EPUB Summit 2017

Warum sich die Buchbranche an technischen Innovationen beteiligen muss

7. April 2017
von Börsenblatt
In Brüssel fand im März der zweite internationale EPUB Summit statt. Fazit: Die deutsche Buchbranche sollte sich unbedingt aktiv in die Weiterentwicklung von E-Book-Standards wie EPUB 3 einschalten. Tobias Streitferdt (Holtzbrinck ePublishing) hat den Technologiegipfel im Auftrag der IG Digital des Börsenvereins besucht.

Der zweite internationale EPUB Summit wurde erstmals vom EDRLab, dem europäischen Interessensverband zur Einführung des EPUB-Standards, organisiert. Viele Vorträge waren geprägt vom Anschluss des International Digital Publishing Forum (IDPF) an das World Wide Web Consortium (W3C). Die daraus resultierende neu gegründete Organisation Publishing@W3C soll nun den EPUB-Standard weiterentwickeln.

Was international in der Buchbranche ziemliche Wellen auslöste, fand in Deutschland kaum Beachtung, obwohl E-Books in deutschen Verlagen immer mehr zum Umsatz beitragen. Zudem entstand gerade hier mit der auf EPUB basierenden Tolino-Allianz ein respektabler Gegenspieler gegenüber dem Branchenprimus Amazon. So sollte es auch im Interesse der deutschen Verlagshäuser und E-Book-Händler sein, bei der Weiterentwicklung von EPUB mit am Tisch zu sitzen.


EPUB ist hier, um zu bleiben

In seiner Keynote stellte Bill Kasdorf (Vizepräsident von Apex Content & Media Solutions) die heutige Bedeutung von EPUB 3 als E-Book-Standard heraus. Schon längst wird er nicht mehr nur als digitales Format für das klassische Buch verwendet. So veröffentlichen unter anderem die japanische Regierung und sämtliche Institutionen der Europäischen Union ihre Dokumente inzwischen in EPUB 3. Der Standard entwickelt sich zudem vom reinen Auslieferungs- zu einem Workflow-Format.

Beispielsweise basieren Autorentools wie Vitalsource Content Studio auf EPUB 3. Laut Kasdort wird EPUB 3 damit mehr und mehr zur “Embedded Technology”, was sich an Plattformen wie iBooks, Google Play oder in Software wie MS Edge und Windows 10 zeigt.


EPUB 3 macht E-Books blinden Lesern zugänglich

Mit der Anhebung auf die Version 3 wurde das EPUB quasi über Nacht "barrierefrei" und damit ein wichtiges Instrument für Universitäten und Bibliotheken, um E-Books ihren blinden Studenten und Kunden zugänglich zu machen. Durch die Integration von Data Markups wie schema.org werden Bücher inhaltlich erschlossen und leicht auffindbar gemacht. Die Text-to-Speech-Funktion ermöglicht das automatisierte Vorlesen des E-Books. In einem Panel mit Vertretern des DAISY-Konsortiums und Hachette wurden Best-Practise-Beispiele für barrierefreies Lesen aufgezeigt.


Beteiligungsmöglichkeiten an Publishing@W3C

In einem gemeinsamen Panel stellten Liisa McCloy-Kelley (Vizepräsidentin & Direktorin für E-Book-Produktentwicklung und Innovation bei Penguin Random House) und Ivan Herman (Technischer Leiter von Publishing@W3C) die neu gegründete Organisation PUBLISHING@W3C vor. In der Vergangenheit hatten Branchenteilnehmer die Qual der Wahl, an welcher der vielen Organisationen sie sich beteiligen sollen: IDPF, W3C, Readium, EDUPUB, Epubzone u.a. Alle hatten eigene Prioritäten und mussten viel Energie für die Abstimmung untereinander aufwenden. So entschieden sich die Boards von IDPF und W3C zur Neugründung des PUBLISHING@W3C, das sich um Web-Applikationen und Formate wie EPUB zur Veröffentlichung von Content kümmern soll.

Folgende Beteiligungsmöglichkeiten gibt es für Verlage, Händler und Verbände:

  • EPUB 3 Community Group
    Die EPUB 3 Community Group ist ein Forum für die laufende technische Weiterentwicklung von EPUB 3 und damit verbundene Spezifikationen. Die Teilnahme ist für jeden kostenlos möglich.
  • Publishing Business Group
    Diese Gruppe dient als Sprachrohr der Verlagsindustrie gegenüber W3C. Hier sollen alle business-relevanten Anforderungen an Webentwicklungen allgemein und den EPUB-Standard im Speziellen gesammelt und definiert werden. Die Teilnahme kostet jährlich zwischen 1.500 Euro für kleine und mittelständige sowie 7.500 Euro für große Unternehmen. Auch Verbände können an der Publishing Business Group teilnehmen.
  • Digital Publishing Interest Group & Digital Publishing Working Group
    Diese beiden Gruppen, die in den nächsten Monaten voraussichtlich zu einer zusammenwachsen werden, erstellen die technischen Spezifikationen für EPUB 3. In ihnen sind ausschließlich Mitglieder der IDPF und W3C zugelassen.


Readium - eine Open-Source-Technologie für EPUB 3

Die Readium-Foundation besteht aus einem Kernteam französischer und amerikanischer Firmen und arbeitet kollaborativ an einer Reader-Technologie für Mobil- wie Desktop-Geräte. Hadrien Gardeur (Gründer und CEO von Feedbooks) informierte über den aktuellen Stand dieses internationalen Open-Source-Projekts.

Der seit 2013 entwickelte Readium-1 wird heute zwar funktional eingesetzt, liegt allerdings hinter den Features anderer Reading-Softwares zurück (keine Bookmark-Funktion, Suche, Notizfunktion, Wörterbuch, Index). Hinzu kommt, dass die Codebasis immer komplexer wurde, weshalb man sich entschloss eine neue Version heraus zu bringen.

Readium-2 soll mit mehr nativem Code entwickelt werden als die Vorgängerversion, soll besser testbar sein und wird den Fokus nicht mehr ausschließlich auf EPUB richten, sondern auch PWP (Portable Web Publications), Hörbücher, Comics und andere Ausgabeformen berücksichtigen.

Ein weiteres Projekt des Consortiums ist das Rechte-Management-Tool Readium LCP. Es soll künftig eine kostengünstige, weniger fehleranfällige und kundenfreundliche Alternative zum Adobe-DRM darstellen. In Deutschland haben sich ja die großen Verlagshäuser genau aus diesen Gründen vom "harten DRM" verabschiedet. Wie schnell die LCP marktreif ist, bleibt jedoch abzuwarten.


Fazit

Wenn der EPUB Summit 2017 - vielleicht auch durch den Tagungsort bedingt - eine recht politische Veranstaltung war, so gab er doch einen guten Einblick in die vielfältigen Nutzergruppen und technologischen Treiber des EPUB-Standards. Gerade bei letzteren findet man leider nur wenige Verlage und so gut wie keine Händler. Die deutsche Buchbranche sollte sich dringend intensiv an Interessensgruppen wie der Publishing Business Group beteiligen, um ihre Anforderungen zu formulieren und auf Weiterentwicklungen schnell mit innovativen Produkten reagieren zu können. Denn wie Liisa McCloy-Kelley richtig konstatierte, ist "die Produktion von E-Books heute weniger ein Akt des Publizierens, als der Software-Entwicklung". Und diese Software ändert sich in immer höherem Tempo – ob mit oder ohne uns.

Tobias Streitferdt ist bei Holtzbrinck ePublishing (HEP) für Metadata und E-Commerce verantwortlich.