Interview

»Umfassende Portalstrategie«

29. November 2007
Redaktion Börsenblatt
Weka Business Information (WBI) steht vor großen Herausforderungen: Das Loseblatt-Zeitalter geht zu Ende, das Internet als Informationsquelle wird immer wichtiger, und die Zielgruppen wünschen umfassende Lösungen für ihren Arbeitsalltag. CEO Heinz Weinheimer über den Umbau der Fachverlagsgruppe zu einem modernen Solution Provider (siehe auch BÖRSENBLATT 48 / 2007, S. 9).
Das kürzlich freigeschaltete Familienrechtsportal bei Deubner markiert einen Strategiewechsel bei Weka Business Information (WBI). Gehört die Zukunft dem Internet-Geschäft? Und heißt es nun Abschied nehmen vom Loseblatt? Weinheimer: Die goldene Zeit des Loseblatts neigt sich bei Weka – wie auch in anderen Häusern – dem Ende zu. Es ist eine Produktform, die seit dem Aufkommen von Online-Informationen sehr stark ins Hintertreffen geraten ist – ein Trend, der unumkehrbar ist. Deshalb wollen wir unseren Kunden im Rahmen einer neuen Portalstrategie umfassende Lösungen bieten, die weit über die Information hinausgehen. Was hat man sich darunter vorzustellen? Weinheimer: Bislang hatte das Loseblattwerk in der Hauptsache den Sinn, eine Nachschlageinformation, eine Art von papierner Datenbank zu bieten. Die neuen Lösungen gehen deutlich darüber hinaus. Wir wollen mit unserem Informationsangebot auch den Workflow unseres Kunden unterstützen und Arbeitsabläufe optimieren. – Ein Beispiel: Arbeitsschutzbeauftrage in Betrieben müssen gesetzliche Vorschriften und regelmäßige Kontrolltermine einhalten. Das läuft immer nach einer bestimmten Routine ab. Wir bieten dem Kunden nun eine Software, die ihm sein Aufgabenmanagement erleichtert. Auf seinem Rechner erscheint zum richtigen Zeitpunkt eine Zeitvorlage, es öffnen sich Fenster mit passenden Checklisten, und aus der Datenbank bezieht er die Information, die er an die Belegschaft weitergeben muss. Ist das Fernziel also ein elektronischer Assistent für den Experten im Unternehmen? Weinheimer: Das wäre der Idealzustand. Aber so weit will ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus dem Fenster lehnen. Wie wirkt sich die neue Programm- und Produktstrategie auf die Organisation von Weka Business Information aus? Weinheimer: Da hat sich sehr viel getan – auch im Management. WBI war in der Vergangenheit ein komplett dezentral organisiertes Unternehmen: Deubner in Köln bediente z.B. seine Kunden komplett von Köln aus – alle Produktangebote, das gesamte Marketing und die Backoffice-Dienste sind von dort gesteuert worden. Das wurde teilweise und wird noch verändert. Wir haben zum ersten Quartal 2007 unsere gesamte IT-Struktur zentralisiert. Wenn Deubner jetzt eine neue Lösung wie das Familienrechtsportal entwickelt, dann wird das nicht mehr von Köln aus gesteuert, sondern von unserer zentralen IT-Abteilung – in Abstimmung mit den Kölner Kollegen für Programm und Marketing. Sind die Mitarbeiter darauf vorbereitet? Wie haben Sie für den Strategiewechsel geworben? Weinheimer: Mit Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Die Mitarbeiter sind also auf den Wandel eingestellt. Wir zentralisieren auch nicht nur in der IT, sondern auch in den kaufmännischen Bereichen. Fluktuationen gibt es natürlich im Loseblatt-Bereich. Da müssen wir Know-how zugunsten der Informationstechnologie umschichten. Dazu bieten wir unseren Mitarbeitern gezieltes Training an. Sicher ist, dass sich das Profil der ca. 1.000 WBI-Beschäftigten sehr verändern wird. Das neue Familienrechtsportal von Deubner ist auf einer komplett neuen technologischen Basis realisiert worden. Können Sie das näher erläutern? Weinheimer: Wir haben dieses Projekt zum Anlass genommen, um unsere gesamte Internet-Technologie zu vereinheitlichen. Wir haben zunächst ein so genanntes Online-Framework entwickelt. Das besteht aus einer Art Baukasten, aus dem sich unsere dezentralen Einheiten bedienen, um Angebote für ihre Zielgruppen zusammenzustellen. Ausgangspunkt ist ein Rohbauportal, in das kleine Fenster (so genannte Portlets) mit konkreten Inhalten eingehängt werden können – News, Datenbanken oder auch Podcasts und Videos. Diese technologischen Elemente sind allesamt state-of-the-art. Ergeben sich daraus Synergieeffekte? Weinheimer: Das klingt so nach Sparen. Im Moment ist aber genau das Gegenteil der Fall: Unser Hauptaktionär Werner Mützel hat uns einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung gestellt, damit wir die neue Portalstrategie umsetzen können. Die Kosten für den Lizenzeinkauf oder die Anpassung der Software an die speziellen Bedürfnisse hätte ein einzelnes Unternehmen gar nicht tragen können. In das neue Familienrechtsportal von Deubner sind auch Web 2.0-Elemente integriert, und es kommt eine verbesserte Suchmaschine zum Einsatz … Weinheimer: Wir versuchen alles nach dem Stand der Technik anzubieten und orientieren uns an den Lösungen, die in den USA von den technologischen Marktführern eingesetzt werden. Es ist unbestritten, dass Web 2.0-Applikationen inzwischen weit über die ursprünglich eng begrenzte Fangemeinde hinausgehen. Auch junge Anwälte sind daran sehr interessiert, über das Web 2.0 mit anderen in Kontakt zu treten und Entscheidungen etwa im Scheidungsrecht zu kommentieren. Unsere Zielgruppe sind die zahlreichen Einzelanwälte in ganz Deutschland. Welche Geschäftsfelder wollen Sie in Zukunft noch ausbauen? Weinheimer: Neben dem Online-Segment, das in fünf Jahren etwa ein Drittel unserer Erlöse erwirtschaften soll, wollen wir das Seminar- und Event-Geschäft für unsere Zielgruppen weiter ausbauen – vor allem bei Technik- und Bau-Themen. In der Schweiz haben wir zudem hochkarätige Konferenzen für Finanz- und Personalfachleute veranstaltet. – Eine weitere Säule sind die Zeitschriften: Da sind wir weit vorsichtiger, da der internationale Fachzeitschriftenmarkt eng besetzt ist. Statt neue Titel zu gründen werden wir hier mehr zukaufen. Welche Marktposition streben Sie im Umfeld Ihrer europäischen Mitbewerber an? Weinheimer: Wir wollen da ganz klar zu den Führenden im Fachinformationsmarkt gehören. Umsatzmäßig rangiert die gesamte Weka-Gruppe europaweit auf Platz 20. Unser Ziel ist es mittelfristig, unter die ersten zehn zu kommen. Aber das Größenziel steht nicht im Vordergrund. Wenn unsere Kunden auf die Frage nach den zehn größten Anbietern für online-Lösungen auch Weka nennen, wären wir sehr zufrieden. Interview: Michael Roesler-Graichen Zur Person Heinz Weinheimer (Jahrgang 1959) ist seit 1. Oktober 2006 CEO der Fachverlagsgruppe Weka Business Information (Kissing). Der studierte Philosoph und Mathematiker war zuvor bei Springer Science + Business Media tätig, wo er zuletzt die Geschäftsführung der GWV Fachverlage innehatte. 1986 trat er als Assistent des Bereichsleiters Wirtschaft / Wissenschaft / Medizin in die damalige Bertelsmann Fachinformation ein. Seit 1992 war er als Verlagsleiter Vieweg tätig und seit 1995 verantwortlich für die gesamten technischen Zielgruppen bei GWV. Im Januar 2004 übernahm Weinheimer die Leitung des neu gegründeten Unternehmens VS Verlag für Sozialwissenschaften, der aus der Fusion des Westdeutschen Verlags und des Verlags Leske+Budrich hervorgegangen war.