Lübbe und Amazon verschenken Dan Brown

Ein Pro und Contra: Klaus Kluge vs. Michael Riethmüller

12. Januar 2016
von Börsenblatt
Vom 8. Januar bis zum 14. Januar verschenken Bastei Lübbe und Amazon das E-Book von Dan Browns Bestseller "Illuminati". Ist das eine Segen oder ein Fluch für den stationären Buchhandel? Ein Pro und Contra von Klaus Kluge, Vorstand von Bastei Lübbe, und Michael Riethmüller, Buchhandlung RavensBuch.

Klaus Kluge, Vorstand der Bastei Lübbe AG:

"Die inkriminierte Amazon-Aktion reiht sich ein in vergleichbare Aktionen, die unser Haus in den zurückliegenden Wochen auch mit anderen Handelspartnern, etwa der tolino-Allianz, gemacht hat. Und die wesentlicher Bestandteil des Digitalen Marketing ist. Fünf Ziele verfolgen wir mit solchen zeitlich stets eng begrenzten Aktionen:

1. Neue Leser: Wir wollen den Kreis der Leser erweitern, neue Leser an altbewährte Stoffe heranführen. 

2. Aktivierung der Backlist: Hohe Sichtbarkeit – in diesem Fall auf der Startseite von Amazon – führt zu hoher Nachfrage. Flächendeckend und kanalübergreifend, digital wie stationär.

3. Autorenpflege: Es ist unsere Pflicht den Autoren gegenüber, sie bestmöglich am Markt zu platzieren. Und es ist unsere Aufgabe als Unternehmer, die gerade bei Top-Autoren substanziellen Vorschüsse so weit als möglich einzuspielen. 

4. Rentabilität: Die den Marktgegebenheiten geschuldete Realität, dass der Handel immer schneller remittiert, um teure Ladenflächen rentabel zu halten, fordert vom Verlag ein kreatives "Durchdeklinieren" vorhandener Stoffrechte, will man Autor und Werk nicht verlieren. Die anstehende Änderung des Urherbergesetzes wird uns zwingen, hier noch aktiver zu werden.

5. Gesunder Wettbewerb – am Ende entscheidet der Kunde: Die Chance auf gemeinsames Wachstum in einem stagnierenden Markt kann unseres Erachtens nur im Miteinander aller Handelspartner funktioniert. Mit jeweils individuellen Vermarktungskonzepten, die idealerweise aufeinander einzahlen. Und mit Blick auf die Bedürfnisse des Lesers. Unsere Aufgabe sehen wir darin, für die bestmögliche Sichtbarkeit des Buches und seines Urhebers Sorge zu tragen. Wo der Kauf stattfindet, wo sich der Kunde am besten aufgehoben fühlt, entscheidet allein er. 

Persönliche Anmerkung: "Illuminati" erschien 2003. Es liegt mittlerweile in der 48. Auflage vor mit rund 3,4 Millionen verkauften Exemplaren. Wer jetzt dank der Amazon-Werbung den Erstzugriff wagt, dürfte ein klassischer Neukunde sein, niemand also, der dem Buchhandel verloren ginge. Sehen wir es als Chance, solche Erstleser für das Buch zu begeistern. Zum Nutzen aller."

Michael Riethmüller, RavensBuch (Ravensburg):

"Bastei Lübbe hat einfach nichts verstanden – weder, vor welcher Konkurrenz das stationäre Sortiment aktuell steht und welche Sorgen die Buchhändler umtreiben, noch, wie weitreichend die Folgen dieser Aktion für die gesamte Buchbranche sind. Wer mit Amazon eine Woche lang Dan Browns Bestseller "Illuminati" verschenkt, fördert die Attraktivität von Amazon und bindet über die heruntergeladene App neue Nutzer. Schließlich zahlt der Käufer mit seinen Daten. Ein Geschäft, das Folgen hat und weitere E-Book-Käufe nach sich ziehen soll. Das geht gar nicht! Mit einer solchen Aktion brüskiert Bastei Lübbe den Sortimentsbuchhandel.

Dass Amazon für viele Verlage der wichtigste Kunde ist, damit können wir Buchhändler umgehen, wir agieren ja nicht im Wünschdirwas. Auch dass Verlage mit Filialisten wie Hugendubel Sonderaktionen machen, ist in Ordnung, das ist Bestandteil des normalen Wettbewerbs. Herr Kluge müsste doch inzwischen wissen, dass die Strategie von Amazon darauf abzielt, Verlage und Buchhandlungen überflüssig zu machen. Liest man bei Bastei Lübbe keine Zeitungen? Nachhaltiges Denken und Handeln sieht jedenfalls anders aus!

Unsere zwei Buchhandlungen ziehen daraus Konsequenzen: Wir haben am Montag den Vertreterbesuch abgesagt und sämtliche Vormerkungen der Lübbe-Gruppe storniert, es wird keine Novitätenaufträge geben. Auch Backlist-Bestellungen werden wir nicht mehr tätigen, an "Lübbe go" werden wir uns nicht mehr beteiligen. Die Titel der Verlagsgruppe bis hin zu "Greg" sind in unseren Läden in die Regale gewandert und werden nicht mehr präsentiert. Die wenigen wirklich wichtigen Titel der Verlagsgruppe werden wir künftig beim Barsortiment ordern. Solange sich Bastei Lübbe nicht bewegt, werden wir die Umsätze durch Bücher anderer Verlage ersetzen – das geht gut."