Ein Plädoyer für gute Praktikumsplätze von Sara Walther

"Riskiert etwas!"

21. April 2016
von Börsenblatt
Typische Win-win-Situation: Die Leipziger Studentin Sara Walther hat ein Praktikum im Buchfunk Verlag absolviert – und dabei ein tolles Hörbuchprojekt angestoßen.

Der wohl kniffeligste Teil eines geisteswissenschaftlichen Studiums ist es, einen Fuß in die Arbeitswelt zu bekommen. Wir Geisteswissenschaftler sind in allen Belangen der Theorie super ausgebildet – aber praktisch? Mit gutem Willen schlagen wir uns also un(ter)bezahlt mit Gelegenheitsjobs oder Praktika durch, um uns für "etwas mit Medien" zu qualifizieren und dort irgendwann in der Zukunft vielleicht auch einen Job zu ergattern. Wenn man mich fragt, hat die Einführung des Mindestlohns unsere ohnehin schon prekäre Prak­tikumssituation eher noch verschärft. Da für im Studium vor­gesehene Pflichtpraktika kein Mindestlohn gezahlt werden muss, suchen viele Arbeitgeber jetzt eben verstärkt nach Pflichtpraktika-Anwärtern. Vor allem im geisteswissenschaftlichen Bereich ist es aber so, dass ein einziges Praktikum noch lange nicht ausreicht, um einen Fuß in unsere Lieblingsbranche zu bekommen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Unternehmen der Branche gute Praktikumsstellen schaffen. Am Ende lohnt sich das nämlich für beide Seiten.
Ich habe nach meiner Bachelorarbeit ein halbjähriges Prak­tikum im kleinen, aber feinen Hörbuchverlag Buchfunk in Leipzig angefangen. Der Selbstständigkeitsanteil war hoch; es gab interessante Aufgaben in allen Bereichen der Verlagstätigkeit zu erledigen. Einmal kamen wir auf das Thema meiner Bachelorarbeit zu sprechen: Schund- und Schmutzliteratur in der Weimarer Republik. Ich hatte dafür in allen möglichen Archiven eine umfangreiche Recherche angestellt, mit welchen Begründungen Bücher in der Zeit "zur Bewahrung der Jugend" quasi verboten wurden. Einen Tag später kam einer meiner Chefs, David Fischbach – künstlerischer Leiter und Produzent im Verlag –, auf mich zu und meinte, dieses Thema sei doch bes­tens für ein interessantes Hörbuch geeignet.
Genau die Art Veröffentlichung gehört glücklicherweise zu den Kernstücken des Verlags – ­intellektuelle, künstlerische Hörbücher mit dem Sinn für das Besondere. Damit lässt sich natürlich nicht das große Geld verdienen, aber darum geht es bei den "Herzstücken" ja auch (fast) nicht. Deshalb liebe ich den Verlag von Johannes Ackner und David Fischbach – sie riskieren etwas und schwimmen nicht nur auf der Welle des Mainstreams und der guten Verkaufszahlen mit. Volles Risiko sind sie auch mit mir gegangen. Meine neue Aufgabe: Vertiefung der Recherche aus der Bachelorarbeit und Konzeption eines Hörbuchs, das die Entwicklung der literarischen Verfolgung aus Jugendschutzgründen im 20. Jahrhundert nachzeichnet. Ein absolutes Hammer-Projekt für eine Praktikantin!
Mittlerweile habe ich mein Praktikum abgeschlossen, arbeite aber noch freiberuflich im Verlag mit und beende das Hörbuch zur Schundliteratur. Es soll spätestens zur Frankfurter Buchmesse im Oktober erscheinen. Das Projekt wird also tatsächlich realisiert und ich bin meinen Chefs unendlich dankbar, dass sie mir das Vertrauen entgegengebracht haben, etwas Eigenes zu planen und durchzuziehen. Mutig von ihnen, eine große Verantwortung für mich. Das spornt an und bringt beiden Seiten so viel mehr als das althergebrachte Arbeitgeber-Praktikanten-Verhältnis.
Und damit also zurück zum Anfang: Liebe Verleger, schafft viele gute, interessante Praktikumsplätze! Riskiert etwas! Da draußen sind eine Menge engagierte und talentierte Studieren­de, die sich über Chancen freuen – und Euch vielleicht sogar zu guten Ideen und Titeln verhelfen können.