Börsenblatt Young Excellence Award 2025

Bianca Braunshofer: Gründerin mit Mission

5. Juni 2025
Veronika Weiss

Sie hat die Buchhandlung o*books in Wien gegründet und sprudelt vor Ideen für Events und innovative Formate, die Bücher und Menschen zusammenzubringen. Dabei will sie auch eins: Sich "einmischen". Bianca Braunshofer ist für den #yeaward25 nominiert.

Bianca-Maria Braunshofer posiert vor einem Bücherregal

Bianca-Maria Braunshofer

o*books

Bei unserem Videotelefonat trägt Bianca-Maria Braunshofer gut sichtbar einen Button "Read with Pride". Und das Motto, das sie so vor sich herträgt, zieht sich durch unser ganzes Gespräch: Ihr oberstes Ziel ist, allen Menschen, gleich, welche sexuelle Identität, welches Geschlecht oder welche Herkunft sie haben, einen guten und leichten Zugang zu Büchern zu gewähren. Nicht umsonst trägt ihre Buchhandlung o*books das Sternchen im Namen. Sie liegt im neugestalteten Nordbahnviertel in der "wunderschönen, aber manchmal sehr rückwärtsgewandten Stadt Wien".

 

Visionen von einer besseren Welt und Gemeinschaft

Die Buchhändlerin, Gründerin und Co-Inhaberin Braunshofer erklärt die Vision des Teams bei o*books: "Wir haben von Anfang an versucht, die Traditionen des Buchhandels, die uns ja nicht fremd oder unsympathisch sind, zu verbinden mit einem Zeitgeist, der nach vorne blickt. Wir sind eine Grätzelbuchhandlung und schauen, dass wir die Community mit reinholen. Das sind natürlich auch Menschen, die vielleicht nicht aktiv feministisch oder queer sind – aber wir sind’s, und deswegen können wir einen Verbindungsraum herstellen, den es als Buchhandlung in Wien noch nicht so gibt." Der Fokus der Buchhandlung liege "auf feministischer, queerer, antirassistischer und inkludierender Literatur – auch ganz stark im Kinderbuchbereich. Wir sind als Expert*innenteam breit aufgestellt. Wir wollen den Leuten das Gefühl geben: Ihr seid bei uns sowohl literarisch als auch gesellschaftspolitisch gut aufgehoben. Ich glaub, dass uns das auszeichnet. Wir haben einen Raum erschaffen, der nicht nur metaphernhaft wie ein Wohnzimmer ist, er fühlt sich für viele Leute genau so an. Die sollen gerne dasitzen und lange lesen. Wir schauen nicht so drauf, wer wann was kauft."

 

Ich könnte mich nicht so austoben, wie ich’s tu, wenn nicht das Team so grandios wär!

Fokus auf Teamwork

Braunshofer hat zusammen mit ihrer Kollegin Katja Fetty 2021 o*books gegründet. Sie kannten sich bereits und hatten festgestellt, "dass wir sehr gut harmonieren und auch unter stressigsten Bedingungen toll und resistent miteinander umgehen". Katja Fettys Stärke sei das strukturierte Arbeiten samt Realitätscheck, Bianca Braunshofers Ding eher die Visionen und Ideen. Rund um die beiden wuchs das FLINTA-Team bei o*books in den vergangenen Jahren rasant an. "Ich könnte mich nicht so austoben, wie ich’s tu, wenn nicht das Team so grandios wär – und so groß, weil wir’s mittlerweile auch brauchen." Die Art, wie sie in New-Work-Strukturen zusammenarbeiten, ist – passend zum Gesamtkonzept – innovativ. Zentral sei, dass es dem Team gut gehe; alle zwei Monate gibt es einen Supervisions-Termin. "Nein, wir können es uns per se nicht leisten, aber auf lange Sicht ist das die bessere Investition und mehr wert als alles andere", sagt die Idealistin Braunshofer. Vor Kurzem waren sie alle zusammen über Nacht auf Teamklausur, haben nur zwei interne Programmpunkte besprochen, gelesen, sich besser kennengelernt, gebondet. "Ich war schon aufgeregt, sie zu fragen – außerhalb der Arbeitszeit, wer will das überhaupt?" Aber die Buchhändlerin und Chefin berichtet, dass die Resonanz überwältigend positiv war. Bestimmt wird es nicht die letzte Teamklausur gewesen sein.

 

Industrial chic

Die Modernität von o*books spiegelt sich auch in der Inneneinrichtung. Der sogenannte "Edelrohbau" wurde von einem Architekten im industrial chic gestaltet, der von Vintage-Elementen – und den bunten Büchern – gebrochen wird. Holzregale und Lastenregale mit Eichensockel wechseln sich ab. Es gibt viel Platz und Leseecken, man soll sich hier frei und willkommen fühlen, und das strahlt die großzügige Verkaufsfläche aus. Braunshofer schrieb einmal auf LinkedIn dazu: "In jedem Raum, in jedem Umfeld kann jede*r mitgestalten, ob aktiv oder passiv, beisteuern und konkret was tun, aufmerksam machen, sich einmischen, laut und leise sein, egal wie – aber wissen, dass es einen Unterschied machen kann. Mit o*books gibt‘s so einen Ort – wir haben es nicht leicht, spüren jedoch, wie notwendig die Arbeit ist!"

Ich hab' so viele Wünsche an die Buchbranche, dass ich einfach selber agieren möchte.

"Keine klassische Buchhändlerin"

Wenn sie so berichtet von diesem besonderen Ort, wo sie mit ihrem Team ganz persönliche Visionen verwirklicht, dann glaubt man es kaum, wenn sie sagt, sie hätte sich früher nicht vorstellenkönnen, eine Buchhandlung zu führen. "Das war nicht mein Traum." Wie kam das dann? Bianca-Maria Braunshofer erzählt aus ihrer Kindheit: "Meine Mutter war sehr bedacht darauf, dass wir lesen. Sie hat uns früh mitgenommen in die Bibliothek, und ich hab' mir immer zehn Bücher mitgenommen." Das Maximum also für den kleinen Bücherwurm. Die Affinität zu Sprache und Texten zeigt sich schon damals. In der Volksschule will sie bei allem, was mit Lesen zu tun hat, die Beste sein, "sodass ich natürlich auch die Streberin der Klasse war und klassisch nerdig". Sie lässt immer alle abschreiben. Auch ihre Tante Mizzi, die Germanistin ist, prägt sie sehr; Gespräche über feministische Texte sind an der Tagesordnung.

Bianca Braunshofer besucht eine höhere bildende Schule, wo sie zur Diplomierten Sozialpädagogin ausgebildet wird (einem Studium in Deutschland gleichgestellt). Das Lesen ist nach wie vor das Wichtigste für sie. Auf Fotos sieht man sie sehr oft mit einem Buch in der Hand, und in der Maturazeitung steht: "Die Bibi kannst du immer fragen, was in der letzten Deutschstunde passiert ist, und sie wird dir die perfekte Antwort geben." Sie kann sich auch vorstellen, Deutschlehrerin oder Schauspielerin zu werden.

 

Einfach ausprobieren

Vieles, was mit Texten zu tun hat, probiert sie aus: als Infoscreen-Redakteurin, macht in der Schweiz beim Unionsverlag und dem Verlag "die brotsuppe" so gut wie alles (außer Herstellung, betont sie). Weitere Stationen sind Springer Science in Indien, dann die "Perlen-Reihe" und das Buchkontor in Wien. Am wohlsten fühlt sich Bianca Braunshofer, wenn sie eigenständig arbeitet. "Manche würden sagen: Autoritätsprobleme. Ich sag aber, ich hab so viele Wünsche an die Buchbranche, dass ich einfach selber agieren möchte." Sie macht sich 2017 als Korrektorin, Lektorin und Texterin selbstständig und korrigiert auch heute noch nebenbei.

Seit sie bei der "Perlen-Reihe" im 15. Wiener Gemeindebezirk immer öfter in den Verkaufsraum der angeschlossenen Buchhandlung geschickt wurde, hat sich eben doch ein Traum in ihr festgesetzt. Und 2018 wird ihr dort eine Stelle als Buchhändlerin angeboten. Sie darf Bücher an die Leute bringen, auch intensiv über Social Media. "Ich könnt keine klassische Buchhändlerin sein, die Warenübernahme macht und dann einsortiert und berät – da würd' ich ganz traurig werden. Ich bin eher eine Entwicklerin und habe neue Ideen."

 

Ich könnt keine klassische Buchhändlerin sein, die Warenübernahme macht und dann einsortiert und berät – da würd' ich ganz traurig werden!

Das Bookoskop, die Lesehündin und mehr

Eine ihrer besten, die wirklich eingeschlagen hat, ist das Bookoskop. Im "Falter" formulierte Christina Vettorazzi: "Bianca-Maria Braunshofer ist Wiens Bookoskop. Sie liest Menschen wie Bücher und sagt ihnen ihre literarische Zukunft voraus." Auf der Webseite von o*books wird das Bookoskop so beschrieben: "Wir haben ein System entwickelt, das dir etwas über deine Persönlichkeit anhand deiner ‚Lieblingsbücher‘ erzählt, mit ein bisschen Magic Moment aber auch Augenzwinkern. Das Beste daran: Du erhältst auf diese Analyse zugeschnitten deine next read Empfehlungen!"

Ein genialer Einfall. "Der sozialpädagogische Hintergrund und mein Zugang zu Menschen, die Art der Kommunikation, die man in sozialen Berufen lernt – all das vereint sich bei dieser Art von ‚Book-Coaching‘. Aber das machen so viele Buchhändlerinnen einfach bei fast jedem Gespräch", bleibt Bianca Braunshofer bescheiden. Ein paarmal hat sie es schon live gemacht: Sie "scannt" dann kurz und gibt direkt das Bookoskop raus. Was von den Leuten zurückkam, sei immer berührend gewesen, manche hätten sogar geweint. "Das machen die Bücher. Die sagen einfach so viel aus über Menschen."

Und es gibt noch mehr Pläne für o*books: Demnächst soll ein Podcast mit den literarischen Konversationen starten, die das Team sowieso führt. Buchevents und -partys werden sowieso gern veranstaltet. "Oft enden unsere Präsentationen in der Buchhandlung mit Karaoke, ganz legendär." Auch zwei Kinderlesenächte hat es schon gegeben, es sollen weitere folgen – dazu aufgrund der anhaltenden Nachfrage auch eine "Elternlesenacht".

Bianca Braunshofers Hündin Gigi ist Therapiehündin und kommt täglich mit in die Buchhandlung. Momentan wird sie zur Lesetherapiehündin ausgebildet. "Ich glaube, wir sind die erste Buchhandlung Österreichs, die einen Lesehund hat, den man auch buchen kann", erzählt sie. "Zusammen mit meiner sozialpädagogischen Grundausbildung gehen da mehrere Leidenschaften zusammen." Man sei noch auf der Suche nach Förderungen, um das niederschwellig anbieten zu können, "weil wir uns diese Inklusivität schon auf die Fahnen schreiben". Auch für Kinder mit Migrationshintergrund etwa, damit die es dann in der Schule leichter haben. Das sei der Traum, sagt Bianca Braunshofer.

Gemeinsam was bewegen

Communitybuilding ist ihre Mission, online wie offline und auch im Fernsehen. Gemeinsam mit Nicole List [Anm. d. Redaktion: ebenfalls für den #yeaward25 nominiert, Porträt erscheint am 16. Juni] hat sie die Buchempfehlungen beim Puls4-Frühstücksfernsehen "geerbt" – von der Branchengröße Rotraut Schöberl, die einmal ganz treffend sagte, die Buchhandlung List sei Paris, das o*books New York. Tatsächlich ist die Reichweite von o*books groß, gerade über Instagram. Die Grätzelbuchhandlung [Anm. d. Redaktion: umgangssprachlich für Kiez / Block] wirkt nicht nur im eigenen Viertel, sondern strahlt etwas Mondänes aus: "Manchmal kommen Leute aus Berlin oder Zürich für ein paar Tage nach Wien, und wir sind dann ein Fixpunkt – das finde ich toll."

Kurzvita

Bianca-Maria Braunshofer
2005-2013 Studium Germanistik an der Universität Wien
2008-2011 Infoscreen (Wien) – Redakteurin
2014 Verlag die brotsuppe (Schweiz) – Praktikantin
2014-2015 Verlag Perlen-Reihe (Wien) – Praktikantin, Freie Mitarbeiterin
2015 Springer Science (Indien) – Projektmanagerin Books
2016 Unionsverlag (Zürich) – Lektoratsassistenz, E-Book-Betreuung
2014-2021 Buchkontor (Wien) – PR, Marketing, Conten, Social Media, Events (Teilzeit)
Seit 2017 Bianca Mangata Korrektorin, Lektorin, Texterin
Seit 2022 Gründerin o*books (Wien)

 

Über den Börsenblatt Young Excellence Award 

Der Börsenblatt Young Excellence Award ehrt herausragende Persönlichkeiten bis 39 Jahre, die in der Buchbranche etwas bewegen – sei es in einer Buchhandlung, im Verlag, bei einem Dienstleistungsunternehmen oder in Selbständigkeit. Das Fachmagazin Börsenblatt vergibt die Auszeichnung zusammen mit den Unternehmen der Börsenvereinsgruppe: Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Frankfurter Buchmesse, Mediacampus Frankfurt und MVB. Die future!publish unterstützt den #yeaward25 als Partner. 10 Young Professionals sind nominiert: www.young-excellence-award.de