Peter Maffay und seine 38 Jahre jüngere Freundin Hendrike oder der schwarze Schwan Petra, der sich in Münster in ein Tretboot verliebte – es gibt Paarungen, bei denen fragt man sich besorgt: Kann das gut gehen? So verschieden wie die Beteiligten sind? Ähnliches erlebt man gerade auf dem Kochbuchmarkt, wo Medizin und Genuss gerade behaupten, schon immer füreinander bestimmt gewesen zu sein: Clean Eating oder Detox nennt sich das junge Glück, das versichert, den Leser total gesund zu erhalten und mit den Spaßbremsen von einst, gemacht aus Tee, Brühe und Einläufen, nichts zu tun zu haben.
Man möchte es gern glauben. Zumal heutzutage auch Marinierter Lachs oder Miso-Makrelen in den Detox-Kosmos gehören, etwa in "Detox. Selbst gemacht" von Dorling Kindersley (192 S., 12,95 Euro), eher eine Anleitung zur Ernährungsumstellung als zum Fasten. Das umfangreiche Werk bietet herrliche Fotos und Rezepte, dazu ein Glossar der verwendeten Lebensmittel und ihrer Wirkweisen, mit denen man nebenbei ganz neue Small-Talk-Themen auf den Tisch bringen kann. Etwa, dass der Salat "harntreibend" sei und die Suppe "antibakteriell". Überhaupt kommt man mit "lecker" oder "echt gut" nicht sehr weit im Detox-Kosmos. Zu ihm gehört nämlich in praktisch allen Neuerscheinungen der theoretische Überbau.
Viel vorgenommen haben sich Chantal Sandjon und Anna Cavelius in "Grün macht schön" (Kailash, 192 S., 17,99 Euro). Geliefert werden über 100 Rezepte und Ideen – vom unvermeidlichen , aber köstlichen Smoothie bis zur Naturkosmetik (hausgemachter Lippgloss!). Das Ergebnis ist eher ein Lese- als ein Rezeptbuch, informativ, aber bisweilen etwas ausufernd. Kati Mekler verfolgt mit ihrem Titel "DIY Detox. 77 x einfach entgiften" (Freya, 64 S., 7,90 Euro) einen deutlich pragmatischeren Ansatz. Schon beim Rat für Gemüseverächter wird nicht lange gefackelt: "Ändere deine Meinung!", lautet der kategorische Imperativ der Autorin. Rezepte? Fehlanzeige. Es gibt lediglich Empfehlungen – etwa zum Umgang mit Basenpulver oder Bittersalzen.
Elina Fuhrman hat da deutlich mehr Anreize für eine kulinarische Kursänderung zu bieten. Dass sie in ihrer Heimat Los Angeles als Suppen-Guru gilt, merkt man den herrlichen Ideen in "Soup Up Your Life! 50 vegane Suppenrezepte für ein neues Körpergefühl" an (Knaur, 272 S., 19,99 Euro). Ob die Suppen mit so lustigen Namen wie "Du hast wohl nen Knall-Erbse" tatsächlich Stress beseitigen und "aufgestaute Emotionen und Erinnerungen" lösen, mag dahingestellt sein. Den Speiseplan bereichern sie auf jeden Fall. Dafür sehen wir auch großmütig über die doch sehr gewagte Behauptung hinweg, "dass Krebszellen durch pflanzliche Nahrung sogar deaktiviert werden können".
Foodbloggerin Katharina Kraatz (katharinakocht.com) bleibt mit ihrem "Clean Eating" (Trias, 144 S., 17,99 Euro) lieber gleich auf dem Teppich. Ihr Ansatz: Möglichst frisch kochen, mit wenig Zucker und guten Fetten. Die Rezepte sind wunderbar, nur leider zu sparsam bebildert. Dass die vollbeschäftigte Frau mit der Rezeptkategorie "Büro und unterwegs" bedacht wird, verdient einen Extrapunkt. Mehr von den hochwertigen Fotos hätte man sich auch für "Clean Eating. Natürlich und gesund genießen" (Südwest, 304 S., 19,99 Euro.) von Alejandro Junger gewünscht. Denn die Gerichte mit Salat und Gemüse, Lamm und Wild sind so inspirierend, dass der zusätzliche Lockstoff "Lieblingsrezepte von Orlando Bloom, Gwyneth Paltrow & Cameron Diaz" ebenso wenig nötig gewesen wäre wie der Hinweis "all jenen gewidmet, die Nahrung als Medizin betrachten".
Marita Karlson, Autorin von "Sunshine Kitchen. Sexy, Sporty, Healthy" (Christian Verlag, 192 S., 19,99 Euro), verzichtet zum Glück auf einen längeren Beipackzettel – und präsentiert Rezepte ihrer Lieblingslokale in Kalifornien, darunter "Sharons Feigenpizza" oder "grüne Raw-Food-Lasagne". "Beauty Detox Power", das Buch von Kimberly Snyder, "Ernährungsberaterin der Hollywoodprominenz" (Südwest, 352 S., 19,99 Euro), wird dem Leser schon auf dem Einband wärmstens von Hollywoodstar Reese Witherspoon empfohlen. Die Schauspielerin muss viel Zeit haben – denn erst ab Seite 231 gibt es etwas zum Nachkochen. Etwa "Palmkohl-Salat des Gottes Shiva mit Ingwer-Mandel-Sauce". Bis dahin liest man sich durch Empfehlungen wie "Entgiften Sie Ihre Beziehungen".
Richtig ernst nimmt "Das große Detox Kochbuch" (Edel, 416 S., 26,95 Euro) seine selbst gesetzte Aufgabe. Und so kommt keines der Rezepte ohne Hinweis darauf aus, welches medizinische Krisengebiet es genau befrieden wird. So sollen etwa pochierte Eier auf Süßkartoffelrösti gut für die Prostata sein. Aber kocht man wirklich entlang solcher Probleme? Hätte es nicht genügt, allen Rezepten ein: "Total gesund und wahnsinnig lecker" mitzugeben? Ähnliches fragt man sich auch bei Tanja Dusy und ihrem "Shades of Green" (ZS, 160 S., 18,99 Euro). Auch hier freut man sich über originelle, asiatisch inspirierte, schön präsentierte Gerichte wie Spargel-Risotto mit Brunnenkresse. Und klar glaubt man dem Untertitel, dass das alles "gesund und schlank" macht – aber schafft es der "bunte Spätsommersalat" wirklich, uns auch noch "sexy" wirken zu lassen? Gilt das für jeden, sogar für Peter Maffay? Das Kochbuch-Frühjahr 2016 ist vielleicht das kalorienärmste aller Zeiten, zeigt aber auch, dass man den Mund auch mit Gemüse und Obst spektakulär voll nehmen kann. Immerhin: Wenn’s schmeckt, verzeiht man das gern.