Meinung

Die große Überforderung

20. Dezember 2007
Redaktion Börsenblatt
Warum das Schenken an Weihnachten Lust und Last zugleich ist. Von Christoph Tangen-Petraitis.
Oh du fröhliche, oh du selige Weihnachtszeit? Statt Freude und Glücksgefühl lösen die vorweihnachtlichen Einkäufe bei vielen trotz guter Vorsätze Stress und Ärger aus. Ein passendes Geschenk zu finden, sei so schwierig und die Zeit zum Einkaufen viel zu knapp. Erstaunliche Klagen, müsste es doch in Anbetracht unzähliger Geschäfte und Angebote ein Leichtes sein, das richtige Präsent zu finden. Was also macht das vorweihnachtliche Einkaufen so anstrengend? Aus psychologischer Sicht vor allem die Aufgabe, in kurzer Zeit etwas Passendes für jemanden zu entdecken und sich dafür zu entscheiden. Schenken ist ein hochkomplexes und mit vielen Hindernissen und Risiken versehenes Unterfangen zwischen Lust und Last. Lust, weil wir beim Schenken kreativ werden und unsere Zuneigung gegenüber dem Beschenkten spüren. Lust auch, weil wir die weihnachtliche Vorfreude der Kindheit erinnern. Vor allem aber die Vorstellung, für unser Geschenk ein Strahlen in den Augen des Beschenkten zurück»geschenkt« zu bekommen, macht das Geben zu etwas Lustvollem. Ein unpassendes Geschenk jedoch führt unweigerlich zu einem unangenehmen und oft peinlichen Moment. Die Enttäuschung in den Augen des andern, und sei sie noch so höflich überspielt, heißt zunächst einmal: »Du liegst daneben.« Neben der Enttäuschung (auch der eigenen) muss man im schlimmsten Fall sogar fürchten, Wut über den Fehlgriff zu ernten. Verfehlte Geschenke sind so nicht selten Auslöser für unfriedliche und unglückliche Weihnachtstage. Jedes Geschenk ist psychodynamisch betrachtet eine Botschaft, mit der wir etwas von uns zeigen und mit der wir mitteilen, wie wir den anderen und die Beziehung zu ihm sehen. Wir riskieren Scham, weil wir mit einem Geschenk unsere intimen Wünsche und Ängste preisgeben, Beschämung, weil der andere vielleicht gar nicht dem Bild entspricht, das wir uns von ihm gemacht haben. Ein unpassendes Kleidungsstück entlarvt dann, wie wir unser Gegenüber gern hätten, während es ihm / ihr womöglich gar nicht gefällt oder steht. Wenn der Ehefrau eine Küchenmaschine oder dem Ehemann wieder Socken geschenkt werden, sind es die unbewusst bestehenden, ambivalenten Gefühle dem Beschenkten gegenüber, die diese oft zitierten und peinlichen »Missgeschicke« in Gang setzen. Solche Enttäuschungen und Fehlgriffe können dann über viele Jahre zu Munition im »Beziehungskrieg« werden. So wie ein gelungenes Geschenk jede Beziehung belebt und fördert, kann ein enttäuschendes Geschenk schwere Beziehungskrisen und Zerwürfnisse vertiefen oder auslösen. Und selbst wenn wir mit einem »neutralen« Präsent versuchen, das Risiko, danebenzuliegen, zu senken, kann auch dies schiefgehen, und unversehens erntet man den Vorwurf: »Du liebst mich nicht richtig.« Vielleicht sind es vor allem Bücher, die es möglich machen, die vielen Hindernisse und Probleme beim Schenken zu überwinden. Denn bei der Vielfalt an Titeln findet sich leichter etwas Passendes. Ein gut ausgesuchtes Buch ist immer persönlich und berührend, kann aber auch mehr offenbaren als einem lieb ist. Wie gehen Sie mit gestressten Kunden um? Ist Ihr Rat zu Weihnachten besonders gefragt? Diskutieren Sie mit uns!