Der Anfang ist geglückt: Rund 400 Besucher, darunter viele bekannte Gesichter aus der Schweizer Literaturszene, waren am Sonntag im Zürcher Neumarkt-Theater dabei, als Swiss Independent Publishers (SWIPS), ein vor zweieinhalb Monaten aus der Taufe gehobener Zusammenschluss unabhängiger Verlage, sein Gründungsfest feierte. 22 Verlage haben sich bislang auf der SWIPS-Plattform eingefunden von Limmat, Waldgut, Epoca und Urs Engeler bis hin zu jungen Wilden wie Pudelundpinscher oder Gesunder Menschenverstand. Ob Lesemarathon, Lotto im Säli (einer Schweizer Bingo-Variante, in der Verlage ausgefallene Preise stifteten) oder ein riesiger gemeinsamer Büchertisch, der von Buchhandels-Lehrlingen aus allen Landesteilen betreut wurde: Das Fest zeigte, dass die Independents aus der Alpenrepublik über ausreichend Biss und Phantasie verfügen, ihr Anliegen und ihre Bücher in die Öffentlichkeit zu tragen. Nach dem PR-Feuerwerk in eigener Sache hofft SWIPS, künftig im kulturpolitischen Diskurs selbstbewußt mitzumischen. Weitere gemeinsame Auftritte für 2008 sind in Planung; zum Welttag des Buches am 23. April stellen die SWIPS-Aktivisten eine besonders spektakuläre Aktion in Aussicht.
BÖRSENBLATT.net: Mit SWIPS, so haben Sie schon vor Ihrem Gründungsfest erklärt, muss die Schweizer Kulturlandschaft ab jetzt rechnen. Was will, was kann die neue Plattform?
Ricco Bilger: Um die Frage zu beantworten, müsste ich etwas ausholen und von Erfahrungen im Vorfeld unseres Fests sprechen: Es gibt hier in der Schweiz praktisch kein Feuilleton-Echo! Immerhin war das NZZ-Feuilleton da, das Lokal-Ressort des Tagesanzeigers hat einen kleinen Text gebracht; das St. Galler Tagblatt und Echo der Zeit, eine der wichtigsten Radio-Kultursendungen, berichteten. Das ist nicht eben die Welt und beleuchtet ein wenig die Ausgangslage, aus der SWIPS auch gegründet wurde: Wir kommen zwar mit einzelnen Büchern und Autoren in die Öffentlichkeit, die Gesamtheit unserer enorm vielfältigen! - Verlagskultur ist in den Medien jedoch eine zu vernachlässigende Größe. Ein zweiter Aspekt ist, dass wir hier in der Kulturpolitik einen Umbruch haben die Leute, die der Chef des Bundesamts für Kultur in die verschieden Fachabteilungen gebracht hat, sagen ganz klar: Uns interessiert Kultur nur, wenn es erfolgreiche Kultur ist. Da stellt sich schon die Frage: Warum haben sich kleinere, unabhängige Verlage seit über 30 Jahren nicht mehr zusammengetan? Dazu kam dann noch der Fall der Buchpreisbindung ... Die 22 Verlage, die sich bis jetzt unter dem Label SWIPS zusammengefunden haben, kann man nicht mehr ohne weiteres ignorieren. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Institutionen, die freundlich auf unsere Initiative reagiert haben von Pro Helvetia über die Buchmesse Basel bis zum Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV). Man weiß jetzt, dass wir ein Faktor sind. Man kann uns nicht mehr als Einzelne annehmen oder ablehnen. Wir kommen jetzt als Paket. Das heißt nicht, dass wir in großem Stil Kulturpolitik betreiben wollen.
BÖRSENBLATT.net: Zum Auftakt kein Manifest, sondern ein Fest ...?
Bilger: Wir bündeln zunächst unsere Kräfte, um Marketing- und Vernetzungsarbeit zu leisten. In einem zweiten Schritt wollen wir uns aber schon hörbar in den kulturpolitischen Diskurs einmischen.
BÖRSENBLATT.net: SWIPS will kein Antiverband sein wie stehen sie zum SBVV?
Bilger: Wir sehen uns als für alle Seiten offenen, ernstzunehmenden Partner. Die Intentionen, die uns wichtig sind, werden im Verband kaum wahrgenommen. Aber wir wollen nicht jammern, nicht klagen, in keine Oppositionshaltung gehen wir wollen nicht reagieren, sondern agieren. Offensiv sein, unser Selbstbewußtsein entwickeln, einen modernen, zeitgemäßen Auftritt hinlegen. Wenn wir das schaffen dann werden wir mit all diesen Partnern natürlich reden und schauen, wo wir uns zusammentuen können. Es wäre ja grotesk, das wenige, das es hier in Sachen Buch-Kultur hat, zu bekämpfen.
BÖRSENBLATT.net: Im Moment haben bei SWIPS hauptsächlich deutschschweizer Verlage angedockt Sie wollen sich aber auch den anderen Sprachräumen öffnen?
Bilger: Natürlich. Das beantwortet auch die hier immer wieder gestellte Frage, wieso wir ein englischsprachiges Label gewählt haben Swiss Independent Publishers. Abgesehen vom hübschen brand SWIPS ist es für uns natürlich ganz klar, dass wenn wir wirklich repräsentativ sein wollen - die Frage nach französischsprechenden, italienischsprechenden, rätoromanisch sprechenden Verlagen in der Schweiz angegangen werden muß. Anglizismen sind nicht unbedingt meine Leidenschaft aber unter dem englischsprachigen Begriff lassen sich erst mal alle subsummmieren.
BÖRSENBLATT.net: Gibt es erste konkrete Pläne?
Bilger: Wir werden Ende Februar gemeinsam an der neuen kleinen Luzerner Buchmesse Luzern Bucht auftreten, die ab 2008 mit dem Luzerner Literaturfestival gekoppelt ist, ferner sind Auftritte an den Solothurner Literaturtagen und der gleichzeitig stattfindenden BuchBasel sowie beim Literaturfestival Leukerbad geplant. Etwas ganz spektakuläres haben wir am Welttag des Buches, am 23. April vor verraten mag ich noch nichts; wir wollen die Spannung möglichst hoch halten. Dazu wollen wir an unserer gemeinsamen Medienarbeit feilen; da liegt noch vieles im argen - wie wichtig das ist, haben wir jetzt an unserem Fest gesehen. Auch das Fest wird seine Fortsetzung finden. Nicht als Party um der Party willen, das Buch und unsere Arbeit muß thematisiert werden. Künftig wollen wir gemeinsam halbjährlich unsere Novitäten vorstellen und mit den Lesern feiern. Wenn möglich, nicht immer nur in Zürich...
BÖRSENBLATT.net: Formaljuristisch ist SWIPS ein Verein ...
Bilger: Es bedarf einer juristischen Form, nicht zuletzt, wenn man sich um Fördergelder bewirbt. Wir haben das ist durchaus positiv gemeint - in der Schweiz eine unglaublich starke Vereinskultur. Ein Verein ist die Legitimation, in einen öffentlichen Diskurs zu treten. Einzelkämpfer haben es schwer.
BÖRSENBLATT.net: Sie haben die ersten SWIPS-Pressemeldungen als el presidente unterzeichnet. Ihre korrekte Amtsbezeichnung oder Ergebnis einer Sektlaune?
Bilger: (lacht) Normal würde es einfach Präsident heißen. Ich wollte das gern ein bißchen brechen. Ich habe die Sache ja auch angenommen, weil es nicht zuletzt darum geht, im Auftritt nach außen auch ein bißchen Irritation ins Spiel zu bringen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das spanische presidente ist schon auch ernst gemeint; es geht auch um eine Haltung und nicht darum, der klassische Vereinsmeier zu sein, der schaut, dass im bürokratischen System alles wie geschmiert funktioniert. Die Frage ist: Wie verkaufe ich mich, wie verkaufen wir uns? Wir wollen nicht die Welt neu erfinden. Wir versuchen, unsere Stärken zsammenzubringen. Und etwas zu tun, was heute eigentlich gar nicht mehr möglich scheint.