Die Geschichte der Buchhandlung Felix Jud

"Ohne sie würde ich verhungern"

21. Juni 2018
von Stefan Hauck
Geschichte besteht aus Geschichten: Zum 95. Geburtstag der Buchhandlung Felix Jud erscheint ein reich bebilderter Band.

Immer wieder haben die Mitarbeiter der Hamburger Buchhandlung Felix Jud ein reges Interesse an der Geschichte des Hauses feststellen können – Jud ist in Hamburg eben eine Institution. So hatte Wilfried Weber, seit 1962 bei Felix Jud angestellt und später auch dessen Nachfolger, eine Publikation konzipiert, die den Buch- und Kunsthandel als "geistigen Raum" und Ort des Dialogs versteht.

Nach Webers Tod hat Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses in Hamburg, den Faden weitergesponnen – jetzt ist sein Buch "Die Fütterung der Schlangen geschah vor der Buchhandlung" erschienen. Als sich 1923 Felix Jud und Erna Kracht, beide Mitarbeiter der Hamburger Buchhandlung Blencke, mit 5.000 Mark Startkapital selbstständig machten, waren die Zeiten schwierig: Während der Inflation ließen die Kunden anschreiben. "Ich machte zwar Umsätze, nahm aber praktisch kein Geld ein", erinnerte sich Jud. Die beiden Sortimenter hielten tapfer durch, "zwischen damals und heute liegen viele trockene Brötchen", resümierte Jud 1983. Schon bald freundete sich Jud mit Verlegern wie Samuel Fischer, Ernst Rowohlt und Hermann Ullstein an.

Rainer Moritz zeichnet auch Juds Widerstand in der NS-Zeit nach, wo er verbotene Literatur vorrätig hielt und subversiv agierte, etwa als er 1935 zu Hitlers Geburtstag um ein Illustriertenbild des Diktators 20 Exemplare des Südsee-Reiseberichts "Heitere Tage mit braunen Menschen" dekorierte. Er schloss sich dem Hamburger Zweig der Weißen Rose an, wurde 1943 inhaftiert und ins KZ deportiert – eine dunkle Zeit, doch er überlebte.

Der Wiederaufbau nach dem Krieg und Juds Rolle im Hamburger Kulturleben wie im Norddeutschen Buchhändler- und Verlegerverband werden im Buch lebendig beschrieben und mit vielfältigen Bild- und Text­dokumenten gestützt, darunter ein ­ironisch-witziger Geburtstagsglückwunsch von Axel Springer. Viele Zeugnisse dokumentieren zudem das Wirken von Wilfried Weber und der heutigen Inhaberin Marina Krauth.

Nicht zuletzt ist das reich bebilderte Werk ein Who is who aus Politik und Kultur: Die großen Namen waren alle hier. Einige von ihnen, wie Reinhold Beckmann, Volker Gerhardt, Karl Lagerfeld und Felicitas von Lovenberg, haben ihre Erinnerungen beigesteuert. Lagerfeld sagt über die Buchhandlung, die er regelmäßig besucht: "Sie ist mein intellektuelles Delikatessengeschäft, und ohne sie würde ich verhungern." Gibt es ein schöneres Lob?