Ist das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine ernst zu nehmende Gefahr?
Wallenfels: Man muss ein solches Verfahren immer ernst nehmen, darf es aber auch nicht überbewerten. Schließlich hat der EuGH bereits mehrfach die Zulässigkeit von Preisbindungsgesetzen bestätigt. Auch muss man ganz klar sehen, dass das Verfahren im Wesentlichen eine Besonderheit des österreichischen Buchpreisbindungsgesetzes betrifft. Es geht zunächst um die Verpflichtung der Importeure, die Preise für deutschsprachige Bücher in Österreich zu binden und dabei im Regelfall die deutschen Ladenpreise nicht zu unterschreiten. Diese Importproblematik stellt sich naturgemäß in Deutschland nicht.
Haben die Wiener Richter einen Denkfehler im Gesetz entdeckt?
Wallenfels: Nein, ich finde die Argumentation eher verwunderlich. Die Richter halten es für möglich, dass die Mindestpreisbindung eine diskriminierende Sonderregelung für Waren aus einem bestimmten Mitgliedsstaat ist. Französischsprachige Bücher etwa könnten ja zu freien Preisen importiert und verkauft werden. Aber diese Verpflichtung ist schließlich im ureigensten Interesse der deutschen Verlage, die sich bestimmt nicht diskriminiert sehen.
Ihre Prognose für das EuGH-Urteil?
Wallenfels: Ich kann und will dem EuGH nicht vorgreifen, aber das österreichische Preisbindungsgesetz ist ebenso wie das deutsche der französischen Regelung nachgebildet. Diese »Loi Lang« gibt es seit 1981. Sie hat in der europäischen Rechtsprechung unangefochten Bestand. Der EuGH hat das Recht der EU-Staaten zur nationalen Kulturpolitik auch in Form solcher Preisbindungsgesetze ausdrücklich und mehrfach bekräftigt. Auch nach französischem Recht sind die Importeure zu Preisfestsetzungen für nach Frankreich importierte Bücher verpflichtet. Das österreichische wie das deutsche Gesetz sind im Grunde weniger strikt, da sie diese Verpflichtung auf deutschsprachige Bücher beschränken.
Der österreichische Gerichtshof wirft dem Gesetz letztlich vor, nur eine Verlängerung des früheren Sammelreverses zu sein ...
Wallenfels: Dem Gericht war vielleicht nicht bekannt, dass die Europäische Kommission nach zehn Jahren heftigen Streites den Sammelrevers in der zuletzt geltenden Fassung mit Schreiben vom 17. April 2002 für EU-rechtskonform erklärt hat.
Bis zum Urteil werden wohl zwei Jahre vergehen. Muss die Branche jetzt besondere Disziplin zeigen?
Wallenfels: Ganz sicher. Denn natürlich hat das Verfahren einen psychologischen Effekt, nicht zuletzt nach dem Fall der Preisbindung in der Schweiz. Wie man sieht, ist die Preisbindung ein fragiles Gut, mit dem sensibel und diszipliniert umgegangen werden muss. Wer sich nicht an die Regeln hält, spielt den Gegnern in die Hände.