Azur-Verleger Pfannenschmidt zur Übernahme durch Voland & Quist

"Wir ergänzen uns perfekt"

30. August 2019
von Börsenblatt
Die edition AZUR rückt − wie berichtet − ab 2020 unter das Dach von Voland & Quist. Verleger Helge Pfannenschmidt erklärt im Gespräch mit Börsenblatt Online, was er sich von diesem Schritt erhofft.

Sie sprechen in Ihrem Blog von einer "Liebesheirat". Dazu fällt mir ein Satz von Klaus Wagenbach ein: "Kleinere unabhängige Verleger sind geborene Singles." Was stimmt nun?
Ich habe das Single-Dasein in Verlagsform jetzt 15 Jahre ausprobiert. Es hat sicher viele schöne Seiten gehabt. Aber, um im Bild zu bleiben: Ich sehne mich jetzt eher nach einer festen Beziehung. 

Was hat Sie zu der jetzt getroffenen Entscheidung geführt?
Ich fühlte mich die letzten Jahre in einer Zwischen-Größe gefangen. Auf der einen Seite wird es immer schwieriger, eine professionelle Infrastruktur zu bezahlen, wenn man ein kleiner, genuin literarischer Verlag ist. Es gibt verschiedenste Modelle, ohne diese Infrastruktur auszukommen, wie man etwa bei der Parasitenpresse, Roughbooks oder Hochroth sehen kann. Meine Lösung ist nun, eine bestehende Infrastruktur mit zu nutzen. Ich habe schon länger nach jemandem Ausschau gehalten, mit dem ich den Verlag vielleicht zusammen wuppen könnte. Ich habe dabei immer nur Leute getroffen, die dieselben Stärken haben. Hier ist es so, dass wir uns perfekt ergänzen. Bei Voland & & Quist gibt es viel Know-how in Bereichen, wo ich bisher Defizite hatte: z. B. Vertrieb, Lizenzen und Booking. Ich sehe meine Stärken in der inhaltlichen Arbeit − und bin froh, dass ich mich in der neuen Konstellation darauf konzentrieren kann. 

Wie läuft das Zusammengehen konkret?
Voland & Quist übernimmt die Buchbestände der Backlist und hält sie lieferbar, was dadurch erleichtert wird, dass wir bei derselben Auslieferung sind, der GVA. Edition Azur bleibt als Label und als Idee erhalten, nicht als eigenständiges Wirtschaftsunternehmen. Es wird in der nächsten Voland & Quist-Vorschau zwei, drei Doppelseiten zur Edition Azur geben; ich werde weiterhin die gesamte inhaltliche Arbeit machen und dazu sicher auch Lektoratsaufgaben für Voland & Quist übernehmen. Die Website, die Social Media-Kanäle der Edition bleiben erhalten. Ich erhoffe mir natürlich vor allem durch den Anschluss an den Vertrieb von Voland & Quist eine stärkere Präsenz im Buchhandel. Dort sichtbar zu sein, ist für Verlage unserer Größenordnung ja das Schwierigste. Auch ein Auftritt zur Frankfurter Buchmesse stand bislang nie zur Debatte. Das alles wird den Büchern, die ich mache, helfen. Voland & Quist ist ein Publikumsverlag − und was gibt es Wichtigeres für Lyrik als ein möglichst großes Publikum?

Das klingt gut. Was passiert, wenn der Honeymoon an ein Ende kommt und es mal ordentlich kracht? Wir kennen uns über zehn Jahre und haben zum Beispiel beim Festival "Literatur JETZT!", das wir beide mitorganisieren, auch schwierige Situationen gemeistert. Zum anderen gibt es im Vertrag auch eine Ausstiegs-Klausel für beide Seiten für den unwahrscheinlichen Fall, dass es doch völlig anders läuft als erhofft. Wir haben uns sozusagen eine Probezeit eingeräumt (lacht). Es ist ein Abenteuer. Aber wir wissen andererseits ganz gut, worauf wir uns einlassen.

Wer seinen Beruf mit so viel Leidenschaft ausübt, ist oft auf narzistische Befriedigung angewiesen. Traurig, dass nun vielleicht kein Kurt-Wolff-Preis winkt?
Das schmerzt mich nicht. Wer in diesem Bereich tätig ist, sollte sich von der Erwartung freimachen, dass irgendwann die große Belohnung winkt. Man macht es, weil man’s machen will, oder man lässt es. Ich habe in den letzten 15 Jahren 60 Büchern den Weg geebnet, das waren hochgerechnet 8.000 Stunden Verlagsarbeit. Jetzt freue mich auf die neue Wegstrecke, den neuen Voland & Quist Verlag. Wenn wir damit Erfolg haben, bin ich rundum zufrieden.