Bayerischer Rundfunk

"Lido" und "Lesezeichen" – Zukunft ist ungewiss

4. August 2015
von Börsenblatt
Nicht nur die Literatursendungen "Lido" und "LeseZeichen" stehen auf dem Prüfstand: Am vergangenen Donnerstag tagte der Rundfunkrat zur Umstrukturierung des Bayerischen Rundfunks. Die Sendeanstalt muss strikte Sparmaßnahmen umsetzen, noch dringender ist dem Gremium zufolge aber eine Umgestaltung des Programms, um jüngere Zielgruppen zu erreichen.

Die Programmschemareform hält der Bayerische Rundfunk für unbedingt erforderlich. Da alle einen Rundfunkbeitrag leisten, müssten auch allen Alters- und Gesellschaftsgruppen Inhalte geboten und Zielgruppen erreicht werden, so die Logik der Reform. "Das Bayerische Fernsehen ist inzwischen allerdings das älteste Fernsehprogramm Deutschlands – 66 Jahre ist der Altersschnitt der Zuschauer. Wir erreichen unser jüngeres Publikum nicht mehr", so BR-Intendant Ulrich Wilhelm auf einer Sondersitzung des BR Rundfunkrats vergangenen Donnerstag. BR-Intendant Ulrich Wilhelm betonte, dass die Schemareform weder zur Quotenmaximierung noch aus Spargründen angestoßen worden sei. Kein Geheimnis hingegen ist, dass der Sender allein im nächsten Jahr 22 Millionen Euro einsparen und seine Ausgaben um fünf Prozent drosseln muss. Gleichzeitig soll der Stein der Weisen gefunden werden, um das Programm und Zuschauer zu verjüngen.

Wie dieses Ansprechen jüngerer Zielgruppen − vor allem im Alter von 35 bis 55 − aussehen könnte, darüber hatten die Verantwortlichen Anfang Juli in einer ganztägigen Klausur mit dem Fernsehausschuss des Rundfunkrats bereits diskutiert. In diesem Zusammenhang sollen auch, so die Befürchtung der Redakteure und Kulturschaffenden, die letzten beiden Literatursendungen, "Lido" und "LeseZeichen", aus dem Programm genommen werden.

"Die Programmschemareform befindet sich derzeit noch in einem Abstimmungsprozess. Es sind noch keine Entscheidung über einzelne Sendungen gefallen. Wichtig sind dem Bayerischen Rundfunk eine größere thematische Vielfalt, veränderte Formate und eine modernere Machart", teilt der Sender auf Anfrage von boersenblatt.net mit. BR-Intendant Ulrich Wilhelm machte auf der Sitzung des Rundfunkrats klar, dass der Literatur nicht nur ein fester Platz eingeräumt wird, sondern noch mehr Gewichtung im Programm erfahren wird. "Es ist abwegig und eine völlig verfehlte Annahme, der BR würde die Literatur im Fernsehen abschaffen. Wir wollen die Literaturberichterstattung ausweiten".

Fernsehdirektorin Bettina Reitz erklärte, dass es derzeit nur darum gehe, zu prüfen, ob die Sendungen in der jetzigen Form noch geeignet seien, Literatur zu vermitteln. Man wolle in Zukunft breiter über Literatur berichten, zum Beispiel über Literaturfestivals, und dies auch auf anderen Sendeflächen, so Reitz.

Indes scheint sich abzuzeichnen, dass keinesfalls beide Sendungen einen festen Sendeplatz behalten dürften: Das "LeseZeichen" erreicht bayernweit im Schnitt 50.000 Zuschauer (Marktanteil 2,9 Prozent), bei "Lido" sind es 90.000 Zuschauer (3,1 Prozent). Angesichts dieser Quoten scheint sich abzuzeichnen, dass der Sender lieber über Poetry Slam und Veranstaltungen berichten will und Literatur in Häppchenformat in andere Formate integrieren will − statt jede Woche das "LeseZeichen" zu senden. Vor allem der interne Klärungsbedarf scheint derzeit noch hoch – denn noch muss die Frage geklärt werden, wie die Redaktionen unstrukturiert werden und mit anderen Sendern, auch aus dem Hörfunk, kooperieren können, um Gelder zu sparen. Die Literaturangebote sollen künftig auch online stärker gebündelt werden, heißt es aus München.

Eine Petition gegen die Streichung der Literatursendungen unterzeichneten 6.200 Menschen.

Aus dem Archiv: Bayerisches Fernsehen will bei Literatursendungen sparen