Kurt-Wolff-Preisverleihung 2017

Eine Frage der Haltung

25. März 2017
von Holger Heimann

Klaus Schöffling und Sebastian Guggolz wurden auf der Leipziger Buchmesse im Forum der unabhängigen Verlage für ihr verlegerisches Engagement ausgezeichnet. Gefeiert aber wurde ein ganzer Berufsstand. 

Auf den ersten Blick sind es recht unterschiedliche Verlage und Verleger, die am Messefreitag ausgezeichnet wurden, weil sie „mit Leidenschaft aus Ideen besondere Bücher“ machen, wie die Vorsitzende der Kurt-Wolff-Stiftung, die Berliner Verlegerin Britta Jürgs, kurz und schön sagte.

Den Frankfurter Schöffling Verlag gibt es schon fast ein Vierteljahrhundert, sein Verleger Klaus Schöffling wurde 1954 geboren. Das Programm ist so stattlich wie ambitioniert – mit 1000seitigen Romanen, 800 Seiten dicken Übersetzungen, dazu kommen Lyrikbände. Zu den Kleinverlagen gehört das Haus nicht mehr, 20 bis 25 Bücher erscheinen pro Jahr.

Der in Berlin-Schöneberg ansässige Guggolz Verlag hingegen wurde erst 2014 gegründet. Zum Kapitalstock trug der Gewinn aus einer Quiz-Show bei – und der war nicht zufällig, sondern systematisch geplant. Sebastian Guggolz (34) macht nicht mehr als zwei Bücher pro Saison und konzentriert sich dabei ganz auf die Neuausgabe vergessener Autoren.

Wie viel die beiden Verlage, die den Kurt-Wolff-Preis (für Schöffling & Co.) und den Förderpreis (für Guggolz) erhielten (26.000 bzw. 5.000 Euro), tatsächlich verbindet, das machte Burkhard Spinnen deutlich. Spinnen gehörte zu den ersten Autoren, deren Bücher Klaus und Ida Schöffling in ihrem Verlag publizierten, und seine Rede war viel mehr als eine Laudatio auf zwei Verlage. Viel eher schon präsentierte der Münsteraner Schriftsteller ein lustvoll formuliertes Grundsatzprogramm dafür, was es heißt, ein unabhängiger Literaturverleger zu sein.

Mit dem Preis, so Spinnen,würden nicht nur Personen ausgezeichnet, sondern überdies „eine Idee, ein Konzept, vielleicht sogar eine Lebenshaltung“. Große literarische Verleger seien vielleicht in der Regel weniger Geschäftsleute und mehr Künstler gewesen, mutmaßte er, mithin  eine Art Co-Autoren, Menschen also, die Bücher machen, ohne sie selbst zu schreiben. „Die Verwandtschaft des Verlegers zum Autor ist wesentlich stärker, als es der Unterschied in der alltäglichen Berufspraxis glauben macht“, formulierte Burkhard Spinnen.

Verändert sich dieses Verhältnis jedoch womöglich ganz grundlegend in einer Zeit, da sich fast alles zu verändern scheint? Burkhard Spinnen glaubt dies nicht: „Die Kampfparole, dass man demnächst keine Verlage mehr brauche, um zu veröffentlichen, ist meines Erachtens die Kampfparole von ‚Selbstmordattentätern’. Ich fürchte, jedes ‚Alles geht’ wird schlussendlich zu einem ‚Nichts geht mehr’ führen.“

Die Stimmung  in Leipzig war ohnehin von einem zuweilen trotzigen Optimismus geprägt. Schaue man sich die Programme vieler unabhängiger Verlage an, frage man sich doch: ‚Geht’s noch?’, sagte Klaus Schöffling in Anspielung auf dicke Werkausgaben und besonders aufwändige Publikationen.  Seine Antwort: „Ja, es geht noch.“ Der Verleger kündigte an, das Preisgeld sogleich in neue Buchprojekte zu investieren. Im voll besetzten Forum der unabhängigen Verlage applaudierten ihm – nicht allein dafür – auch seine Autoren: Guntram Vesper, Inka Parei, Bora Ćosić, Franziska Gerstenberg. Schöffling forderte aber zudem eine kontinuierliche und umfangreichere Verlagsförderung in Deutschland – nach dem Vorbild Österreichs und der Schweiz.

Ein glücklicher Sebastian Guggolz versprach, sich weiter auf die Suche nach älteren Texten zu machen, „um diese frisch und neu zu präsentieren“. Der 1961 in den USA verstorbene litauische Schriftsteller Antanas Škėma gehört zu seinen aktuellsten Entdeckungen. Škėmas großer, zur Weltliteratur gehörender Roman „Das weiße Leintuch“ war bislang außerhalb Litauens nahezu unbekannt. In der Übersetzung von Claudia Sinnig gibt es seit einigen Wochen erstmals eine deutschsprachige Ausgabe. Zu entdecken ist der Roman jetzt mithin auch von den Lesern hierzulande. Es lohnt sich!