Antiquariat

Ein Gespräch mit Georg Schneebeli

23. Oktober 2019
Redaktion Börsenblatt
Die 24. Antiquariats-Messe Zürich findet vom 1. bis 3. November im Kunsthaus Zürich statt. Georg Schneebeli hat in Zürich kürzlich ein Antiquariat gegründet und nimmt erstmals an der Messe teil.

Was hat Sie zum Schritt in die Selbständigkeit als Antiquar bewogen?

Georg Schneebeli: Meine Gründe dürften sich im Wesentlichen kaum von anderen unterscheiden, die die gleiche Entscheidung getroffen haben: Zum einen bin ich überzeugt, dass der antiquarische Buchhandel eine Zukunft hat. Auch wenn dieses Marktsegment in den letzten 25 Jahren merklich kleiner geworden ist – nicht zuletzt auch wegen dem Einfluss, die Bildschirmmedien für uns alle auf die Beschaffung von Informationen nach sich zogen. Allerdings wissen wir heute auch, dass das gedruckte Buch als greifbares Objekt gegenüber einem zweidimensionalen Bildschirmtext klar besser abschneidet, wenn es um die Aufnahme und das Erinnern an das Gelesene geht. Neben den räumlichen und haptischen Aspekten kommt beim antiquarischen Buch noch die historische Komponente hinzu. Antiquarische Bücher sind immer auch kultur- und geistesgeschichtliche Zeugen ihrer Zeit. Die Beschäftigung mit ihnen ermöglicht es einem, sich selber in einem erweiterten historischen Kontext zu verorten. Ein vielleicht nicht zu unterschätzender Kontrapunkt in Zeiten, wo mittels Kurzmitteilungen Politik gemacht wird. Ich bin deshalb der festen Überzeugung, dass wir auch in Zukunft eine Kultur des Erinnerns pflegen werden, die identitätsstiftend wirkt und uns Stabilität in einem sich immer schneller wandelnden gesellschaftlichen Umfeld bietet. Und was würde sich dazu besser eignen, als ein antiquarisches Buch?

Zum anderen ist da diese Faszination für die, wie Paul Valéry sie nannte, perfekt ausgereifte "machine à lire". Einem Objekt, das in der Summe seiner Einzelteile eben mehr ist als nur ein Gefäß für gedruckten Text.

Wenn ich heute, mit gut 50 Jahren, in einen neuen Lebensabschnitt trete, dann hat das viel mit meiner langjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema Buch zu tun. Nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch mit seinen formalen, den künstlerischen und handwerklichen Aspekten. Dabei steht auch eine berufliche Laufbahn im Hintergrund, die mich von der Architektur über die grafische Gestaltung zum antiquarischen Buchhandel führt.

Nach so viel Enthusiasmus möchte ich aber schon auch noch anfügen, dass mir durchaus bewusst ist, dass dieser Weg kein einfacher sein wird und ich auch das Gelingen nicht von vornherein als selbstverständlich erachte.


Was ist das angestrebte inhaltliche Profil Ihres Antiquariats?

Vorerst besteht ein großer Teil des Sortiments noch aus Erwerbungen, die ich während der letzten 25 Jahre selber getätigt habe und spiegelt vor allem meine persönlichen Vorlieben wider. Also dem Buch, oder dem Druckwerk, in dem Kunst, Kunsthandwerk und Typographie, formal wie auch inhaltlich, es zu einem eindrücklichen Ganzen werden lassen. Dieser Grundlinie versuche ich auch in Zukunft zu folgen. Dabei werden meine persönlichen Vorlieben für Pressendrucke und Bücher zur Geschichte des Druckwesens und der Typographie bestimmt auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen. Das sage ich natürlich auch im Wissen darum, dass die leidigen Geschwister Angebot und Nachfrage auch ein Wörtchen mitreden werden.


Was sind derzeit Ihre bevorzugten Quellen für den Einkauf?

Ich nehme sehr gerne an Auktionen teil. Auktionshäuser sind ja durchaus darauf bedacht, dem Publikum attraktive Angebote zu präsentieren. Dadurch ergeben sich immer wieder gute Gelegenheiten, das eigene Sortiment durch rare Titel aufzuwerten. Saalauktionen sind aber auch deshalb sehr aufschlussreich, weil sie einem Indizien zum aktuellen Marktgeschehen liefern können. Dabei spielen für mich vor allem die Stimmung im Saal und die Interaktion zwischen Versteigerer und Publikum eine grosse Rolle, der Zuschlag eher eine untergeordnete. Denn der ist mehr von den Begehrlichkeiten der anwesenden Bieter abhängig, als dass sich daraus Rückschlüsse auf einen verbindlichen Marktpreis erzielen liessen. Die Verlagerung, weg vom Saal, hin zu Online-Auktionen macht es einem leider zunehmend schwerer, dieser Art von Marktbeobachtung nachzugehen.


Werden Sie Verkaufskataloge oder z. B. einen E-Newsletter ausgeben?

Der Dialog mit den Kunden ist ein wichtiges Element meiner Geschäftstätigkeit. Wenn dieser Dialog aber nicht gerade in den eigenen Geschäftsräumen – oder an einer Messe – stattfinden kann, spielt er sich heutzutage online ab. Zurzeit befindet sich mein Geschäft noch in der Aufbauphase, und ich kann meine Kunden noch individuell und gezielt nach ihren Interessen über Neuerwerbungen informieren. Aber ein regelmäßig erscheinender Newsletter ist eingeplant. Ganz im Gegensatz zum traditionellen Katalog. Selber komme ich aus dem Bereich der Printkommunikation und weiß um den großen Einfluss des Haptischen auf unser Erinnerungsvermögen. Dennoch sehe ich derzeit keinen Vorteil eines gedruckten Katalogs gegenüber dem online abrufbaren Angebot. Das schließt gedruckte Mailings oder speziell verfasste Hand-outs für Veranstaltungen nicht aus.


Welche Rolle spielen die Plattformen in Ihrem Konzept?

Meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Titelanfragen in der Regel über Abebooks/ZVAB an mich gelangen – unabhängig davon, ob der Verkauf über die Plattform oder direkt über mich zustande kommt. Insofern sehe ich in den Plattformen vor allem die Möglichkeit, mein Angebot einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, als es meine eigene, kleine Website vermöchte.


Sie nehmen Anfang November erstmals an der Antiquariatsmesse Zürich teil; was sind Ihre Erwartungen?
Können Sie schon etwas über Ihr Messeangebot sagen?

Die Antiquariatsmesse Zürich bietet mir die Möglichkeit, mich erstmals einem größeren Publikum zu präsentieren, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende zu festigen. Ich erlebe eine Messe allerdings zum ersten Mal aus einer anderen Perspektive; vieles wird sich vermutlich etwas anders darstellen als im Vorfeld erwartet. Daher sehe die Teilnahme auch eher als Testlauf für zukünftige Veranstaltungen. Insbesondere betrifft das die Frage nach dem Messeangebot. Allgemein lässt sich dazu sagen, dass es in der Breite und in der Tiefe ein Spiegel des oben erwähnten Profils sein wird. Dadurch hoffe ich Rückschlüsse ziehen zu können, was an einer Messe geht und was nicht.


Planen Sie weitere Messeteilnahmen, eventuell auch außerhalb der Schweiz?

Zurzeit konzentriere ich mich voll und ganz auf die Zürcher Messe. Die hier gemachten Erfahrungen und die weitere Entwicklung des Geschäfts werden zeigen, ob, unter welchen Bedingungen und in welche geografische Richtung ein Schritt über die Landesgrenzen hinaus realistisch ist.

Fragen: Björn Biester

Georg Schneebeli Rare Books & Prints
Kirchgasse 22
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Tel. +41 78 697 97 78
schneebeli@booksandprints.ch

Die Online-Version des Messekatalogs steht hier; weitere Informationen (Öffnungszeiten, Ausstellerverzeichnis) siehe auch hier.