Metis-Zahlen: Umsatzplus bei unabhängigen Sortimenten

Kleine Händler ganz groß

18. Oktober 2018
von Börsenblatt
Deniz Ulucan, Leitung Buch bei Media Control, hat zur Messe einige sehr interessante und bislang nicht publizierte Zahlen aus dem Metis Buchpanel gezaubert. Hier sind sie – und dazu ein Kommentar von Torsten Casimir.
Kommentar von Torsten Casimir
Die Kleinen werden unterschätzt

Nähme man das herrschende Gerede für bare Münze, würden sich die Verhältnisse im Buchmarkt ungefähr so darstellen: Amazon ist ohnehin der Größte. Der Filialbuchhandel wächst wieder und verleibt sich Läden ein, wo immer welche zum Verkauf stehen. Die Kleinen leben zwar noch, aber sie werden weniger und ärmer. Die Hersteller betäuben ihren Schmerz auf der Streckbank des Werbekostenzuschusswesens, indem sie davon träumen, den Endkunden sehr genau kennenzulernen und bald höchstpersönlich bedienen zu können.

Die Wirklichkeit ist eine andere. Beim Feierabendbier am Buchmessestand von Media Control erschien die Realität unverhofft in Gestalt zweier verblüffender Zahlen. Was die Baden-Badener Mess-Diener da an ihre Standwand beamten, straft den Erzählungsmainstream von den Kraftverhältnissen Lügen: Während die Ketten in den ersten drei Quartalen des Jahres 4,9 Prozent an Umsatz einbüßten, legten die kleinen Händler im selben Zeitraum um 0,7 Prozent zu. Die Differenz stellt das aktuelle Gesamtminus von 1,3 Prozent in ein helleres Licht. Es ist also die alte, mit ihrer beispiellosen Vielfalt bis heute die Preisbindung begründende Struktur, welche die Buchwirtschaft vor schlimmerem Schaden bewahrt.

Diese Struktur wird von Marketing- und Vertriebsleuten der Verlage seit geraumer Zeit unterschätzt. Vielleicht wirkt eine Art Konsenszwang unter Profis: Was Kollegen anderer Unternehmen im selben Funktionssegment sagen, sage ich auch. So versichere ich mich gegen das Risiko, allein falsch zu liegen. Zugleich begebe ich mich der Chance, allein richtig zu liegen, aber dieser Verzicht tut ja akut nicht weh.

Die Zahlen von Media Control legen eine Abkehr vom allseits Geglaubten nahe. Sie regen dazu an, Werbeaufwände neu zu justieren unter dem Aspekt von Eigennutz. Es geht nicht um lebensverlängernde Maßnahmen für Siechende. Es geht nach wie vor um den wichtigsten Absatzkanal für Bücher.