Leipziger Buchmesse

Aufstand der Fantasyautoren

14. September 2016
von Börsenblatt
Die WerkZeugs Kreativ KG, Anlaufpunkt für unzählige Phantastik-Autoren, wird nächstes Jahr nicht mehr auf der Leipziger Buchmesse in Erscheinung treten. Schuld seien „neue, untragbare Konditionen“ der Messe. Der Verein PAN will „die Verantwortlichen der Leipziger Buchmesse“ mit einem offenen Brief zum Dialog mit WerkZeugs bewegen. Update: Messedirektor Oliver Zille nimmt Stellung.

Hier der Offene Brief im Wortlaut:

"Sehr geehrtes Projektteam Leipziger Buchmesse,

 seit vielen Jahren ist das hartgesottene und engagierte Team der WerkZeugs Kreativ KG mit seinem Stand in Halle 2 fester Bestandteil Ihrer Messe. Es sorgt dafür, dass die Autorenlesungen auf der Fantasy-Leseinsel so reibungslos wie nur möglich über die Bühne gehen, jeder Autor eine angemessene Anmoderation bekommt und die Mengen an Fans, die sich bisweilen während der anschließenden Signierstunden in Scharen rund um die Leseinsel tummeln, in geordnete Bahnen gelenkt werden. Es bietet den Besuchern eine gut sortierte Auswahl an Phantastik-Literatur und -merchandise und meist kommt man in der schmalen Gasse zwischen den Regalen kaum noch voran, so groß ist der Andrang der begeisterten Bücherfreunde.

Dabei leistet das WerkZeugs-Team jedes Jahr im wahrsten Sinne des Wortes phantastische Arbeit und wird von der gesamten Autorenschaft und Fangemeinde dafür geschätzt und bewundert.

Vor allem bietet WerkZeugs den Autoren und Phantastik-Fans etwas, das auf der Messe ansonsten sehr, sehr rar ist: Einen beispiellosen Anlaufpunkt für den Kontakt zwischen AutorInnen untereinander sowie den LeserInnen. Die Autoren-Lounge ist für einen Großteil der deutschen Phantastik-Autoren ein ganz entscheidender – wenn nicht DER entscheidende – Grund, sich jedes Jahr von Neuem auf die Leipziger Buchmesse zu begeben. Für uns AutorInnen ist dieser Ort Anlaufpunkt für geschäftlichen und privaten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Agenturen und Verlagen. Letzten Endes entstehen daraus Bücher, das Kernprodukt der Messe.

Langjährige Erfahrung und unermüdliches Engagement des WerkZeugs-Teams haben bisher immer dafür gesorgt, dass der Bereich rund um die Fantasy-Leseinsel ein ganz besonderer, wichtiger Ort für alle Phantastikschaffenden und -begeisterten war. Diesen Ort gilt es unbedingt zu erhalten.

Deshalb bitten wir mit unseren Unterschriften darum, erneut den Dialog mit WerkZeugs zu suchen. Damit LeserInnen und AutorInnen auch auf der Leipziger Buchmesse 2017 den Mehrwert genießen können, den die WerkZeugs Kreativ KG in den letzten Jahren geschaffen hat.

 Der Vorstand im Namen der Mitglieder"

Update (14.9.2016: 16:29 Uhr):

Messedirektor Oliver Zille nimmt Stellung: "WerkZeugs zeigte keinerlei Entgegenkommen"

Mehrere Mitglieder des Vereins, allesamt namhafte Fantasyautoren, unterzeichneten und kommentierten den Offenen Brief: 

Lena Falkenhagen:

„Ohne WerkZeugs besitzt die deutsche Phantastik keine Stimme auf der Leizpiger Buchmesse. Der Stand hat nicht nur für die größte Betreuung auf der Leseinsel auf der Messe gesorgt, die auch von der Messe selbst genutzt wurde, sondern auch tausende von Leserinnen und Lesern angezogen. Ich habe kein Verständnis für diese Politik der Leipziger Buchmesse.“

Thomas Finn:

„Ich bin verärgert, und das aus gutem Grund. Denn allmählich gewinnt man den Eindruck, dass die Buchmesse Leipzig dem phantastischen Genre ganz bewusst schaden will. Wer die Leipziger Buchmesse kennt, der weiß, dass sich die Halle 2 über die Jahre hinweg zum deutschlandweiten Treffpunkt der Phantastik-, Manga- und Cosplay-Fans gemausert hat. Zentrum des Geschehens war und ist die sogenannte Fantasy Lesebühne, die ursprünglich nicht mehr war, als eine lieblose Fläche, dekoriert mit wenigen Sitzwürfeln, auf der recht planlos einige wenige Autoren vor lärmender Kulisse aus ihren Werken vortrugen. Ein Umstand, der sich vor neun Jahren änderte, als sich erstmals das engagierte Team der Werkzeugs Kreativ KG um diese Anlauffläche der deutschen Phantastik kümmerte. WerkZeugs ist es nicht nur zu verdanken, dass die Lesebühne mit besserer Technik ausgestattet wurde, das Team führte endlich auch eine nachvollziehbare Organisationsstruktur ein. Anstrengungen, die Autoren und Leser gleichermaßen zu goutieren wussten, denn die Fantasy Lesebühne vergrößerte sich über die Jahre enorm - und mit ihr die Strahlkraft der Leipziger Buchmesse für die Fans des Genres. Dass der flankierende WerkZeugs-Stand nebenbei zu DEM Anlaufpunkt der deutschen Autorenszene wurde, sprach sich natürlich gleichermaßen herum. Denn wer seinen Lieblingsautor suchte, hier wurde er fündig. Das gleiche galt ganz nebenbei auch für uns Autoren. Denn wer mit einem bestimmten Kollegen oder einer bestimmten Kollegin ins Gespräch kommen wollte, hier traf man sie oder ihn zwangsläufig. Auch das war für uns alle ein wesentlicher Grund, die Leipziger Buchmesse aufzusuchen und sie gegen die große Konkurrenz Frankfurt immer und immer wieder all unseren Lesern zu empfehlen - und zwar abseits von aktuellen eigenen Buchveröffentlichungen im ersten Halbjahr.

Seit geraumer Zeit gewinnt man jedoch den Eindruck, als habe die Leipziger Buchmesse genug von dem bunten Treiben, das ganz wesentlich mit zu dem wachsenden Erfolg der Messe beigetragen hat. Oder schämt sie sich unser? Denn erst wurden die Cosplayer, die maßgeblich zu dem bunten Eindruck in der Halle beitrugen, ans hintere Ende der Halle verbannt, dann begann sich die Messeleitung in den Lesungsablauf einzumischen (und zwar durch die oft ärgerliche Gleichsetzung der Phantastik mit dem Jugendbuch). Der neueste - und vermutlich finale - Streich besteht nun darin, dass WerkZeugs finanziellen Forderungen ausgesetzt wurde, die es dem Team unmöglich macht, die Fantasy Leseinsel weiterhin zu betreuen. Oder mit anderen Worten: Die Messeleitung ist soeben dabei, eine der wichtigsten Institutionen der Messe zu zerschlagen. Haben die Leipziger in den vergangenen neun Jahren nicht begriffen, welchen Schatz sie in ihren Hallen hüteten? 

Oder glauben sie, den Job könne *irgendjemand anderes* auch übernehmen? Beides wäre geprägt von schockierender Ahnungslosigkeit. 

Ich bin also nicht bloß verärgert, ich bin todtraurig. Denn dadurch wird leichtfertig eine unnachahmliche Institution zu Grabe getragen, für die eine Buchmesse doch eigentlich ausgerichtet ist: nämlich der Begegnung von Lesern und Autoren. In Leipzig dürfte dies von nun an der Vergangenheit angehören."

 

Bernhard Hennen:

„Es sind die Aussteller und die Besucher, von denen ganz Buchstäblich, eine Messe lebt. WerkZeugs hat sich in den vergangenen Jahren bei allen großen Publikumsverlagen einen guten Namen erarbeitet. Ihre Art uns Autoren zu präsentieren und mit unseren Lesern in Kontakt zu bringen, ist eine neunjährige Erfolgsgeschichte gewesen. Signierstunden mit 80 Meter langen Warteschlangen sagen da mehr aus als viele Worte.

Von Jahr zu Jahr wussten immer mehr Besucher zu schätzen, dass auch abseits der offiziellen Termine eine gute Chance bestand, ihre Lieblingsautoren bei WerkZeugs anzutreffen und mit ihnen einen kurzen Plausch zu halten oder sich ein Buch signieren zu lassen. Wie eine Messe sich freiwillig einer solchen Attraktion berauben kann, entzieht sich meinem Verständnis und ich weiß, Ausstellern und Besuchern wird es ähnlich gehen.“

Tommy Krappweis:

„Die Fantasy Leseinsel sollte eigentlich ein Invest der LBM sein. Bei allem Verständnis dafür, dass eine Messe eben auch wirtschaftlich funktionieren soll, halte ich es für erstaunlich kurzsichtig, ausgerechnet an den Stellen die Kosten und Einnahmen „optimieren“ zu wollen, wo man für vergleichsweise wenig Aufwand prominente Autoren mit Live-Auftritten, Signierstunden, Meet & Greets und vor allem eine dringend benötigte Atmosphäre geliefert bekam.

Schon in den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass die technische Ausstattung nur dem Nötigsten entsprach und den Anforderungen nicht angemessen war. Von einer anständigen Bühne und ausreichend Sitzgelegenheiten für die Zuhörer ganz zu schweigen. Nun auch noch den Partner zu vergraulen, der vor allem durch Kontakte, Eigenmotivation und Idealismus dafür gesorgt zu haben scheint, dass es auch ein Programm gibt, lässt entweder darauf schließen, dass dies der Messe so gar nicht bewusst war oder dass man es als nicht maßgeblich empfindet und meint, sich einen massiven Verlust an Attraktion und Atmosphäre leisten zu können. Ersteres wurde hiermit nun geändert, zweiteres wird sich zeigen.“

 

Diana Menschig:

„Die Fantasy-Leseinsel ist ein beispielloser Ort, an dem ich als Autorin den Leserinnen und Lesern etwas zurückgeben kann und sie mir zugleich Wertschätzung und Begeisterung zeigen, wie es zu kaum einer anderen Gelegenheit geschieht. Sogar internationale Kollegen sind von der Autoren-Lounge begeistert.“

 

Kai Meyer:

„Die Leipziger Buchmesse sollte sich in Grund und Boden schämen. Der sympathischste Ort der Messe war stets die Fantasy-Leseinsel, die alljährlich von der WerkZeugs Kreativ KG mit enormem Einsatz ausgerichtet wurde. Nun hat die Messe das Projekt (und es war in erster Linie ein echtes FAN-Projekt) mit irrationalen finanziellen Forderungen zu Grunde gerichtet. Das ist ein Schlag ins Gesicht der engagierten Mitarbeiter und ein deutliches Zeichen der Geringschätzung gegenüber Autoren und Publikum.“