Warm durch den Herbst« stellt die Homepage von Tchibo in Aussicht. Wenn man den Wohlfühl-Schlafanzug und die Outdoor-Kunstfellmütze geordert oder verschmäht hat, stößt man auf das überraschende Angebot, für 19,99 Euro einen »personalisierten Roman« zu bestellen. Man kann zwischen Krimi und Liebesroman wählen. Die Personalisierbarkeit besteht darin, dass man dem Gutsbesitzer, der Haushälterin, dem Nachbarn und der Anwältin Namen seiner Wahl geben und deren Augen- und Haarfarbe bestimmen kann.
Ein Mustersatz lautet dann so: »Jetzt sind die attraktive Rechtsanwältin Eva Herman mit den blonden Haaren und den schönen blauen Augen und der stattliche schwarzhaarige Gutsbesitzer Gregor Gysi mit den braunen Augen Gegner im Kampf um Callaghan Hall.« Schütteres Haar ist nicht vorgesehen. Wer mehr Auswahl haben will, sollte den »Exklusivpartner« des Kaffeebohnen-rösters direkt ansteuern und die Seite von
www.personalnovel.de aufsuchen. Für ein paar Euro mehr kann man hier zwischen Dutzenden von Romanmustern und Handlungsorten wählen und bis zu 50 Romanpersonen mit Namen, Berufen sowie Haar- und Augenfarbe ausstatten.
»Verschenken Sie die Hauptrolle in Ihrem Roman!«, lautet die Aufforderung, und Berge von Kundenkommentaren zeigen, dass die Geschenkidee fleißig genutzt und für »megagenial« gehalten wird. Es ist die rührend altmodische Printvariante der rührend neumodischen, interaktiven, aber nicht weniger trivialen Internetwelt Second Life, in der sich die Mitspieler auch Namen und eine äußere Gestalt aussuchen können, ehe sie sich in die virtuelle Welt begeben.
Auch wenn es sich beim personalisierten Roman um einen Spaß handelt und nicht um Kunst, auch wenn nur wie ein veröffentlichtes Buch aussieht, was in Wirklichkeit ein privates, nicht gerade subtiles Unikat ist: Man denkt unweigerlich an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das jüngst die Beschwerde gegen das Verbot von Maxim Billers Roman »Esra« abgelehnt und damit den Persönlichkeitsrechten den Vorrang vor dem Recht auf die Freiheit der Kunst gegeben hat. Die Erkennbarkeit von Figuren, die in einem wirklichen Roman zu Problemen führen kann, ist beim Tchibo-Roman das Ziel. So simpel und primitiv wie diese Erkennbarkeit in den Geschenkbüchern erzeugt wird, zeigt sich umgekehrt, mit welchen wenigen simplen Änderungen der wirkliche Mensch hinter einer Figur unkenntlich gemacht und ein Romanverbot verhindert werden könnte. Blonde statt braune Haare schon ist die Klage der Betroffenen aussichtslos.
Doch nicht nur zu rechtlichen Überlegungen regt der Tchibo-Roman an. Das Veränderungsspiel ließe sich fortführen. Manchen Ami-Krimi läse ich lieber, wenn der Held nicht für vollbusige Blondinen, sondern für zierliche Puertoricanerinnen schwärmen würde, und vielleicht gefiele mir Goethes »Faust« besser, wenn das Gretchen »Fanny« hieße und Aupair-Mädchen wäre. Auch die Handlung lässt sich den persönlichen Geschmäckern anpassen. Ab sofort biete ich »on demand« Exemplare meiner eigenen Romane mit weniger glimpflich verlaufenden Enden an: Statt dem untreuen Ehemann kultiviert zu verzeihen, knallt die erboste Gattin ihn nieder. 999,99 Euro will ich von rachsüchtigen Leserinnen für dieses sonderangefertigte Trivialfinale haben.