Klaus Kluge, Vorstand der Bastei Lübbe AG:
"Die inkriminierte Amazon-Aktion reiht sich ein in vergleichbare Aktionen, die unser Haus in den zurückliegenden Wochen auch mit anderen Handelspartnern, etwa der tolino-Allianz, gemacht hat. Und die wesentlicher Bestandteil des Digitalen Marketing ist. Fünf Ziele verfolgen wir mit solchen zeitlich stets eng begrenzten Aktionen:
1. Neue Leser: Wir wollen den Kreis der Leser erweitern, neue Leser an altbewährte Stoffe heranführen.
2. Aktivierung der Backlist: Hohe Sichtbarkeit – in diesem Fall auf der Startseite von Amazon – führt zu hoher Nachfrage. Flächendeckend und kanalübergreifend, digital wie stationär.
3. Autorenpflege: Es ist unsere Pflicht den Autoren gegenüber, sie bestmöglich am Markt zu platzieren. Und es ist unsere Aufgabe als Unternehmer, die gerade bei Top-Autoren substanziellen Vorschüsse so weit als möglich einzuspielen.
4. Rentabilität: Die den Marktgegebenheiten geschuldete Realität, dass der Handel immer schneller remittiert, um teure Ladenflächen rentabel zu halten, fordert vom Verlag ein kreatives "Durchdeklinieren" vorhandener Stoffrechte, will man Autor und Werk nicht verlieren. Die anstehende Änderung des Urherbergesetzes wird uns zwingen, hier noch aktiver zu werden.
5. Gesunder Wettbewerb – am Ende entscheidet der Kunde: Die Chance auf gemeinsames Wachstum in einem stagnierenden Markt kann unseres Erachtens nur im Miteinander aller Handelspartner funktioniert. Mit jeweils individuellen Vermarktungskonzepten, die idealerweise aufeinander einzahlen. Und mit Blick auf die Bedürfnisse des Lesers. Unsere Aufgabe sehen wir darin, für die bestmögliche Sichtbarkeit des Buches und seines Urhebers Sorge zu tragen. Wo der Kauf stattfindet, wo sich der Kunde am besten aufgehoben fühlt, entscheidet allein er.
Persönliche Anmerkung: "Illuminati" erschien 2003. Es liegt mittlerweile in der 48. Auflage vor mit rund 3,4 Millionen verkauften Exemplaren. Wer jetzt dank der Amazon-Werbung den Erstzugriff wagt, dürfte ein klassischer Neukunde sein, niemand also, der dem Buchhandel verloren ginge. Sehen wir es als Chance, solche Erstleser für das Buch zu begeistern. Zum Nutzen aller."
Michael Riethmüller, RavensBuch (Ravensburg):
"Bastei Lübbe hat einfach nichts verstanden – weder, vor welcher Konkurrenz das stationäre Sortiment aktuell steht und welche Sorgen die Buchhändler umtreiben, noch, wie weitreichend die Folgen dieser Aktion für die gesamte Buchbranche sind. Wer mit Amazon eine Woche lang Dan Browns Bestseller "Illuminati" verschenkt, fördert die Attraktivität von Amazon und bindet über die heruntergeladene App neue Nutzer. Schließlich zahlt der Käufer mit seinen Daten. Ein Geschäft, das Folgen hat und weitere E-Book-Käufe nach sich ziehen soll. Das geht gar nicht! Mit einer solchen Aktion brüskiert Bastei Lübbe den Sortimentsbuchhandel.
Dass Amazon für viele Verlage der wichtigste Kunde ist, damit können wir Buchhändler umgehen, wir agieren ja nicht im Wünschdirwas. Auch dass Verlage mit Filialisten wie Hugendubel Sonderaktionen machen, ist in Ordnung, das ist Bestandteil des normalen Wettbewerbs. Herr Kluge müsste doch inzwischen wissen, dass die Strategie von Amazon darauf abzielt, Verlage und Buchhandlungen überflüssig zu machen. Liest man bei Bastei Lübbe keine Zeitungen? Nachhaltiges Denken und Handeln sieht jedenfalls anders aus!
Unsere zwei Buchhandlungen ziehen daraus Konsequenzen: Wir haben am Montag den Vertreterbesuch abgesagt und sämtliche Vormerkungen der Lübbe-Gruppe storniert, es wird keine Novitätenaufträge geben. Auch Backlist-Bestellungen werden wir nicht mehr tätigen, an "Lübbe go" werden wir uns nicht mehr beteiligen. Die Titel der Verlagsgruppe bis hin zu "Greg" sind in unseren Läden in die Regale gewandert und werden nicht mehr präsentiert. Die wenigen wirklich wichtigen Titel der Verlagsgruppe werden wir künftig beim Barsortiment ordern. Solange sich Bastei Lübbe nicht bewegt, werden wir die Umsätze durch Bücher anderer Verlage ersetzen – das geht gut."
Unternehmensstrategisch ist Lübbes Aktion ebenso nachvollziehbar wie die konsequente buy-local-Antwort.
Die eierlegende Wollmilchsau (so wie Lübbe sie sieht), die gibt es eben nicht - da darf ein jeder (Verlag oder Sortiment) frei entscheiden, auf welches Pferd er setzt und seine Handelsbeziehungen überdenken.
Ich denke, dass Lübbe trotz aller Schwurbelei in Richtung Sortiment recht klar ist, in welche generelle Richtung das dortige Pferd laufen soll...
Noch Fragen? Austauschbare Produkte und Programme sind ersetzbar
Allerdings sollte man auch mal aus der „Amazon ist ja so böse“-Starre aufwachen und nicht immer nur gleich reflexartig reagieren. Das bringt nicht nur wenig, sondern ist i.d.R. auch nicht wirklich durchdacht, wie man auch an der Aussage von Herrn Riethmüller sehen kann.
Was passiert wohl, Herr Riethmüller, wenn die Kunden das Lübbe-Buch X _NICHT_ im Laden bekommen? Da sieht doch Nachhaltiges Denken und Handeln anders aus! Das ist der Kunde, den man an Amazon verloren hat. Das ist der Kunde, der bis zu dem Zeitpunkt überhaupt noch in den Buchladen gekommen ist. Das ist der Kunde, dem eindrucksvoll vor Augen geführt wurde, warum der lokale Handel überflüssig ist / wird.
Das ist das sehr viel bedeutendere Geschäft mit Folgen. Einer Folge, die der Buchhandel auch 2016 noch nicht verstanden hat. Wie sehr der Handel in einer Wünschdirwas-Welt lebt sieht man auch sehr eindrucksvoll, wenn andere / ähnliche Aktionen als OK bzw. normaler Wettbewerb gesehen werden und bei Amazon holt man dann Forke & Heugabel raus.
Insgesamt wäre die Energie wohl doch besser da investiert, wo es einen Vorteil für den Buchkäufer im Laden hat und nicht, wo man mit den typischen Gejammer und Reflexreaktionen die Leute noch mehr zu Onlinehändlern bzw. Amazon schickt. Da sägt der kurzsichtige Händler doch nur am eigenen Ast und wundert sich dann, warum es bergab geht.
Ob das bei einem 12 (oder 13?) Jahre alten Buch, das temporär als eBook verschenkt wird gerechtfertigt ist, wage ich zu bezweifeln. Die Aussage "Wir brauchen euch nicht, wir kompensieren den Umsatz mit anderen Verlagen" ist arg zweifelhaft und wird wohl eher belächelt werden, also Angstschweiß zu erzeugen.
Den Effekt, den @Sabine beschrieben hat, wird man nachhaltig nur sehr schwer wieder gerade biegen können, Kunden verlieren geht ganz schnell, sie wieder zu bekommen, dauert 10x länger.
So sehr ich auch verstehe, daß eine Reaktion folgen musste, so sehr verstehe ich die Art und Weise überhaupt nicht. Das sieht eher nach Kurzschluß, über Ziel hinaus geschossen, kurzsichtig und Knieschuß aus.