Lieferservice im Buchhandel

"Wir sind plötzlich in die Situation eines Logistikers versetzt"

24. März 2020
von Börsenblatt

Im Buchhandel rollt der Lieferservice: Viele Sortimenter*innen berichten, dass ihr Telefon nicht stillsteht - und die Kunden kräftig ordern. Wie stemmen sie den Aufwand? Und wie halten sie es mit den Portokosten? Antworten aus Buchhandlungen, die ihre Ladentür zwar geschlossen haben, aber trotzdem für die Kunden da sind.

Elke Böttcher, Buchhandlung Bolland & Böttcher, Düsseldorf

Wie ist die Resonanz auf den Lieferservice? "Auch wenn die Ladentür geschlossen ist, stecken wir gerade knietief im Tagesgeschäft - weil so viele Kunden per Mail, Telefon oder Webshop bei uns bestellen. Für diese Resonanz und Unterstützung sind wir unseren Kunden unendlich dankbar. Die Umsatzverluste aus dem stationären Geschäft werden dadurch natürlich nur zum Teil aufgefangen. Hinzu kommt, dass die Abwicklung der Aufträge deutlich aufwendiger ist als der Verkauf an der Ladentheke und wir das Ganze bei normalen Personaleinsatz stemmen müssen."

Wo bessern Sie nach? "Am Anfang haben wir die Bestellungen noch auf Rechnung ausgegeben, doch das können wir in diesem Umfang jetzt gar nicht mehr leisten. Inzwischen bieten wir Vorkasse und Zahlung per Paypal an."

Berechnen Sie Versandkosten? "In unserem Stadtteil liefern wir kostenlos aus – und haben dafür extra einen Studenten engagiert. Ansonsten berechnen wir Portokosten. Wir sind plötzlich in die Situation eines Logistikers versetzt. Sehr gefragt sind im Moment Schulbücher und Lernhilfen. Gute Kunden werben in ihren Whatsapp-Gruppen für unseren Bestellservice. Und in jedes Paket, das wir ausliefern oder versenden, stecken wir das MVB-Kundenmagazin "Buchjournal", das wir gerade nachbestellt haben. Damit schicken wir den Kundinnen und Kunden weitere Lesetipps ins Haus. Dafür lieben uns unsere Kunden. Ab morgen finden wir hoffentlich auch wieder mehr Zeit die sozialen Medien zu bedienen, um uns dort den Kunden zu präsentieren."

Patrick Musial, Buchhandlung Musial, Recklinghausen

Wie ist die Resonanz? "Die Kunden nehmen unseren Lieferservice gut an, die Nachfrage ist höher als ich vergangene Woche gedacht hätte. Es wird sich zeigen, in wie weit diese Umsätze das Ladengeschäft kompensieren können – ein kompletter Ausgleich ist sicher nicht möglich. Ich würde vorsichtig geschätzt und mit Blick auf die Rechnungssummen von letzter Woche sagen, dass es etwa 50 Prozent des sonstigen Umsatzes sind. Was wegfällt, sind natürlich die Belieferung der Bildungseinrichtungen, viele andere gewerbliche Bestellungen, Geschenke für Belegschaften. Und: Der Arbeitsaufwand ist deutlich höher. Man muss die Sachen versandfertig machen oder ausliefern, das ist mehr Arbeit als Bücher auszupacken und ins Regal zu stellen. Ohne die Hilfe unseres Sohnes, der sich einbringt, wären wir da schon an unsere Grenzen gekommen."

Wo bessern Sie nach? "Wir sind täglich dabei, zu optimieren, auch um den steten Nachschub an Verpackungsmaterialien müssen wir uns kümmern. Wir arbeiten an effektiverer Routenplanung, planen etwa, tageweise in bestimmte Stadtviertel auszuliefern – das ist in diesem Umfang noch Neuland für uns und wir sind dabei, hier nachzubessern.

Wichtig dafür ist aber auch, dass wir innerhalb der Branche unsere Kommunikation an die Endkunden ändern: Wir müssen von der Sprachregelung wegkommen, dass die Buchhandlungen geschlossen sind. Buchhandlungen sind weiterhin geöffnet, nur die Ladentüren sind geschlossen."

Berechnen Sie Versandkosten? "Ich denke, dass wir bei kleineren Bestellungen Versandkosten erheben müssen. Einige Kunden haben schon mehr überwiesen als die Höhe des Rechnungsbetrags, um den Lieferservice zu honorieren. Wir glauben nicht, dass wir unsere Kunden damit verlieren. Lieferbezirke, die wir mit dem Rad erreichen können, werden wir weiterhin so beliefern. Im weiteren Umfeld können wir, denke ich, Portokosten in Rechnung stellen. Denn das A und O ist, dass wir den Service wirtschaftlich betreiben können. Das Thema werden wir als nächstes angehen."

Sophie von Lenthe, Buchhandlung Isartal, Pullach und Ebenhausen

Wie ist die Resonanz? "Natürlich machen wir nicht den Umsatz, den wir sonst haben. Zusätzlich bricht uns das komplette Non-Book-Bereich weg. Allerdings sind am vergangenen Wochenende online zehn Mal so viele Bestellungen eingegangen wie sonst. Für den Buchhandel steckt in der Krise auch eine Chance - vor allem weil Amazon das Buch hinten an gestellt hat. Zwei Mitarbeiterinnen sind in den Filialen und bearbeiten dort die Bestellungen, ich kümmere mich seit zwei Tagen nur um die Bestellungen aus dem Online-Shop. Ich habe schon immer sehr viel Wert darauf gelegt, auch über den Online-Shop Kunden zu binden. Das zahlt sich jetzt aus."

Wie organisieren Sie den Lieferservice? "Zum Glück können wir bei unserem Online-Shop-Modell von KNV angeben, ob wir die Bücher selbst ausliefern oder über KNV postalisch ausliefern lassen. Mit dem eigenen Lieferdienst können wir Kosten sparen. Im Radius von 30 Kilometern liefern wir mit Hilfe des Elektrorads aus, das gilt auch für die Pendelstrecken zwischen unseren beiden Filialen. Wir versuchen, den Lieferservice möglichst ökologisch zu halten. Wir sagen den Kunden direkt, dass sie das Buch nicht unbedingt am nächsten Tag bekommen – dass wir keine zehn Kilometer für ein einzelnes Buch fahren, sondern unsere Tour lieber übermorgen mit mehr Büchern machen. Für die allermeisten Kunden ist das überhaupt kein Problem. Ich hoffe nur, dass die Barsortimente dem Ansturm gewachsen sind und weiter liefern können."

Berechnen Sie Versandkosten? "Im Augenblick finde ich die Kundenbindung wichtiger, wir müssen unsere Arbeit gut machen und die Kunden zufrieden stellen. Gerade jetzt Versandkosten zu erheben, nachdem wir jahrelang keine verlangt haben – das ist für mich nicht das Thema der Stunde. Wir alle müssen jetzt solidarisch sein."

Daniela Dombrowsky, Buchhandlung Dombrowsky, Regensburg

Wie ist die Resonanz? "Uns schlägt gerade eine wunderbare Welle der Solidarität entgegen, die Kunden vermissen uns und sagen 'Sie fehlen uns so'. Selbst außerhalb von Regensburg bestellen Leute, weil sie unsere Buchhandlung jetzt unterstützen wollen. Das tut einfach gut. Kunden bestellen auch vermehrt Gutscheine, weil sie wissen, dass es uns kleine Reserven auf dem strapazierten Bankkonto verschafft."

Wie organisieren Sie den Lieferservice? "Wir besprechen mit den Kunden am Telefon, dass wir die Bücherpäckchen vor die Tür legen, klingeln und weggehen. So findet kein direkter Kundenkontakt statt."

Berechnen Sie Versandkosten? "Was die Buchhandlung verschickt, wird auch berechnet: Die Krise hat uns dazu gezwungen, generell erst mal Porto einzukalkulieren. Und einige Kunden ermutigen uns sogar dazu."

Stefanie Bellroth, Buchhandlung BiNO, Nieder-Olm:

Wie ist die Resonanz? „Gut, an den Vormittagen tut sich eine Menge. Stammkunden und auch der ein oder andere Neukunde bestellten über den Webshop, telefonisch oder per Mail. Am ersten Schließungstag schon ging es auf Liefertour durch die Verbandsgemeinde, 31 Buchlieferungen zugestellt.“

Wie organisieren Sie den Lieferservice? „Mitinhaberin Lisa Seufert und ich wechseln uns beim ‚Innendienst‘ im Laden und dem Lieferservice ab, das Team ist ja zuhause.“

Berechnen Sie Versandkosten? „Wir haben unseren Webshop auf versandkostenfreie Lieferung auch für Sendungen mit einem Warenwert unter 20 Euro umgestellt, vor der Schließung berechneten wir für kleinere Sendungen Porto. Aber nun soll die Bestellung für Kunden so komfortabel wie möglich sein!“