Glosse

Alles Kochbuch oder was?!

3. Januar 2008
Redaktion Börsenblatt
Ich habe beim BÖRSENBLATT u.a. wöchentlich mit den Bestsellerlisten zu tun. So auch im aktuellen Heft (1/2008) bei der Jahresauswertung. Ich kann Ihnen sagen, Excel-Listen ohne Ende. Mein wichtigster persönlicher Kommentar dazu vorweg: Ich kann echt keine Kochbücher mehr sehen, oh Mann!
Okay, ich geb´s ja zu, ich bin ein Kochmuffel und mehr als Rühreier oder einfache Nudeln mit irgendeiner gerade greifbaren Soße wird man von mir wohl nie serviert bekommen. 2007 hat es jedoch - so mein Eindruck - Kochbuch-Neuerscheinungen geradezu gehagelt und ich warte eigentlich nur noch auf „Hapes Jakobsweg-Kochbuch für unterwegs“ (inkl. Pilgerpass und 5-Minuten-Terrine) oder „Lustige Party-Cocktails für den Feuerkelch“ oder das große Cross-Over-Kochbuch-Spektakel „Hape nimmt Harry das Kochbuch der Weisen weg“ (Roman und Kochbuch in einem; Kinofilm, PC-Spiel und Bettwäsche wohl schon in Planung). Gestaunt habe ich auch, was man im Schlaf so alles machen kann: Schlank werden zum Beispiel. Dann gab es aber als Folgetitel auch noch das Kochbuch dazu. Wozu braucht man denn das jetzt noch, fragte ich mich, wenn schlafen allein doch schon ausreicht, um schlank zu werden. Ist das denn dann nicht ein Widerspruch in sich? Ein anderes Kochbuch verspricht einem im Titel noch viel mehr, als nur schlank zu werden: „Besser essen. Leben leicht gemacht“. Whow, so einfach könnte man sein Leben auf die Reihe kriegen, hätte ich nicht gedacht. Viele Psychologen werden jetzt wohl zum Koch umschulen müssen, denke ich mir da. Noch mehr verspreche ich mir allerdings von „Die Antwort“. Das werde ich mir jetzt mal zulegen und hoffe, darin endlich die Antwort auf alles und jede Frage zu finden. Dann könnte ich zuhause auch endlich alle anderen Ratgeber aus den Regalen entfernen, welch Platzgewinn. Bei „Was in zwei Koffer passt“ musste ich daran denken, dass ich wirklich Leute kenne, deren gesamter Buchbesitz in zwei Koffern passen könnte, wie beneidenswert. Manchmal stehen auf den Excel-Listen auch Titel untereinander, die eigentlich keinen Bezug zueinander haben, aber doch irgendwie zueinander passen. Zum Beispiel „Entrümple deinen Geist“ und „Erinnerungen 1990 bis 1994“ von Helmut Kohl, oder, wenn auch sehr sehr bedrohlich, „Das Ende ist mein Anfang“ und „Der Tod wird euch finden“, oder „Der Herr ist kein Hirte“ und „... und das ist auch gut so“. Da kann man schon ins Grübeln kommen. Auch schön: „Ach Glück“ und „Die alltägliche Physik des Unglücks“. Mein diesbezüglicher Favorit ist aber „Mensch ohne Hund“ und „Der Afghane“. Ließe sich da nicht was machen, so bücherübergreifend?! Schon fast philosophisch kamen mir dann auch die beiden Titel von Stephen King vor: „Love“ und „Qual“, ja, das passt. Neben den Kochbüchern, ich muss es leider so hart sagen, nervten mich 2007 auch die vielen Irrtümer-Aufdecker und Nutzloses-Wissen-Vermittler. Was kommt da wohl nächstes Jahr auf uns zu?! Vielleicht die Bücher, die die Irrtümer aus den Irrtümer-Büchern bloßstellen und dann wiederum andere Bücher nachsichziehen. Hilfe, das könnte die Spitze eines nicht zu unterschätzenden Eisberges sein. In diesem Jahr gab es auch verdammt viele Sonder- und Jubiläumsausgaben und ich befürchte ja schon, dass es der Potter schafft, durch immer neue Sonderausgaben, bis zu meiner Rente ständig in den Bestsellerlisten zu bleiben. Für mein Gefühl (wohl statistisch nicht nachweisbar) schien sich 2007 auch ein Trend zu Ein-Wort-Titeln abzuzeichnen: „Kalteis“, „Tannöd“, „Tintenherz“, „Glennkill“. Viele hatten nur vier Buchstaben („Zoli“, „Mona“). Aber es ging noch kürzer, wie mir „Lea“ zeigte. Nun dachte ich ja, weniger als drei Buchstaben werde ich als Buchtitel wohl kaum finden. Denkste: „QQ“. Mal sehen, ob das 2008 noch unterboten wird. Spontan bekomme ich Lust, meine heimische Büchersammlung nach der Länge des Titels zu sortieren. Letzte Nacht träumte ich sogar von Bestsellern, und es ging irgendwie um halbnackte Bauarbeiter in italienischen Schuhen auf einem ukrainischen Traktor, die ihren Resturlaub in der Alhambra verbringen. Apropos Bestseller, mein Lieblingstitel 2007, also jetzt rein vom Titel her, ohne dass ich einen Schimmer hätte, worum es darin geht, ist „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“. Das stell ich mir richtig nett und kurzweilig vor, so eine Auflistung von Belanglosem, Oma Schulz etwa, wie sie am 17. März 1997 gehustet hat oder dass der FC Salz-Ufflen-Süd auch sein letztes Heimspiel vor Vereinsauflösung verloren hat. Ich freue mich jedenfalls schon auf die Bestseller 2008, befürchte aber erneut, dass Hapes Titel wieder gelogen sein wird, von wegen „Ich bin dann mal weg“. Also, sage ich mir, liebe dich selbst und und es ist egal, was du liest und freu dich trotzdem auf die Bestseller 2008.