Wie Sie mehr aus dem Deutschen Buchpreis machen

#dbp17: Drei Beispiele aus der Praxis

20. Juli 2017
von Börsenblatt
Titel, die für den Deutschen Buchpreis nominiert sind, finden mühelos ihr Publikum. Wie der Buchhandel den besonderen Werbeeffekt für sich nutzen kann: drei Beispiele.

 „Longlist-Leseproben“  treiben den Umsatz, Kunden fühlen sich wertgeschätzt

Auf der Belletristik-Etage der Stuttgarter Buchhandlung Wittwer ist die Longlist schon ein Thema, bevor sie überhaupt feststeht. „Viele unserer Kunden wissen, dass es jetzt bald wieder Zeit wird für den Deutschen Buchpreis“, erzählt Ninja Jardin, die im Buchhaus an der Königstraße für diesen Sortimentsbereich verantwortlich ist. Bereits im Juni kämen die ersten Fragen nach der Longlist – und damit auch nach den Leseproben, die bei ihren Kunden seit Jahren sehr beliebt seien. Deshalb bestellt Wittwer diese Leseproben auch in engagierter Menge, 800 Stück werden es diesmal sein.

Die Longlist hält Ninja Jardin bei ihrem „literarisch sehr affinen Publikum“ für eine „ideale Gelegenheit, mit unseren Kunden ins Gespräch zu kommen“. Entsprechend nutze man die Wochen verstärkter Aufmerksamkeit zwischen Longlist und Bekanntgabe des Siegertitels, um den diskutierten Romanen eine hohe Sichtbarkeit zu verschaffen:

  • Thementisch. Gleich bei Erscheinen der Longlist wird ein Tisch gedeckt mit allen bis dahin lieferbaren Titeln aus dem Ranking der Buchpreis-Jury.
  • Schaufenster. Ein Fenster hin zur hochfrequentierten Königstraße wird longlistig gestaltet.
  • Stammkunden-Marketing. Der gerade erst gegründete, exklusive Wittwer-Klub der Literaturfreunde „Litlounge“ wird in diesem Jahr auch mit den Leseproben versorgt, etwa 100 Mitglieder erhalten die Longlist-Testtexte als besonderes Zeichen der Wertschätzung.
  • Aufmerksamkeit an ausgewählten Standorten. Das Lesebuch ist auch in den beiden größeren Filialen in Sindelfingen und Ludwigsburg zu finden.

Die Reaktion der Kundschaft bestätigt dem Team bei Wittwer, dass sich die Mühe um die Longlist-Leseproben lohnt. „Viele wollen ganz gezielt dieses spezielle Produkt, und die Nachfrage wächst von Jahr zu Jahr“, berichtet Jardin. Ein paar Tage später kämen die Kunden dann wieder, „um hier vor Ort live und in Farbe in den Titeln zu blättern, für die sie sich interessieren«. Nachgedacht wird im Buchhaus zudem über Veranstaltungen rund um die Longlist. Das sei allerdings organisatorisch nicht einfach, "denn wir haben für Lesungen relativ lange Vorlaufzeiten“, erläutert Doreen Klotz, bei Wittwer zuständig für die Kundenpflege, auf gut Schwäbisch: Customer Relationship Management.

Kaufeffekte stellt Ninja Jardin auch fest.“Vor allem bei einzelnen Leuchtturm-Titeln in der Longlist merken wir, dass sie mit Bekanntgabe der Liste sogleich anziehen“, sagt die Buchhändlerin. Die Wirkung verstärke sich dann noch einmal zur Shortlist hin.

2. Persönliche Einladung: Anlässe schaffen, um mit Kunden neu ins Gespräch zu kommen

Literatur findet überall ihre Leser, in der Stadt genauso wie auf dem Land: Adelsried, gelegen im Landkreis Augsburg, hat zwar weniger als 3.000 Einwohner, der Deutsche Buchpreis ist hier trotzdem ein großes Thema – dank Ute Math, Inhaberin der Buchhandlung Bücherwurm. Sie nutzt den Preis, damit Literatur zum Leser kommt und der wiederum in ihre Buchhandlung:

  • Das Schaufenster dekoriert sie passend zur Longlist.
  • Sobald die Longlist und das Longlist-Lesebuch bei ihr eingetroffen sind, meldet sie sich via E-Mail oder Telefon bei den Stammkunden, von denen sie glaubt, dass sie Interesse daran haben.

Und das funktioniert: Die persönliche Einladung ist für die Angesprochenen oft ein Ansporn, in der Buchhandlung vorbeizukommen. Bevor sie mit der Longlist auf Leser zugeht, setzt Ute Math sich eingehend mit ihr auseinander. „Mich sprechen natürlich nicht alle Titel an, die auf der Liste sind“, sagt sie. „Manche sind wiederum eine Entdeckung, die ich ohne die Jury nicht im Blick gehabt hätte.“

Sie wählt aus und empfiehlt schließlich die Romane, die ihr persönlich gefallen oder die zu den jeweiligen Kunden passen könnten. Und wer erst mal schnuppern möchte, kann die Leseprobe mit nach Hause nehmen: „So hat mancher schon zu Literatur gefunden, die er sonst nie gelesen hätte, von der er schließlich aber begeistert war.“

40 Exemplare der Longlist-Leseproben wird die Buchhändlerin in diesem Jahr an ihre Stammkunden verteilen. 400 bestellt sie insgesamt und wird einen großen Schwung an Buchhandelskollegen weiterleiten, die nur fünf oder zehn Stück nehmen wollen. Auch das ist ihr wichtig: „Für uns Kleine ist der Deutsche Buchpreis ebenso wie für die Großen eine gute Möglichkeit, auf Kunden zuzugehen.“

3. Aufmerksamkeit nutzen, wo Aufmerksamkeit entsteht

Nicht nur im direkten Kundengespräch, auch über das Internet ist Empfehlungskultur möglich: Online-buchhändler René Kohl (kohlibri.de) macht gute Erfahrungen damit, nicht auf Büchermasse, sondern auf ein persönliches Profil zu setzen. Dafür nutzt er die Longlist zum Deutschen Buchpreis, analog wie digital:

  • Freude schenken. Kohl wählt gezielt aus, wen er auf die nominierten Titel hinweist. „Diejenigen Kunden, die sich für Literatur interessieren, erhalten mit einem Buchpaket die Longlist-Leseprobe“, erzählt er. Wie 2016 will er auch in diesem Jahr wieder 200 Exemplare über den Postweg verschenken.
  • Besondere Empfehlung. Aber auch sonst bekommt  das Thema im Marketing zentrale Aufmerksamkeit. Kohl: „In unserem Newsletter empfehlen wir die von  der Jury ausgewählten Titel.“ Das versickert nicht einfach, Kohl weiß vielmehr, dass Tipps von ihm und seinen Kollegen angenommen werden: „Wir überprüfen genau, was in unserem Onlineshop angeklickt und gekauft wird.“ Zwar wird nicht jeder Longlisttitel zum Verkaufserfolg, aber die Auswahl kommt an – und stärkt das Profil des Buchhändlers. Wie sehr die Kunden sie schätzen, wird sichtbar durch persönliches Feedback: „Über E-Mails und Anrufe, mit denen Leser sich für unsere Empfehlungen bedanken.“