort erstmals vom Berufsbild der Werbetexterin, besucht für den Verlag Hamburg, hört auf ihr Bauchgefühlt und bleibt. „Der Vibe stimmte“, sagt Sauer, die in einer Kleinstadt in Bayern aufgewachsen ist. Nach einer Ausbildung an der Texterschmiede (heute: Hamburg School of Ideas) steigt sie 2015 als Texterin in die Werbe- und PR-Branche ein. „Auch in der Werbung werden Geschichten erzählt. Es geht darum, das Produkt so zu verpacken, dass es die Menschen emotional anspricht. Vieles, was ich heute anwende, habe ich in der Agenturzeit gelernt, es gibt viele Parallelen zum Buch“, erläutert die 32-Jährige.
Doch die Liebe zur Literatur holt sie bald wieder ein. Parallel zu ihrer Agenturtätigkeit ruft sie 2017 den Bookstagram-Account @fuxbooks ins Leben. Schon im Jahr darauf ist sie unter den Finalist:innen des Buchblog Awards. 2019 begleitet sie mit Fuxbooks den Deutschen Buchpreis, 2020 gehört sie zur Blogredaktion des 28. open mike im Haus der Poesie in Berlin. 2022 ist sie eine der acht offiziellen Blogger:innen zum Deutschen Sachbuchpreis. Fuxbooks hat heute fast 8.000 Follower, Tendenz weiter steigend.
Ich wäre gern die Taylor Swift von Bookstagram
Ihr Ansatz: „Literatur geht alle an“. „Ich wäre gern die Taylor Swift von Bookstagram - sie hat ein unfassbar gutes Netzwerk und ich höre ihre Musik sehr gerne“, erklärt Anne Sauer lachend. Buchblogs hält sie allgemein für eine großartige Sache: „Ein kostenloser Service, oft hochwertig und fokussiert, der Schwellenängste und Hürden abbaut, der Bücherwelt das teils Elitäre nimmt. Ich selbst habe über Instagram spannende neue Autor:innen kennengelernt, auf die ich anders nicht gestoßen wäre“, ist sie überzeugt.
Sie war noch in Vollzeit als Texterin in der Agentur angestellt, als die Buchhandlung Lüders ihr per Instagram eine Mitarbeit offerierte. Sauer wagt den Quereinstieg, sagt kurzentschlossen zu und steht von da an samstags in Hamburg-Eimsbüttel im Buchladen. Was als willkommener Ausgleich zum Agenturjob begann, hat sich längst verselbstständigt. Die Buchberatung von Angesicht zu Angesicht hat sie darin bestärkt, dass ihre Berufung darin liegt, Menschen zum Lesen zu bringen. Im Herbst 2020 stellt sie sich als Texterin und Literaturvermittlerin auf eigene Beine. „Ich fand diesen Schritt nicht mutig, es war die einzige Lösung“, meint Sauer, „und es war das erste Mal seit dem Abi, dass ich nicht wusste, was als nächstes kommt – ein sehr angenehmes, schönes Gefühl.“ Seither setzt sie ihre Kreativität und Energie sehr facettenreich für die Literatur ein.
In der Buchhandlung Lüders verantwortet sie inzwischen auch den Instagramkanal @buchhandlunglueders, wo sie mit Unterstützung des Teams täglich Content für fast 9.000 Follower kreiert. Mit dem Ergebnis, dass Lüders - bereits drei Mal in Folge mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet – im Jahr 2020 auch noch im Wettbewerb um den besten Buchhandlungsblog als Gewinnerin hervorgeht.
In ihrem Podcast „Monatslese - Bücher und Feelings“ bietet Anne Sauer seit 2020 gemeinsam mit Tina Lurz selbst produzierte, unterhaltsame Lese-Inspiration. Auch hier stehen Emotionen im Zentrum: Wie ging es ihr beim Lesen? Was ist es, das dieses Buch besonders lesenswert macht? „Mein Fokus liegt immer auf Persönlichkeit und Emotion. Also öffne ich den Blick in meine Gefühlswelt und lade alle ein, denselben Weg zu gehen“, erklärt Sauer.
In Kooperation mit dem Aufbau Verlag sprach sie im vergangenen Jahr zusammen mit Tobias Schiller, freier Redakteur für Verlage, und begleitend zur Leserunde auf Instagram in einem dreiteiligen Podcast über den Roman „Verzweiflungstaten“ von Megan Nolan. Dabei wurde auch der Austausch über ganz persönliche Verzweiflungstaten nicht ausgespart. „Damit haben wir ein emotionales Pioniers-Projekt gestartet, dem hoffentlich noch weitere folgen werden“, so Sauer.
Für den Podcast Beltz Stories. Geschichten aus der Verlagsgruppe Beltz hat sie bereits 16 Folgen konzipiert und produziert, in denen sie einen Blick hinter die Kulissen der Verlagswelt wirft und dafür mit Menschen aus der Branche spricht, sei es mit Beltz-Verlegerin Marianne Rübelmann zum 50-jährigen Bestehen von Beltz&Gelberg, mit Anna Gusella über die Magie der Illustration oder mit den Autorinnen Olaolu Fajembolo und Tebogo Nimindé-Dundadengar über Antirassismus als Reise.
Im Live-Stream auf Fuxbooks, auf Plattformen wie Lovelybooks und auch analog im Programm der Hamburger Bücherhallen, der Stadtbibliothek Norderstedt und in der Buchhandlung Lüders moderiert Anne Sauer Lesungen, Gespräche und Leserunden, stellt zum Beispiel ihre persönliche Top 10 der Neuerscheinungen vor. 2021 führte sie durch die Verleihung des Jugendliteraturpreises Buxtehuder Bulle und hielt die Laudationes auf die Siegertitel. „Anschließend kam ein Mädchen zu mir und sagte, sie fände es toll, wie ich über die Bücher gesprochen hätte – das ist so eine schöne Belohnung“, freut sie sich über die unmittelbare Resonanz.
Seit 2021 ist sie auch als freie Redakteurin für das MOKA Magazin tätig, einem Bücher- und Lifestylemagazin aus Hamburg, das drei Mal im Jahr auf 116 Seiten überwiegend Interviews und Porträts von Menschen aus der Buchbranche bringt, in Buchhandlungen ausliegt sowie Zeitschriftentiteln wie Flow und green Lifestyle beiliegt. Für den Instagram-Account des MOKA Magazins verfasst sie regelmäßig weitere Buchempfehlungen.
Was ihre Zukunftspläne sind? Fest steht, dass sich die Wahlhamburgerin ab diesem Sommer ausschließlich der Literaturvermittlung widmen will. „Ich bin gern in kreativer Action, aber ich brauche auch mehr Zeit zum Lesen“, sagt sie mit Blick auf die Bücherstapel in der Wohnung, in der sie gemeinsam mit ihrem Partner lebt. Weitere Ideen für Veranstaltungen mit den Hamburger Bücherhallen warten auf Umsetzung: Ein Podcast-Workshop zum Beispiel und ein Lesezirkel „auf coole Art“. „Ich könnte mir auch vorstellen, mehr mit der Stimme zu machen. Mein „heimlicher Traum“: Im Radio den Literaturbereich aufmischen, Neues reinbringen“, verrät sie. Natürlich immer auf humorvolle, persönliche Art, die so eine gute Verbindung zwischen Menschen und zu Büchern schafft.
Tanzmannschaft: „Ich fand Performen schon immer gut. Als Sechsjährige war die Tanzmannschaft in meiner bayerischen Heimat mein erstes großes Hobby. Später in Hamburg habe ich Slam-Texte auf die Bühne gebracht. Ich habe vor wenig Angst und mag Lampenfieber.“
Fuxbooks: „Mein Buchblog ist nach meinem Spitznamen benannt: „Füchsin“ oder auch „Frau Fuchs“, weil ich ein Fuchs-Tattoo habe. Er ist kein Rudeltier, eher ein Einzelgänger. Clever und vor allem neugierig. Füchse hören auf ihre Intuition. Für mich ist er auch ein Symbol fürs Lesen.“
Reisegepäck: „Für ein weiteres Buch packe ich lieber eine Hose weniger ein. Diesen Sommer müssen unbedingt mit: „Hätte ich dein Gesicht“ von Frances Cha (übersetzt von Nicole Seifert) und „Die Lüge“ von Mikita Franko (übersetzt von Maria Rajer).“
Anne Sauer, geboren 1989 in Aschaffenburg, hat Buchwissenschaft und Philosophie (B.A.) an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz studiert. Im Anschluss volontierte sie im Verlag Hermann Schmidt in Mainz. 2014 ging sie für eine Ausbildung in Werbetext und Konzeption an die Hamburg School of Ideas. Von 2015 bis 2020 war sie in Hamburger Werbeagenturen als Texterin tätig. Seit 2017 führt sie den Bookstagram-Account @fuxbooks. Sauer gibt Buchempfehlungen in ihrem Podcast Monatslese, erarbeitet Podcast-Folgen für Verlage, macht Veranstaltungen vor Ort und im Livestream und ist freie Redakteurin für ein Büchermagazin. Außerdem arbeitet sie in der Hamburger Buchhandlung Lüders im Verkauf und im Bereich Social Media. 2021 hat sie sich als Werbetexterin und Literaturvermittlerin selbstständig gemacht.